Landesregierung im Jagdfieber: Bärenspuren auf bayerischem Boden

Offenbar ist in Deutschland ein Braunbär unterwegs. Das stößt auf Skepsis. Markus Söder will aber erstmal den Wölfen und Fischottern an den Kragen.

Ein ausgestopfter Braunbär in einer Vitrine

Für Aufregung hatte 2006 „Problembär“ Bruno gesorgt, nun ist er im Museum in München zu sehen Foto: Stefan M. Prager/imago

MÜNCHEN taz | Ein Glück, dass sich der Frühling im südlichen Bayern mal wieder so zögerlich anstellt. Sonst wäre ein Besucher des Freistaats am vergangenen Wochenende womöglich unentdeckt geblieben: Denn es waren Spuren im Schnee, die auf die erneute Anwesenheit eines Braunbären in Bayern hinwiesen. In den Landkreisen Miesbach und Rosenheim, unweit der Grenze zu Tirol, wurden die sogenannten Trittsiegel dem Landesamt für Umwelt (LfU) zufolge entdeckt.

Dass ein Bär durch bayerische Lande streift, kommt zwar immer mal wieder vor, hat aber unter dem Eindruck des jüngst von der Bärin JJ4 im Trentino getöteten Joggers ein besonderes Empörungspotenzial.

Die Bild-Zeitung etwa ersetzt die bisherige Vokabel des „Killer-Bären“ inzwischen immer öfter durch „Blutrausch-Bär“ und titelt: „Angst vor Blutrausch-Bär in Bayern“. Auch einen gut informierten Bergschafzüchter aus Mittenwald lässt das Blatt zu Wort kommen. Der Mann befürchtet, dass sich einige der überzähligen Bären aus dem Trentino in Bayern ansiedeln könnten. „Für diese Wildnis-Romantik ist in der heutigen Zivilisation kein Platz!“ Und: „Wenn der Mensch unter dem Tier steht, dann läuft was aus dem Ruder.“

Die Tonlage scheint gesetzt, auch wenn JJ4 am Montagabend eingefangen und in ein Wildtiergehege gebracht werden konnte. Dabei geht etwa das LfU nicht davon aus, dass Bären in Bayern ansässig werden könnten. Angriffe auf Menschen seien sehr selten – und trotzdem ist die Skepsis gegenüber den ungebetenen Grenzgängern groß.

Bärenbesuche in Deutschland meist unspektakulär

Zuletzt wurde die Anwesenheit eines Braunbären in Bayern im Sommer 2022 nachgewiesen. Dieser war damals in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Bad Tölz-Wolfratshausen unterwegs. Die nächste Bärenpopulation mit rund hundert Tieren befindet sich im Trentino, etwa 120 km von Bayern entfernt. Junge Männchen jedoch, so das Landesamt, legten auf der Suche nach einer Partnerin zum Teil große Strecken zurück, was auch die Abstecher nach Deutschland erklärt.

In der Regel laufen diese Besuche äußerst unspektakulär ab. Für wirkliche Aufregung hatte zuletzt 2006 der berühmte „Problembär“ Bruno gesorgt, der in Bayern Dutzende Schafe und Ziegen gerissen haben und auch in Ställe eingedrungen sein soll. Nach einer wochenlangen Jagd wurde er im Gebiet des Spitzingsees im Landkreis Miesbach erschossen. Bruno war der Bruder der Bärin JJ4.

Für politische Profilierung jedenfalls taugen Raubtiere jederzeit. Nachdem die Freien Wähler unter Hubert Aiwanger, Junior-Partner der CSU in der bayerischen Staatsregierung, sich seit langem dafür stark machen, Bären und Wölfe zum Abschuss freizugeben, nimmt sich nun auch Markus Söder des Themas an.

Regierung in Bayern will Jagd erleichtern

„Für uns ist der Wolf im Alpenraum, aber auch in der Rhön, von zunehmender Herausforderung“, sagte Söder, „nicht nur für den Bereich der Nutztiere, sondern auch ganz besonders für die Menschen. Die Sorgen sind enorm groß.“ Für seine Partei stehe der Mensch im Alpenraum an allererster Stelle, erklärte der CSU-Chef weiter.

Am Dienstag folgte ein entsprechender Kabinettsbeschluss, der den Abschuss von Wölfen erleichtern soll. Er enthielt auch die erleichterte Entnahme von Fischottern – und stieß umgehend auf Protest von Naturschützern: „Wolf und Fischotter sind als gefährdete Arten sowohl durch die europäische als auch durch die deutschen Richtlinien geschützt – darüber kann sich auch ein Herr Söder oder Herr Aiwanger nicht einfach so hinwegsetzen“, schimpfte Richard Mergner, der Landesvorsitzende des BUND. „Der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister ignorieren hier einfach rechtliche Grundlagen, das ist keine seriöse politische Sacharbeit.“

In den vergangenen Jahren wurden in Bayern immer wieder Nutztiere von Wölfen gerissen. Der Annahme, dass der Wolf eine große Gefahr für den Menschen darstellen könnte, widerspricht etwa das im staatlichen Auftrag tätige LfU: Seit der erneuten Anwesenheit von Wölfen in Deutschland habe es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben. In ganz Europa seien in den letzten 50 Jahren neun Menschen tödlichen Angriffen eines Wolfes zum Opfer gefallen, fünf davon durch tollwütige Tiere. „Zum Vergleich: In Deutschland starben 2007 bis 2009 durch Insektenstiche 45 Menschen, seit 1989 gab es 40 Todesfälle durch Hunde“, so die Zahlen des LfU.

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