BI-Vorsitzende über Anschlag auf Tesla: „Mich hat diese Aktion erschreckt“
Die Bürgerinitiative Grünheide kämpft gegen Tesla. Den mutmaßlichen Anschlag auf das Autowerk heißt die Vorsitzende Manuela Hoyer trotzdem nicht gut.
taz: Frau Hoyer, die „Vulkangruppe Tesla abschalten“ hat sich in einem Schreiben dazu bekannt, einen Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks verübt zu haben. Die Bürgerinitiative Grünheide hat sich schnell davon distanziert.
Manuela Hoyer: Unsere Bürgerinitiative steht für friedlichen Protest ohne Gewalt. Und ohne Anschläge auf Strommasten, die nicht nur Tesla, sondern auch die Menschen in der Region gefährden und vom Strom abschneiden. Die Akzeptanz unserer Arbeit und die Unterstützung der Aktivisten durch die Einwohnerinnen und Einwohner in den umliegenden Ortschaften ist hoch.
Aus Sicht der Vulkangruppe was es eine erfolgreiche Aktion. Sie hat es bis in die „Tagesschau“ geschafft. Und selbst Elon beziehungsweise „Elend Musk“, wie er im Bekennerschreiben tituliert wird, hat sich eilig zu Wort gemeldet.
Das kann man so sehen. Mich hat diese Aktion jedenfalls erschreckt. Mich hat auch erschreckt, dass es bei Tesla offenbar kein vernünftiges Sicherheitskonzept und keine zweite Notfall-Stromversorgung gibt. Auch ein Blitzschlag könnte dort die Stromversorgung unterbrechen. Muss dann die ganze Fabrik jedes Mal für längere Zeit stillstehen?
Mitgründerin der Bürgerinitiative Grünheide und Vorsitzende des Vereins für Natur und Landschaft in Brandenburg. Beide Initiativen gehören zum Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“.
Wie beurteilen Sie das Bekennerschreiben? Wenn man von der antikapitalistischen Prosa mal absieht: Steht da nicht viel Richtiges drin?
Es steht viel Richtiges drin, das stimmt. Manches klingt aber auch ziemlich seltsam. Zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Abwasserskandal steht leider überhaupt nichts drin. Da waren diese Leute offenbar nicht gut informiert.
Sie meinen die Nachrichten über das verschmutzte Abwasser aus dem Tesla-Werk.
Ja, mit massiven Überschreitungen der Grenzwerte bei Phosphor und Stickstoff und der gleichzeitigen Versicherung, dass für die Bevölkerung keinerlei Gefahr besteht. Woher nimmt man denn diese Erkenntnis?
Im Bekennerschreiben heißt es, dass die Landesregierung „Tesla aus der Hand frisst“. Dass permanent gegen Recht und Gesetz verstoßen wird und die Behörden viele Rechtsbrüche einfach durchgehen lassen – würden Sie das unterschreiben?
Das kann ich voll und ganz bestätigen. Das ist auch in meinen Augen so. Beim Bau der Tesla-Fabrik ist man von Anfang an illegal vorgegangen. Diese Fabrik ist nur mit vorläufiger Zulassung gebaut worden. Es gab keine Baugenehmigung. Da sind so viele krumme Sachen passiert, die alle von der Landesregierung runtergespielt werden.
Wie wird es jetzt weitergehen? Sehen Sie ernsthafte Chancen, die Erweiterung von Tesla mit den geplanten Waldrodungen zu verhindern und das Unternehmen jemals auf Einhaltung der Gesetze verpflichten zu können?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir kämpfen seit 2019 gegen diese Fabrik und ihre Rechtsbrüche. Die neueste Pirouette: Jetzt soll plötzlich doch noch ein großer Güterbahnhof gebaut werden. Der war schon vor längerer Zeit genehmigt worden im Bebauungsplan. Tesla hat sich damals entschieden, stattdessen andere Bauten zu errichten. Jetzt haben sie sich plötzlich umentschieden. Jetzt soll der Güterbahnhof wiederauferstehen, und zusätzlich sollen weitere 170 Hektar Wald abrasiert werden. Unglaublich! Die Presse und die Öffentlichkeit haben diese Vorgeschichte bisher kaum zur Kenntnis genommen.
Frustriert Sie das, wenn Tesla von Teilen der Gesellschaft als verkehrspolitischer Heilsbringer angesehen wird, während man in Grünheide Umwelt und Natur plattmacht?
Das frustriert mich unendlich. Und es wird ja nicht nur in Grünheide die Umwelt zerstört. Beim Abbau von Rohstoffen, die für die Batterien der Elektroautos gebraucht werden, wird der Globale Süden ausgebeutet. Auch der Kampf ums Wasser findet nicht nur in Brandenburg statt, er hat längst viele Länder dieser Welt erreicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen