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Barnier wird Frankreichs RegierungschefAushilfspremier von Le Pens Gnaden

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Frankreich hat mit Michel Barnier einen Premier – endlich, könnte man sagen. Wenn er nicht von Le Pen abhängig wäre.

Der alte Premierminister Gabriel Attal (l.) und der neue, Michel Barnier, vor der Übergabezeremonie in Paris Foto: Sarah Meyssonnier/reuters

M ichel Barnier, der von Präsident Macron für den voraussichtlichen Aushilfsjob des Premierministers ausersehen wurde, kann mit keiner Schonzeit oder mit Vorschusslorbeeren rechnen. Er tritt sein Amt an und ist schon auf der Abschussliste der Oppositionsfraktionen, die ihn bei der erstbesten Gelegenheit stürzen wollen.

Barnier soll dafür geradestehen, dass Emmanuel Macron die Ergebnisse der letzten Wahlen schlicht ignorieren und einfach wie zuvor weitermachen will.

Die Macronisten haben nach dem Verlust der absoluten Mehrheit 2022 bei den Wahlen im Juli auch ihren Anspruch auf die Regierungsführung verloren. Viele ihrer Sitze haben sie nur deshalb retten können, weil sie mit der vereinten Linken Absprachen gegen die bedrohlich erstarkte extreme Rechte getroffen hatten.

Die linke Neue Volksfront (NFP) konnte als stärkster der drei Blöcke in der Nationalversammlung der demokratischen Tradition in Frankreich folgend Ansprüche erheben. Mit Lucie Castets, einer neuen und mit keiner der Parteien liierten Führungspersönlichkeit, hatte die NFP eine glaubwürdige Kandidatur für die Umsetzung des Programms der Linken.

Macronismus mit dem Brecheisen

Macron hatte indes keine Sekunde lang die Absicht, die Forderung der Wäh­le­r*in­nen nach einer Alternative zu seiner Politik und seiner monarchischen Herrschaft ernst zu nehmen. Er will als Präsident keine Koexistenz oder eine wirkliche Kohabitation (wie dies in Frankreich genannt wird) mit einem Regierungschef aus den Reihen seiner Gegner. Für ihn ist der Premier ein Untergebener, der seine Weisungen ausführt. Und dabei soll es mit Barnier auch bleiben.

Je länger Frankreich auf den Namen des neuen Premiers warten musste, desto mehr entstand der doppelt negative Eindruck, dass Macron entweder vor der Aufgabe der Nominierung ratlos war oder absichtlich auf Zeit spielen wollte, um den Widerstand der Parteien zu brechen. Denn er wollte das Unmögliche: Dass sich die bisherigen Gegner versöhnen und zu einer „breiten Koalition“ zusammenschließen, die dann die exklusiv von ihm beschlossene Linie einschlagen würde.

Rechtsruck durch die Hintertür

Stattdessen hat Frankreich jetzt einen Premier­minister, der von Beginn an von der Gnade der Rechtspopulisten unter Marine Le Pen abhängig ist. Denn bei einer etwaigen Vertrauensabstimmung könnten ihre Stimmen entscheidend sein. Daher gewähren sie Barnier eine Chance – mit der expliziten Bedingung, dass er ihre Forderungen „respektiert“.

Man hatte gedacht, dass die extreme Rechte bei den Wahlen den Kampf um die Macht verloren hätte. Nun könnte sie aber durch die Hintertür Macht und Einfluss ausüben.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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7 Kommentare

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  • Schnittmengen



    Zitat: „Stattdessen hat Frankreich jetzt einen Premier­minister, der von Beginn an von der Gnade der Rechtspopulisten unter Marine Le Pen abhängig ist.“

    Da liegt der Hund begraben: Die Ernennung Barniers ist ein eindeutiges Kooperation-Signal Macrons an den RN, das französische Pendant zur AfD. Zu dessen politischer Biografie gehören schwulen- und abtreibungsfeindliche Positionen ebenso wie eine strikt restriktive Einwanderungspolitik in die EU und das Kopftuchverbot im Öffentlichen Raum. Hier gibt es signifikante programmatische Schnittmengen mit den Lepenisten des RN, die nunmehr als Königsmacher den Preis für die Unterstützung Barniers nach Belieben in die Höhe treiben können.

    Was dieses Signal für die sich abzeichnenden Kräfteverhältnisse hierzulande bedeutet, kann man sich an den Fingern abzählen. Letztlich wird zusammenfinden, was historisch zusammengehört.

    Im übrigen wieder ein wohltuend ausbalancierter Kommentar von Rudolf Balmer.

  • "Die linke Neue Volksfront (NFP) konnte als stärkster der drei Blöcke in der Nationalversammlung der demokratischen Tradition in Frankreich folgend Ansprüche erheben. "

    Nach dieser Logik des stärksten Blockes könnte auch die AfD in Thüringen Anspruch auf Ministerpräsident und Regierung anmelden ! Ganz so einfach ist es, GottseiDank , nicht .



    Außerdem hat die Rechte erheblich mehr Stimmen bekommen- fast 10 Millionen mehr-



    durch das Mehrheitswahlrecht konnte eine Machtübernahme verhindert werden !

  • Macron ist unfähig, einen Kompromiss einzugehen. Das wird sich rächen. Der Premierminister kann sowieso kaum eigene Impulse setzen, er kann selber schlecht versöhnen oder Gräben überwinden. Insofern steht Ratlosigkeit ins Haus, dazu noch Absprachen mit Marine Le Pen. Die kann damit zufrieden sein, trotzdem könnte sie irgendwann Michel Barnier stürzen.



    Frankreich verhärtet sich in politischen Krisen.

  • Macron ist in die Gosse gerutscht. Er hält sich für unfehlbar, dass ist sein Problem.

  • Macron will eine "Volksfront" aus Rechten Parteien schaffen, deshalb hat er den konservativen Ultra berufen. Er hofft damit Le Pen domestizieren zu können. Erinnert fatal an Hugenbergs Deutschnationale, die 33 meinten, im Kabinett die nsdap an die 'Wand zu quetschen, bis sie quietscht' - wir wissen, wer obsiegte.....

  • Das Linksbündnis hat nicht die meisten Stimmen, sondern nur die meisten Abgeordneten der verschiedenen Lager. Nur 25,7 % der Wähler haben im zweiten Wahlgang das Linksbündnis gewählt - im Gegensatz zu 32,1 % für den Front National.

    Wenn man sich alle Stimmen anschaut, so ergibt sich eine deutlich Mehrheit rechts der Mitte - fast 70% der Wähler haben Macron oder konservative oder gar rechtsextreme Parteien gewählt!

    Im Parlament sind gerade einmal 177 von 577 Sitzen von linken Kräften besetzt!

    Daraus einen Regierungsauftrag für ein Linksbündnis abzuleiten, ist geradezu vermessen...

  • Auch nicht viel schlimmer, als z.B. von Melenchon abhängig zu sein.