BUND-Chef zur Tierwohl-Kommission: „Alle sind gefrustet“
Die Expertenkommission für mehr Tierwohl gibt auf. BUND-Chef Olaf Bandt hält das für falsch. Sie sei das einzige glaubwürdige Gremium gewesen.
taz: Die Expertenkommission, die die Bundesregierung unterstützen soll, damit es Schweinen, Hühnern und Rindern in Deutschlands Ställen besser geht, hat sich diese Woche überraschend aufgelöst. Sie saßen in diesem sogenannten Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung oder auch Borchert-Kommission genannten Gremium und waren einer von zwei der 29 Mitglieder, die gegen das Aus gestimmt haben.
Olaf Bandt: Überraschend war das gar nicht. Es hat schon länger Gezicke und Ärger gegeben. Alle sind gefrustet, dass die Politik nicht macht, was wir ihnen aufgeschrieben haben.
Olaf Bandt, 63, ist seit 2019 Vorsitzender des BUND. Bandt war Mitglied des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, auch Borchert-Kommission genannt.
Sie haben mit der Kommission vorgerechnet, dass ab 2025 jedes Jahr 1,2 Milliarden Euro, mit zunehmendem Umbau dann immer mehr und ab 2040 bis zu 4 Milliarden aufgebracht werden müssen. Damit sollen Landwirte ihre Ställe tiergerecht umbauen, sich mehr um die Tiere kümmern, auch Stroh kaufen können. Geld war der Knackpunkt?
Den Landwirten fehlt die langfristige Finanzzusage, sie wollten ein Zeichen setzen. Der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 von FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner lasse da keinen notwendigen Durchbruch erkennen, argumentieren sie.
Sie sehen das anders? Als Umweltschützer dürfte ihnen der Umbau der Ställe doch auch zu langsam gehen.
Sicher, aber darum die Kommission platzen zu lassen, das halte ich für falsch. Sie ist das einzige glaubwürdige Gremium, das ausloten kann, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen kann. Da standen sich Landwirte und Naturschützer ja lange Zeit unversöhnlich gegenüber. In der Kommission aber kamen alle zusammen, der Deutsche Bauernverband, die Verbände der Umwelt- und Tierschützer, Händler und Nahrungsmittelhersteller sowie führende Wissenschaftler.
Die Bauern sind aber in der Falle. Sollen sie für mehr Platz, Auslauf und frische Luft für ihre Tiere sorgen, müssen sie investieren. Der Handel zahlt ihnen aber nicht mehr. Und der grüne Agrarminister Cem Özdemir kann das nötige Geld nicht organisieren.
Die Kommission ist schon im Jahr 2019 von CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner, die vor dem grünen Cem Özdemir das Amt innehatte, eingesetzt worden. Man kann das nicht alles ihm anlasten.
Die Bundesregierung hat bisher nur einen Anschub von 1 Milliarde Euro beschlossen.
Das ist zu wenig, ja. Aber es geht ja auch um einen langfristigen politischen Plan. Und die höheren Kosten für das Mehr an Tierwohl sollten nie nur durch Staatsgeld ausgeglichen werden. Finanzlücken sollten – das war Konsens in der Kommission – immer auch über eine Tierwohlabgabe geschlossen werden.
Im Gespräch waren 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Liter Milch, 15 Cent pro Kilo Käse und Butter.
Aber dann kamen der Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation. Da konnte die Ampelkoalition die Tierwohlabgabe nicht noch draufsetzen. Das kann man erst mal verstehen. Der größere Mittelbedarf wird ohnehin erst ab dem Jahr 2025 anfallen.
Der einstige CDU-Agrarminister Jochen Borchert hat die Expertenkommission geleitet. Als sie 2020 erstmals Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung vorlegte, galt das auch als sein Erfolg. Ihre Auflösung konnte aber auch er nicht verhindern?
Mit der Vorlage des Empfehlungspapiers war für ihn die Hauptarbeit eher erledigt. Er selbst wollte auch das Aus.
Hat er nicht recht, dass jetzt die Politik dran ist, weil alle wissen, was zu tun ist?
Der Umbau der Tierhaltung ist nicht von heute auf morgen gemacht. Zwar kommt jetzt ein staatliches Tierwohllabel, damit Verbraucher erkennen, unter welchen Bedingungen die Tiere halten werden, von denen das Fleisch im Supermarkt stammt. Aber das gilt zunächst nur für Schweine.
Was hätte die Kommission eigentlich als nächstes beackern müssen?
Was heißt tierfreundlicher Umbau im Rinderstall, was im Hühnerstall? Wie lässt sich die Tierwohlabgabe sozial gerecht gestalten? Das sind die Fragen der Zukunft, für die auch die Politik einen großen gesellschaftlichen Rückhalt braucht. Dafür wäre es besser gewesen, wenn alle im Gespräch geblieben wären, also in der Kommission.
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