piwik no script img

Baukosten in Hamburg auf RekordhochBaukosten schießen in die Höhe

Ein neues Gutachten zeigt: Beim Bauen steigen die Kosten in allen Bereichen, ganz besonders aber der Bodenpreis. Braucht es einen Deckel?

Immer höher, immer teurer: Bauen in Hamburg Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Seit Jahren moniert die Immobilienwirtschaft, dass sie durchaus gern günstiger bauen wolle, um ihren Teil gegen die steigende Mietpreisentwicklung beizutragen – doch stünden dem vor allem steigende Herstellungskosten und staatliche Auflagen im Weg. Ein neues Gutachten über die aktuellen Kosten für den Bau von Wohnraum in Hamburg kommt zu einem differenzierten Ergebnis. Zwar steigen in allen Bereichen die Kosten, besonders ragen aber die Grundstückspreise hervor.

„Das hat uns auch erschreckt“, sagt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) aus Kiel, die das Gutachten erstellt hat.

Allein seit 2016 hat die Bodenspekulation zu einen Anstieg um mehr als 28 Prozent bei den gebauten Wohngebäuden geführt. Erstmals überschritten auch die durchschnittlichen Kosten für einen Quadratmeter gebaute Wohnfläche im vergangenen Jahr so die 4.000-Euro-Marke. Für das laufende Jahr ist kein Ende des Anstiegs in Sicht. Prognosen sehen die Grundstückspreise um weitere 8,1 Prozent steigen.

Den historischen Höchstwert erreichten die Baukosten im ersten Quartal 2020. Durch die Coronapandemie sanken die Baupreise kurzzeitig. Den Prognosen der Arge zufolge dürfte dieser kurze Knick aber im laufenden Jahr wieder wettgemacht werden. „Wir rechnen für das laufende Jahr mit einem Quadratmeterpreis im Mehrgeschossbau von 4.188 Euro“, sagt Walberg.

Umfangreicher Datensatz beim Gutachten

Davon entfielen 853,80 Euro auf den Kaufpreis für das Grundstück und 3.133 Euro auf die Herstellungskosten. Zwar macht der Kaufpreis einen kleineren Anteil an den Gesamtkosten im Vergleich zu den Herstellungskosten aus, doch stieg kein Kostenteil so stark an wie der Preis für die bebauten Grundstücke: satte 28,6 Prozent Steigerung seit 2016.

Damals hatte die Arge erstmals die Baukosten untersucht. Zusammen mit einem ersten Folgegutachten, dass 2019 erstellt wurde, gibt es mit dem aktuellen Gutachten einen komplexen Datensatz über Neubauten in Hamburg.

Auch die restlichen Kosten stiegen, etwa für Baumaterialien oder Handwerksarbeiten, um fast schon moderat anmutende rund 15 Prozent. Zum Vergleich: Die allgemeinen Lebenshaltungskosten stiegen seither um lediglich 5,5 Prozent.

Erhöht das Bauen die Kosten?

In Auftrag gegeben hat das Gutachten die Stadtentwicklungsbehörde. Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) freut sich besonders, dass es nun mehr Transparenz bei den Baukosten in der Stadt gebe.

Baukosten-Gutachten

Die Kosten von rund 1.300 neugebauten Wohnungen mit zusammen gut 92.000 Quadratmetern Wohnfläche wurden detailliert ausgewertet.

Hinzu kommen die Daten von rund 8.000 weiteren gebauten Wohnungen seit 2016 – so lässt sich detailliert die Entwicklung nachvollziehen.

Bemerkenswert ist, worin Stapelfeldt einen Grund für die steigenden Baukosten ausmacht: Sie würden auch den starken Wohnungsbau widerspiegeln, der in der Stadt in den vergangenen Jahren stattgefunden habe. „Wir schaffen in Hamburg jedes Jahr viel neuen Wohnraum in hoher Bauqualität. Das bedeutet eine hohe Nachfrage, und die wirkt sich auf die Preise aus.“

Dabei hatte der Senat bislang mit seinem Ziel von 10.000 gebauten Wohnungen pro Jahr behauptet, dass erhöhter Wohnungsbau genau das Gegenteil erreiche: „Der Bau zusätzlicher Wohnungen ist das wirksamste Mittel gegen den Anstieg der Mieten“, sagte Stapelfeldt erst im vorigen Jahr noch.

Das Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass Wohnraum mit moderaten Mieten nahezu gar nicht mehr gebaut wird. „Es gibt nur noch sehr wenige Neubauten, für die eine anschließende Kaltmiete von acht Euro machbar ist“, sagt Walberg.

Ein Deckel auf die Bodenpreise

Aus Sicht der Linken müsse die Stadt deshalb dringend den explodierenden Bodenpreisen etwas entgegensetzen. Ideen gebe es genug. „Klar ist, dass die Stadt Boden nicht weiter veräußern darf“, sagt die Fachsprecherin für Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik, Heike Sudmann (Die Linke). „Stattdessen sollte die Stadt Flächen rekommunalisieren und gezielt aufkaufen.“

Andere Kommunen machen das bereits seit Jahren, die Stadt Ulm etwa. Dort liegt der Bodenpreis deshalb deutlich unter dem Landesschnitt. Und dieses Ziel hätten, so Sudmann, übrigens auch Olaf Scholz und die SPD-Bundesspitze im Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl aufgenommen. Auf diese Weise würden Kommunen die Steuerungshoheit über den Immobilienmarkt wiedergewinnen.

In letzter Konsequenz müsste nach Ansicht von Sudmann dann auch ein Bodenpreisdeckel diskutiert werden. Die Stadtentwicklungsbehörde will von diesen Vorschlägen nichts hören. Ihre Antwort auf die steigenden Grundstückspreise: Gefördert werden künftig auch Wohnungsbauten auf teurerem Grund. Außerdem: Gibt es an einen Bau Gestaltungsauflagen, will die Stadt die zusätzlichen Kosten bezuschussen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Es wäre sehr hilfreich, wenn man mal genau auflisten würde, wo, für wen, für was und für welchen Preis die Stadt Grundstücke in den letzten Jahren abgegeben hat. Ich bin sicher, dass sich der Grund für den Anstieg der Grundstückspreise daraus dann mehr oder weniger direkt erklären lässt.

  • Bericht vom Lande: bei den Grundstücken sind die Kommunen scheinbar Preistreiber. Wi mir ein Architekt berichtete gibt es Gemeinden, die bei der Baugrundvergabe einen unteren Preis festlegen (z. B. 140 € pro qm) und dann dürfen die Leute bieten. Das höchste Gebot bekommt den Zuschlag - das sind dann auch gern mal 400 € für den qm...

  • Hohe Grundstückspreise sind auch in München preistreibend. Halbwegs moderate Miet- bzw. Kaufpreise für Wohnraum wären nur mit sehr dichter / hoher Bebauung machbar.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Die Stadtentwicklungsbehörde will von diesen Vorschlägen nichts hören. "

    So ist das im Kapitalismus! Da bleibt nur - ABWÄHLEN!