BaWü-Ministerpräsident zu Syrern: Angst vor dem Schläfer
Sicherheitsüberprüfung von Flüchtlingen aus Syrien? Für diesen Vorstoß erntet Winfried Kretschmann Kritik – von den Linken bis zur CSU.
Bei der CSU zeigt man sich über diese Aussage verwundert. Es sei bereits so, „dass jeder Asylbewerber, der in Deutschland einen Antrag stellt, sicherheitsüberprüft wird“, sagte Stephan Mayer, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der taz. Je nach Erkenntnislage würden zudem weitere Abfragen bei den Sicherheitsbehörden durchgeführt. „Zu einer systematischen und gezielten Nutzung des Asylsystems durch islamistische Terroristen liegen den Sicherheitsbehörden derzeit keine Erkenntnisse vor“, fügte Meyer hinzu.
„Das ist kein Thema, bei dem es bislang an Sensibilität gemangelt hätte“, sagt die Expertin Marei Pelzer von Pro Asyl. Eine Sicherheitsüberprüfung von Asylbewerbern erfolge gewöhnlich bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und liege im Ermessen der Länder. Sie sei nicht zwingend oder notwendig, erfolge aber in manchen Bundesländern wie Bayern besonders intensiv.
Bisher waren es vor allem rechtspopulistische Parteien und Publizisten wie Roger Köppel, die das Angstbild von islamistischen Schläfern an die Wand malten, die sich unter friedfertige Flüchtlinge mischen und in Deutschland einen Anschlag begehen könnten. Die Linkspartei sieht in Kretschmanns Forderung deshalb einen „Versuch der Stimmungsmache gegen die Schutzsuchenden“. Diese würden „zu Unrecht pauschal unter Islamismusverdacht gestellt, selbst wenn sie in Wahrheit auf der Flucht vor dem dschihadistischen Terror in Syrien sind“, sagte Ulla Jelpke der taz. Nach einem Artikel in der Welt über IS-Kämpfer, die sich angeblich unter Flüchtlinge mischten, hatte die Linke vor einem Monat eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese antwortete damals, dass ihr keine solchen Erkenntnisse vorlägen.
Auch die eigene Partei ist nicht begeistert
„Es gibt offensichtlich genug IS-Sympathisanten hier im Land, sodass der IS kaum den gefährlichen und zeitaufwendigen Weg von Flüchtlingen auf sich nehmen muss, um in Deutschland Zellen zu schaffen“, meint Jelpke und fordert: „Der Verfassungsschutz und andere Schnüffelbehörden haben bei der Flüchtlingsaufnahme nichts zu suchen. Sie sollen die Flüchtlinge gefälligst in Ruhe lassen, anstatt diesen eh schon traumatisierten Menschen durch eine Sicherheitsbefragung, die nichts mit dem Asylverfahren zu tun hat, Angst einzujagen“.
Auch in Kretschmanns eigener Partei stieß sein Vorschlag nicht auf Begeisterung. Kommentieren wollte ihn jedoch erst einmal niemand. Anders als die meisten Grünen spricht sich Kretschmann auch dafür aus, mehr Länder als bisher als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen zu lassen. Flüchtlingen vom Balkan müsse „von Anfang an“ klargemacht werden, dass ihr Asylantrag aussichtslos sei, so Kretschmann zu Focus. Für sie müssten andere Wege der Einwanderung geschaffen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen