Baldige Linken-Chefinnen zu ihren Plänen: „Eine neue Phase“
Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sollen bald die Linke führen. Ein Gespräch über Regierungsbeteiligungen, Auslandseinsätze und Russland.
taz: Frau Hennig-Wellsow, Frau Wissler, ist Parteichefin Ihr Traumjob?
Susanne Hennig-Wellsow: Definitiv nicht. Aber wir beide können und wollen es werden.
Janine Wissler: Ob es ein Traumjob ist, warten wir mal ab.
Warum treten Sie dann an?
Wissler: Damit die Linkspartei als antikapitalistische Kraft der sozialen Gerechtigkeit stärker wird.
Hennig-Wellsow: Ich trete an, damit die Linke eine Durchsetzungsperspektive bekommt, damit das Leben der Menschen im Hier und Jetzt besser wird und wir wieder gute Laune ausstrahlen. It’s not a revolution if you can’t dance it.
Und was qualifiziert Sie für den neuen Job?
Hennig-Wellsow: Gelassenheit.
Wissler: Gelassenheit. Und Hartnäckigkeit.
In der Hauptstadt wird jeder etwas schräge Tweet sofort skandalisiert. Macht Ihnen der Sprung von der Landes- auf die Bundesebene keine Angst?
Wissler: Das wird eine große Veränderung. Ich bin ja schon einige Jahre stellvertretende Parteivorsitzende der Bundespartei. Aber klar – der Hessische Landtag ist was anderes. Insofern: Keine Angst, aber Respekt.
Hennig-Wellsow: Thüringen ist nicht automatisch eine kleinere Bühne. Wir haben dort die erste rot-rot-grüne Koalition geformt. Wir haben eine Minderheitsregierung, toleriert von der CDU. Wir haben den 5. Februar 2020 erlebt, die Wahl von Kemmerich mit AfD-Stimmen. Außerdem spielt Thüringen via Bundesrat eine bundespolitische Rolle. Berlin wird eine gewisse Umstellung sein, aber ich habe entsprechende Erfahrungen.
Ziehen Sie nach Berlin um?
Hennig-Wellsow: Ich kann mir vorstellen, meinen Wohnsitz in die Nähe von Berlin zu verlegen. Aber dafür muss ich erst mal gewählt werden.
Wissler: Ich bleibe erst mal Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag. Alles Weitere kommt nach der Wahl zur Parteivorsitzenden.
Susanne Hennig-Wellsow
Sie wurde 1977 in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Die ehemalige Eisschnellläuferin kam nach ihrem Studium der Pädagogik als Referentin zur damaligen PDS. Seit 2013 führt sie den Thüringer Landesverband der Linken. Seit 2014 ist sie auch Fraktionschefin im Landtag in Erfurt. Zusammen mit Grünen und SPD bildet die Linke hier – mit kurzer Unterbrechung – die Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.
Janine Wissler
Sie wurde 1981 in Langen in Hessen geboren. Als Jugendliche war sie aktiv in außerparlamentarischen Bewegungen, Anfang der 2000er etwa bei Attac Frankfurt. 2005 gründete sie die WASG mit, seit der Fusion mit der PDS 2007 ist sie Mitglied im Parteivorstand der Linken. Sie gehörte bis vor Kurzem der trotzkistischen Strömung Marx21 an und gilt deshalb als Parteilinke. Wissler studierte Politikwissenschaften in Frankfurt am Main. Seit 2009 führt sie die Linksfraktion im Hessischen Landtag.
Ist Wiesbaden eine Rückversicherung für Sie?
Wissler: Es geht um den Übergang.
Werden Sie für den Bundestag kandidieren?
Hennig-Wellsow: Ja.
Wissler: Ich warte erst mal die Wahl zum Parteivorsitz ab.
Frau Hennig-Wellsow, wer übernimmt in Thüringen Ihre Geschäfte?
Hennig-Wellsow: Gute Leute. Was wir in Thüringen geschafft haben, war immer eine Teamleistung.
Gibt es noch jemanden, der es mit Bodo Ramelow so lange aushält wie Sie?
Hennig-Wellsow: Ich habe es nicht nur ausgehalten. Er ist ein großartiger Mensch, kein Monster. Mir geht es ja gut. Keine Ironie.
In manchen Umfrageergebnissen steht die Linkspartei nur noch bei 6 Prozent. Wird Ihnen bei diesen Zahlen angst und bange?
Wissler: Die Linke ist in bundesweiten Umfragen seit Jahren recht stabil. Wir haben aber ein deutlich größeres Potenzial. Für unsere Forderungen wie Umverteilung von oben nach unten, wirksamer Klimaschutz und konsequente Friedenspolitik gibt es gesellschaftliche Mehrheiten. Wir müssen dieses Potenzial stärker ausschöpfen.
Wie denn? Die Linkspartei hat bei den Abgehängten verloren und bei den jungen, urbanen Milieus nicht hinzugewonnen.
Wissler: Die Linke muss unter Beweis stellen, dass sie einen praktischen Wert hat. Sie muss an der Seite von Bewegungen und betrieblichen Kämpfen stehen, Hartz-IV-Beratungen machen und vor Ort ansprechbar sein. Dass wir viele Menschen schwer erreichen, hat viel mit Resignation und Ohnmacht zu tun. Viele haben wenig Hoffnung auf Veränderungen. Armut ist stark mit Scham und Stigmatisierung verbunden. Die alleinerziehende Verkäuferin, die ihr Kind beim Kindergeburtstag entschuldigt, weil sie sich kein Geschenk leisten kann, schämt sich für ihre Armut. Wir Linke müssen klarmachen: Nicht du, sondern dein Arbeitgeber muss sich schämen, dass er so ein mieses Gehalt zahlt. Wir sollten uns nicht auf ein Milieu fokussieren. Wir müssen Fridays for Future genauso ansprechen wie Menschen, die um den Erhalt ihrer Industriearbeitsplätze kämpfen, die „Black Lives Matter“-Bewegung genauso wie Beschäftigte in der Pflege.
Die Linkspartei ist für alle da – und dann wird das schon?
Hennig-Wellsow: Die Linke muss ihren Platz auf der Zuschauertribüne endlich aufgeben. Schluss mit Langeweile und dunklen Wolken. Für den Aufbruch, den Janine und ich anstreben, muss die Partei in eine neue Phase einsteigen. Wir müssen eine Durchsetzungsperspektive schaffen für das, was wir seit Jahren versprechen. Wir Linke müssen klären, ob wir regieren wollen. Aus meiner Sicht braucht es unser Bekenntnis zu mehr Verantwortung.
Die Linkspartei sollte Regierung wagen, Frau Wissler?
Wissler: Wir können das nicht abstrakt entscheiden. Ob Regierung oder Opposition entscheiden wir anhand von Inhalten und danach, ob wir Veränderungen durchsetzen können. In Hessen ist Rot-Rot-Grün zweimal nicht an uns gescheitert. Ohne gesellschaftlichen Druck wird auch eine Linke, die regiert, nichts grundlegend verändern können. Die Linke darf in Regierungen nicht das Gegenteil von dem machen, was sie vorher versprochen hat, wie andere. Deswegen haben wir Pflöcke in unser Programm eingebaut, hinter die wir nicht zurückfallen werden. Eine Regierung mit SPD und Grünen im Bund halte ich nicht für wahrscheinlich. Wir sollten aber nichts ausschließen, sondern deutlich machen, was wir durchsetzen wollen.
„Regieren, ja oder nein?“ ist eine Schlüsselfrage im Wahljahr. Schwierig, wenn eine Parteispitze da so gegensätzliche Signale sendet wie Sie beide, oder?
Hennig-Wellsow: Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir sollten politische Instrumente nicht immer gegeneinander diskutieren. Der Thüringer Weg ist: Morgens stehen wir bei Siemens am Betriebstor, am Vormittag blockieren wir die AfD bei ihrer Demo, am Mittag verhandeln wir mit dem Koalitionspartner über Gesetze. Wenn sich auf Bundesebene mehr positives Denken durchsetzen würde, wäre das viel wert. Verantwortung zu übernehmen ist kein Widerspruch dazu, aktiv in Bewegungen zu sein und uns als verlängerten Arm zu betrachten. Das schließt sich überhaupt nicht aus.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Auf dem Strategiekongress in Kassel haben Sie, Frau Wissler, unter Beifall gerufen: „Es rettet uns kein höheres Wesen und kein linker Minister.“ War das kein grundsätzlicher Einspruch gegen Regieren?
Wissler: Das heißt ja nicht, dass linke Minister nichts Gutes bewirken können. Aber wirkliche Veränderungen lassen sich nur durchsetzen, wenn Menschen sich selbst emanzipieren und für ihre Rechte kämpfen. Eine linke Regierung kann solche Initiativen aufnehmen – und im besten Fall durchsetzen. Aber dafür braucht es gesellschaftlichen Druck und Bewegungen, denn die Widerstände der Gegenseite, beispielsweise bei der Deckelung der Mieten, sind enorm. Die Linke darf keine Stellvertreterpolitik machen und sagen: Wählt uns, wir machen das für euch. Menschen müssen sich selbst aktiv einbringen, uns rettet kein linker Minister und keine linke Ministerin.
Eine linke Regierung hieße Grün-Rot-Rot. Wird die Linkspartei im Bundestagswahlkampf die Unterschiede zu SPD und Grünen betonen – oder die Gemeinsamkeiten?
Hennig-Wellsow: Wir stellen die soziale Frage in den Vordergrund und verbinden sie mit der ökologischen Frage. Corona hat gezeigt, dass bei Gesundheit und Bildung Verbesserungen nötig sind. Die Bundestagswahl ist eine Richtungswahl – zurück zum Alten oder auf zum Neuen. Das Neue ist, dass nicht jene für die Krise bezahlen, die sie jetzt gerade ausbaden, das Neue sind eine Vermögensteuer und entschlossene Klimapolitik.
Janine Wissler
Wissler: Wir machen einen eigenständigen Wahlkampf. Und zeigen: Es darf nach der Coronakrise in vielen Bereichen kein Zurück zur alten Normalität geben. Pflegenotstand, marode Schulen, privatisierte Krankenhäuser und eine kaputtgesparte öffentliche Infrastruktur haben keine Zukunft – das sieht die Mehrheit der Menschen auch so.
Kaputtgesparte Infrastruktur? Deutschland hat so viele Intensivbetten wie kein anderes Land in Europa.
Wissler: Bei der Zahl der Intensivbetten mag das stimmen. Aber nicht neben jedem Bett steht eine Pflegekraft. Die Pandemie geht, mittlerweile in der zweiten Welle, auf die Knochen der Beschäftigten. In den Pflegeberufen sagen viele: Nach der Pandemie scheide ich aus dem Beruf aus. Ich sehe sehr wohl das Positive, die Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Krise. Aber es muss in einer der reichsten Industrienationen der Welt doch möglich sein, dass Krankenschwestern und Krankenpfleger keine Angst vor Altersarmut haben müssen und nicht heillos überlastet sind und dass in den Schulen die Klos funktionieren. Deshalb sagen wir: Kein Zurück zum Normalzustand.
Markenkern der Linken ist soziale Gerechtigkeit. Was ist mit dem Klimawandel?
Wissler: Klimaschutz ist ein zentrales Thema. Fridays for Future sagt: System Change not Climate Change – Systemwandel statt Klimawandel. Da können wir als Partei, die den Kapitalismus überwinden will, gut anknüpfen. Wer effektiven Klimaschutz will, muss sich mit den Konzernen anlegen, etwa den Energiekonzernen und der Automobilindustrie. Wir wollen Macht- und Eigentumsverhältnisse verändern, gerade im Energiebereich.
Ist Fridays for Future ein Bündnispartner der Linkspartei?
Wissler: Ja, klar.
Soll die Linke grüner als die Grünen werden?
Hennig-Wellsow: Das sind wir doch schon.
In der Linken gilt das vielen als Vorwurf – bloß nicht den Grünen nachlaufen …
Hennig-Wellsow: Das ist mir egal. Entschuldigung, dass ich immer mit Thüringen komme. Wir haben schon 2007 ein Konzept vorgelegt, „Energierevolution statt grüner Kapitalismus“. Der Kampf gegen den Klimawandel braucht neue Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepte. Grüner als die Grünen, das ist kein Maßstab für mich. Wir treffen unsere Entscheidungen unabhängig von der politischen Konkurrenz.
Wissler: Mit dem Slogan kann ich auch nicht viel anfangen. Wir sind beim Klimaschutz konsequenter. Die Grünen setzen auf marktwirtschaftliche Elemente, Appelle und Freiwilligkeit. Sie legen sich nicht mit der CDU an, wenn 2020 ein Wald für eine Autobahn gerodet wird. Linke Klimapolitik heißt: Wir wollen eine ökologische und sozial gerechte Transformation, mit sozialen Garantien für die Beschäftigten.
Und wie erklären Sie dem 70-jährigen Stammwähler, dass jetzt die Innenstadt autofrei werden soll und er nicht mehr vor dem Haus parken kann?
Wissler: Natürlich müssen wir Antworten geben, wie wir Mobilität für alle garantieren. Aber die Menschen, die aus den ländlichen Räumen jeden Tag nach Frankfurt pendeln und jeden Tag im Stau stehen, denken sicher nicht: Super, ich bin mobil, sondern: Verdammt, ich stehe im Stau. Wir brauchen klimafreundliche Mobilitätsangebote, die alle mitnehmen und die mehr Lebensqualität bedeuten. In der Stadt und auf dem Land, wo die meisten Menschen auf ein Auto angewiesen sind.
Am 26./27. Februar trifft sich die Linkspartei virtuell. Wissler und Hennig-Wellsow sollen dann als neue Doppelspitze gewählt werden. Es gibt keine aussichtsreichen Gegenkandidat:innen.
Wenn die Linke die Bedingungen in der Fleischindustrie für Menschen und Tiere verbessern will, heißt das: Der Preis fürs Fleisch steigt. Wenn man Innenstädte autofrei macht, heißt das: Der Diesel parkt am Stadtrand.
Hennig-Wellsow: Die Klimafrage ist komplex. Keine Partei hat die perfekte Lösung zwischen sozialem Ausgleich und ökologischer Notwendigkeit. Die meisten Leute wissen aber, dass wir etwas gegen den Klimawandel tun müssen. Dass der Diesel am Stadtrand stehen bleibt, ist da noch die geringste Auswirkung. Unser Gewerkschaftsflügel sagt zum Teil: Die Linke darf nicht grüner als die Grünen werden. Und fragt, was aus den Autobauern wird, die Diesel produzieren. Da brauchen wir für eine Übergangszeit Transformationsfonds, auch für Zulieferer. Diese Prozesse müssen wir politisch gestalten. Das geht nicht sofort. Das Klima aber schreit – jetzt und gleich. Es gibt da keine einfache Antwort.
Wissler: Der Agrarmarkt hat mit Markt nicht viel zu tun. Dass das Stück Fleisch vom Biobauernhof um die Ecke deutlich teurer ist als Fleisch, das um die Welt transportiert wurde, hat mit einer falschen Subventionspolitik zu tun. Auch der Energiemarkt hat mit Markt nicht viel zu tun. Wenn bei den fossilen Energien die Folgekosten eingepreist wären, dann wären sie nicht wettbewerbsfähig. Wir müssen aufhören, das Falsche zu fördern. Dann ist erneuerbare Energie konkurrenzlos.
Ein heikles Thema für die Linke ist das Verhältnis zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Warum ist die Linkspartei eigentlich gegen UN-mandatierte, friedenserhaltende Einsätze, Frau Hennig-Wellsow?
Susanne Hennig-Wellsow
Hennig-Wellsow: Sind wir nicht. So einen klassischen Blauhelmeinsatz wie zum Beispiel auf Zypern kann ich mir gut vorstellen. Aber wir wollen keine Kampfeinsätze, und daran werden wir festhalten.
Die Linke in Nordrhein-Westfalen fordert, die Bundeswehr von allen Auslandseinsätzen zurückzuholen, auch den friedenserhaltenden. Was sagen Sie, Frau Wissler?
Wissler: Ja, die Bundeswehr sollte aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen werden. Der erste Irakkrieg war UN-mandatiert, aber trotzdem falsch. Militäreinsätze machen die Welt nicht friedlicher. Es geht aber nicht nur um die Frage „Auslandseinsätze ja oder nein?“, sondern um die Ausrichtung der gesamten Außenpolitik. Deutschland sollte aufhören, Waffen in alle Welt zu exportieren und Diktatoren zu unterstützen.
Die meisten Bundeswehreinsätze, etwa in Libanon und Südsudan, sind friedenserhaltende Missionen. In der Frage, ob diese beendet werden sollen, sind Sie sich also uneins.
Wissler: Ich kann mir keinen Einsatz vorstellen, dem ich zustimmen würde. Wir wollen einen grundlegenden Wechsel zu einer friedlichen Außenpolitik. Da haben Kampf- und Auslandseinsätze keinen Platz.
Strittig ist auch das Verhältnis zu Russland. Als Nawalny vergiftet wurde, haben Linksparteipolitiker angedeutet, dass ja auch westliche Geheimdienste als Täter infrage kämen. Wie sehen Sie das?
Hennig-Wellsow: Wir sollten uns an keinerlei Spekulationen beteiligen. Der russische Staat muss Aufklärung leisten.
Es ist doch klar, dass der russische Geheimdienst FSB beteiligt war. Warum reden Sie noch immer von Spekulation?
Hennig-Wellsow: Wenn diese Vergiftung vom russischen Staat verursacht wurde, muss man das aufs Schärfste verurteilen.
Wissler: Natürlich würde man diese Tat der russischen Regierung und dem russischen Geheimdienst zutrauen. Wir wissen, dass es Menschenrechtsverletzungen in Russland gibt. Die russischen Behörden sind gefordert, das aufzuklären. Ob das erfolgt, da kann man skeptisch sein. Aber es gibt weder einen offiziellen Untersuchungsbericht noch wirklich zweifelsfreie Quellen.
Soll die Gaspipeline Nord Stream 2 weitergebaut werden, oder soll man den Bau stoppen?
Hennig-Wellsow: Manche sagen: Wir haben genug Gas und sollten uns energietechnisch nicht von Russland abhängig machen. Andere warnen vor einem geopolitischen Konflikt im Fall eines Baustopps. Klar ist, Russland muss aufhören, die Demokratiebewegung zu unterdrücken. Wirtschaftliche Sanktionen – so auch der Stopp von Nord Stream 2 – sind da der falsche Weg, weil nicht zielgenau. Besser wären Sanktionen für Personen, die für die Unterdrückung verantwortlich sind.
Wissler: Energiepolitisch sehe ich Nord Stream 2 kritisch. Ich bezweifle, dass diese Gaspipeline nötig und eine Brücke zu den erneuerbaren Energien ist.
Nehmen wir mal an, die Linke würde ab Herbst mitregieren. Was wären Ihre ersten Maßnahmen?
Hennig-Wellsow: Wir würden die ein oder andere Naziorganisation verbieten. Wir würden Sanktionen bei Hartz IV beenden und die Hartz-IV-Sätze erhöhen. Wir würden uns stringent am Pariser Klimaabkommen orientieren und entsprechend Politik organisieren. Wir würden uns wahrscheinlich mit den Koalitionspartnern darüber streiten, ob wir eine Vermögensabgabe oder die Vermögensteuer einführen. Und versuchen, Rüstungsexporte einzustellen.
Wissler: Und wir würden die Bedingungen in der Pflege und den Krankenhäusern verbessern, den Mindestlohn erhöhen und Kinder- und Altersarmut bekämpfen. Und wichtig: Thüringen und andere Bundesländern wollten Geflüchtete aufnehmen, das hat der Bund verhindert. Wir wollen eine humane Flüchtlings- und Asylpolitik durchsetzen. Und dann noch eine Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz.
Katja Kipping hat als Parteichefin den Kreisvorsitzenden zum Geburtstag gratuliert. Werden Sie das auch tun?
Hennig-Wellsow: Ja, das ist doch eine schöne Idee.
Wissler: Das finde ich auch, das sollten wir machen.
Also Hennig-Wellsow für den Osten, Wissler für den Westen?
Hennig-Wellsow: Nein, wir machen das genau andersrum. Ich den Westen, du den Osten.
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