BSW-Abgeordnete in Sachsen und Thüringen: Wir sind die Neuen
Vom BSW kennt man bisher vor allem eine: Sahra Wagenknecht. Wir stellen einige Abgeordnete vor, die für ihre Partei in die Landtage einziehen.
Denn wenn es in Sachsen eine Mehrheitskoalition abseits der AfD geben soll, ist das BSW rechnerisch mit dabei. CDU, SPD und das BSW hätten gemeinsam 66 von 120 Sitzen. Die Parteien haben angekündigt, miteinander zu sprechen. Schneller geht es in Thüringen: Die Landesspitzen von CDU und BSW trafen sich am Donnerstag in einem Erfurter Café zum ersten „Optionsgespräch“. Ein Austausch mit der SPD soll folgen. Aber falls CDU, BSW und SPD miteinander wollen würden, wird es nicht reichen: In Thüringen haben die drei Parteien die Hälfte der Stimmen, aber keine Mehrheit.
Dieser Text ist Teil unserer Berichterstattung zu den Wahlen 2024 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die taz zeigt, was hier in diesem Jahr auf dem Spiel steht.
Und dann wäre da noch Sahra Wagenknecht. Die sagte nach den Wahlen, wer mit dem BSW regieren wolle, müsse sich positionieren: mehr Diplomatie mit Russland, weniger Waffen für die Ukraine, keine US-Raketen in Deutschland. Für CDU und SPD wäre das harte Kost – selbst in Sachsen, wo CDU-Chef Michael Kretschmer eher als Putin-entgegenkommend gilt.
Will Wagenknecht am Ende gar nicht mitregieren? Für sie hätte die Arbeit in der Opposition auch was für sich: Da kann für ihre neue Partei weniger schiefgehen und sie startet nächstes Jahr mit einem ungetrübten Vertrauensvorschuss in den Bundestagswahlkampf. Die motivierten neuen Abgeordneten hingegen könnten weniger in ihren Bundesländern verändern, als sie es sich vorgenommen haben.
Um einen Eindruck zu geben, wer für das BSW in den Landtag zieht und mit welcher Motivation, stellt die wochentaz je drei Abgeordnete aus Sachsen und Thüringen vor.
SACHSEN
Die Parteikennerin
Das BSW, so wiederholt es Sabine Zimmermann immer wieder, ist keine Linke 2.0. Sie muss es wissen, denn außer Sahra Wagenknecht kennt kaum jemand beide Parteien von innen so gut wie sie. Spätestens seit letztem Herbst arbeitet Zimmermann am Aufbau des BSW mit. Sie persönlich traf die handverlesenen ersten sächsischen Mitglieder in Vorgesprächen. Wenn Zimmermann und Wagenknecht in der Pressekonferenz sprechen, sind sie inhaltlich kaum auseinanderzuhalten: gegen unkontrollierte Migration, für Frieden. Aber so mitreißend wie Wagenknecht ist Zimmermann nicht. Beide kennen sich auch aus dem Bundestag. Von 2005 bis 2021 war Zimmermann Mitglied; erst für die SPD, aber weil sie die Agenda 2010 ablehnte, wechselte sie 2007 zur neu gegründeten Linken. Dort war sie zeitweise stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Die Rückkehrerin
Dass sie für das BSW in den Landtag einzieht, ist für Janina Pfau eine Rückkehr. Von 2014 bis 2019 saß sie schon im sächsischen Parlament – allerdings für die Linke. Danach schaffte sie es auf keinen aussichtsreichen Listenplatz. War das der Grund für den Wechsel? Laut Pfau nicht. Sie sagt, ihre Ex-Partei kümmere sich zu wenig um den ländlichen Raum; unter anderem deshalb wechselte sie zum BSW. Mit ländlichem Raum meint sie etwa das Vogtland. Dort war Pfau Kreisvorsitzende der Linken. Für das Thema möchte sie sich nun auch im Landtag starkmachen. Beim Gründungsparteitag des BSW in Sachsen wurde sie zur Landesgeschäftsführerin gewählt. Als solche plante sie den Wahlkampf und kümmerte sich um das Organisatorische. Die Funktion hatte sie 2019 auch bei der Linken übernommen – nachdem sie aus dem Landtag ausschied.
Der Gesundheitsexperte
Ronny Kupke war schon immer politisch interessiert. Dabei imponierte ihm besonders Sahra Wagenknecht, so erzählt er es selbst. Sie treffe klare Aussagen zu den realen Problemen. In den vergangenen Jahren verfolgte er enttäuscht, wie sich das Land entwickelt habe. Aber aktiv in einer Partei engagierte sich Kupke nie – bis 2024. Der Chemnitzer ist Vorsitzender des Gesamtpersonalrats der AOK in Sachsen und Thüringen. Beim BSW setzt er sich nun für die Gesundheitsversorgung ein. Ihm geht es etwa darum, die 76 Krankenhäuser in Sachsen zu erhalten oder Pflege in der gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Im Landtag fordert Kupke die „konsequente Aufarbeitung der Fehler der Corona-Zeit“ in einem Untersuchungsausschuss. Im Wahlkampf wirkte er zurückhaltend. Selbst am Infostand in seiner Heimatstadt drängte er sich nicht in den Vordergrund.
THÜRINGEN
Der Ex-Grüne
Wenn es um die Erfahrenen in der Thüringer BSW-Fraktion geht, ist Frank Augsten mitgemeint. Schon 1980, noch in der DDR, engagierte er sich für Tier- und Umweltschutz. 1991 wurde er Mitglied bei den Grünen und kandidierte für verschiedene Ämter und Mandate. 2007 wurde er zum Landessprecher und saß von 2009 bis 2014 im Thüringer Landtag. Dieses Jahr trat er zum Bündnis Sahra Wagenknecht über. Warum? Er sei unzufrieden mit der Politik in Land und Bund. Außerdem stimme seine Position zum „Russland-Ukraine-Konflikt“ mit der des BSW überein. Laut seinen Worten stellt die Partei eine Alternative zur AfD dar. Im Landtag will Augsten eine Stimme für den Klimaschutz sein und den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen. Wenn es nach Augsten geht, ist er bald Minister, das hat er der taz schon vor der Wahl erzählt.
Die Frohnatur
Bei Parteiauftritten lacht und witzelt der gebürtige Eisenacher Steffen Schütz viel. Er zeigt sich gerne als Frohnatur an der Seite von Co-Landeschefin Katja Wolf. Weil der Werbeunternehmer die Probleme in Thüringen nicht Politiker:innen überlassen wolle, die keine Ahnung haben, sei er Anfang des Jahres beim BSW selbst ins Geschäft eingestiegen. Anders als viele Politiker:innen wisse er, wie es sich anfühlt, Angestellte und Steuern zu bezahlen. Als eins seiner dringenden Anliegen nennt er den Bürokratieabbau. Bei anderen Themen bedient er sich argumentativ auffällig bei Reden von Sahra Wagenknecht. Er wiederholt wortgleich ihre Kritik an der Ampel oder Vergleiche zwischen der Aufbruchsstimmung zum Ende DDR-Zeit und dem Parteiaufbau des BSW. Gibt es wiederum Kritik an ihr oder dem BSW, wirkt Schütz auf naive Weise überrascht.
Die Erfahrene
Kurz vor der Landtagswahl hatte Sigrid Hupach ständig das Handy am Ohr. Sie leitete die Wahlkampagne in Thüringen und ließ dabei ihre Erfahrung einfließen. Von 2007 an war sie Mitglied der Linkspartei. Für die zog sie 2013 eine Legislaturperiode lang in den Bundestag ein. Aber bei ihren weiteren Versuchen 2017 und 2021 scheiterte Hupach. Anfang 2024 war sie eine von denen, die zum BSW wechselten. Die Linke, so erklärt sie es, habe sich zu sehr von den sozialen Fragen entfernt. Jetzt für das BSW im Landtag, möchte sie sich für einen anderen Umgangston einsetzen – auch gegenüber der AfD. Eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei schließt sie aus, und das hohe Ergebnis findet Hupach erschreckend. Aber die AfD-Abgeordneten weiter ignorieren – das funktioniere nicht. „Wir müssen uns mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung