BGH-Urteil zu Umgangsrecht: Samenspender darf Kind öfter sehen
Ein lesbisches Paar zeugte ein Kind mit einem Samenspender. Der Mann hat ein Umgangsrecht, auch wenn das Paar anderer Meinung ist.
Konkret geht es um einen Fall aus Berlin. Ein lesbisches Paar, das in eingetragener Partnerschaft lebte, wollte seinen Kinderwunsch realisieren. Ein privater Samenspender half mit einer Spermagabe bei der Zeugung. Es wurde vereinbart, dass der Mann Kontakt zum Kind haben darf und dass das Kind auch von seiner Vaterschaft erfahren soll.
Das Kind kam im August 2013 auf die Welt. Mutter wurde zunächst nur die Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat. 2014 adoptierte ihre Partnerin das Kind im Rahmen einer sogenannten Stiefkindadoption und wurde nun zweite rechtliche Mutter. Da die Samenspende privat arrangiert war, musste der Samenspender der Adoption zustimmen, was er verabredungsgemäß auch tat.
In den kommenden Jahren sah der Mann das Kind alle zwei Wochen für zwei Stunden. Die Treffen fanden im Haushalt der Mütter statt oder auf Spaziergängen im Beisein jeweils einer Mutter. 2018 bat der Mann jedoch um eine Ausweitung der Kontakte. Er wollte das Kind alle zwei Wochen um 13.30 Uhr von der Kita abholen, mit in seine Wohnung nehmen und um 18 Uhr bei den Müttern abliefern. Die Mütter waren damit aber nicht einverstanden.
„Ernsthaftes Interesse an dem Kind“
Der Mann versuchte nun, sein Umgangsrecht einzuklagen; er habe immer gesagt, er wolle ein „aktiver Vater“ sein. Die Mütter betonten, es sei immer klar gewesen, dass er nicht Teil der Familie werden soll.
Das Kammergericht (KG) Berlin entschied 2019 gegen den Mann. Mit der Einwilligung in die Adoption habe er zugleich auf sein Umgangsrecht verzichtet. Dies sah der BGH nun aber anders und hob die KG-Entscheidung auf.
Der Mann habe zwar kein Umgangsrecht als Elternteil, weil es hier auf die rechtliche Elternschaft ankommt, so der BGH. Er habe auch kein Umgangsrecht als „enge Bezugsperson“, weil durch die zweistündigen Treffen kein enger Bezug entstanden sei.
Der Mann könne sich aber auf das Umgangsrecht für leibliche Väter berufen, das der Gesetzgeber 2013 auf Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einführte. Die Zustimmung zur Adoption konnte dieses gesetzliche Umgangsrecht nicht beseitigen, so der BGH. Er habe dabei nur die Möglichkeit verloren, rechtlicher Vater zu werden.
Außerdem klärte der BGH zwei weitere wichtige Fragen: Als leiblicher Vater gelte nicht nur, wer mit der Mutter beim Sex ein Kind zeugte, sondern auch der Samenspender. Die Rechte des leiblichen Vaters sollen zudem nicht nur gegenüber klassischen Mann-Frau-Eltern gelten, sondern auch gegenüber zwei Müttern.
Gesetzliche Voraussetzung für das Umgangsrecht des biologischen Vaters ist, dass er „ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat“ und dass der Umgang dem „Kindeswohl“ dient. Letzteres muss nun wieder das Kammergericht Berlin feststellen. Dabei muss es auch das bald achtjährige Kind anhören, so die Vorgabe des BGH. Bisher war das Kind nicht gefragt worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was