Bärenangriff in Italien: JJ4 macht Ärger
Zum ersten Mal seit 150 Jahren hat in Italien ein Bär einen Menschen getötet. Jetzt wächst die Kritik am Umgang mit den Predatoren in der Region.
Dessen Leiche war in der Gemeinde Caldes im bei Wanderern und Touristen beliebten Val di Sole nahe einem Forstweg gefunden worden. Der Körper wies tiefe Kratzer im Gesicht und am Rumpf, Bisswunden sowie eine tiefe Wunde am Bauch auf. An den Überresten des jungen Mannes wurden DNA-Rückstände der Bärin entdeckt.
Die Eltern von JJ4 und JJ1 sind zwei slowenische Bären, Jose und Jurka, die zwischen 2000 und 2001 im Rahmen des EU-Projekts „Life Ursus“ nach Italien gebracht wurden. Bruno wanderte damals nach Bayern aus.
Das 17-jährige Bärenweibchen JJ4 ist im Trentino nicht unbekannt. Es hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem bereits im Sommer 2020 zwei Menschen, einen Vater und seinen Sohn, auf dem Monte Peller angegriffen. Bereits damals sollte sie eigentlich getötet werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Ein Verwaltungsgericht hob die Entscheidung jedoch auf, nachdem Tierschützer Einspruch eingelegt hatten. Die Bärin wurde mit einem Funkhalsband ausgestattet. Dieses funktioniere jedoch derzeit nicht und übermittle keine Daten über ihre Bewegungen, teilten die Behörden mit.
Bundesamt für Naturschutz
In Italien hat seit dem Tod des Joggers eine hitzige Debatte über das Zusammenleben von Mensch und Bär begonnen. Schon am Samstag hatte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, Maurizio Fugatti, entschieden, dass der Bär gesucht und erlegt werden solle. „Dieser Bär muss entfernt werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“, erklärte er. Tierschützer dagegen fordern, die Bärin nur zu fangen und an einem „sicheren Ort“ unterzubringen. Nach neuesten Erhebungen wiegt das Tier der Umweltschutzorganisation Legambiente zufolge etwa 120 Kilogramm und misst 1,90 Meter.
Am Dienstag trafen sich Fugatti und Italiens Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin, um über das Problem zu sprechen. Fugatti plädierte für einen Massentransfer von Bären aus dem Trentino in andere Gebiete, um die Population in der Gegend zu halbieren. Im Trentino gibt es nach Angaben der Provinz etwa 100 Bären.
Der Agrarvereinigung Coldiretti zufolge stellt die Ausbreitung der Bären nicht nur ein ernsthaftes Risiko für die Sicherheit der Bevölkerung dar, sondern auch für die Wirtschaft, von der Landwirtschaft bis hin zum Tourismus.
Die UmweltschützerInnen von Legambiente dagegen verteidigten „Life Ursus“ als eine „aus ökologischer Sicht wichtige Initiative, die eine ikonische Art in die Zentralalpen zurückgebracht hat“ und die Region für TouristInnen sogar attraktiver gemacht habe. Es habe aber eine Kommunikations- und Informationskampagne gefehlt, die zu einem friedlichen Zusammenleben hätte beitragen können.
Auch in Deutschland streng geschützt
In Deutschland gilt der Braunbär als ausgestorben. „Die letzten Tiere wurden 1835 und 2006 in Bayern erschossen“, schreibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Das letzte Exemplar war Bruno oder JJ1. Er war aus dem Trentino nach Norden gewandert und hielt sich schließlich im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet auf. Das Tier riss Schafe, plünderte Bienenstöcke und Kaninchenställe. Seine Bezeichnung als „Problembär“ durch den damaligen bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wurde vor 17 Jahren zum geflügelten Wort. Nach der Tötung Brunos wurde auch 2019 ein Bär in Deutschland nachgewiesen.
In Österreich gibt es laut BfN eine kleine Braunbärenpopulation, die sich aus Tieren aus Slowenien und Norditalien zusammensetzt. „Diese sind auch die möglichen Quellen für eine natürliche Wiederbesiedlung des deutschen Alpenraumes durch den Braunbären“, so die Behörde. Die Art ist wie der Wolf nach der Europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie streng geschützt und darf nicht gejagt werden.
Wer Bären in freier Wildbahn sieht, sollte dem Umweltverband WWF Österreich zufolge stehen bleiben und „den Bären durch lautes Reden und Bewegen der Arme auf sich aufmerksam“ machen. Wer angegriffen wird, sollte sich auf den Boden und die Hände in den Nacken legen. „Der Bär erkennt so, dass Sie keine Gefahr für ihn sind. Stellen Sie sich tot und wehren Sie sich nicht. Warten Sie, bis der Bär wieder weit genug weg ist“. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag