BDS-Diskussion in Göttingen: „Angebracht und möglich“

Ist die BDS-Bewegung antisemitisch? Das Deutsche Theater in Göttingen hat versucht, von Po­li­ti­ke­r*in­nen und Zivilgesellschaft eine Antwort zu bekommen.

Das Deutsche Theater in Göttingen bei Nacht. Es es ist ein Haus mit spitzem Dach in der MItte. Links vom Gebäude aus Stein steht ein Anbau aus Glas, der hell erleuchtet ist. Das gesamte Gebäude wird von außen bunt angestrahlt.

Bringt BDS-Diskussionen auf die Bühne: das Deutsche Theater in Göttingen Foto: Swen Pförtner/dpa

Göttingen epd | Wo verläuft die Grenze zwischen Antisemitismus und berechtigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik? Klar beantworten ließ sich die in den vergangenen Monaten hitzig debattierte Frage auch am Freitagabend in Göttingen nicht. Dennoch erreichte das Deutsche Theater mit seiner Podiumsdiskussion einen differenzierten Austausch über das kontroverse Thema. Vor voll besetzten Rängen diskutierten Iris Hefets, Vorstandsmitglied des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, und Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, mit drei Bundespolitikern.

Die „Jüdische Stimme“ war im vergangenen Jahr mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet worden. Doch der Zentralrat der Juden und andere kritisierten den Verein als antisemitisch, wegen seiner Nähe zur Kampagne „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS). Diese will Israel wegen der Besetzung großer Teile Palästinas politisch, wirtschaftlich und kulturell isolieren. Die Stadt und die Universität Göttingen entzogen der „Jüdische Stimme“ die Unterstützung für die Verleihfeier, die Auszeichnung wurde stattdessen in einer privaten Galerie vergeben.

Hefets bekräftigte am Freitag ihre scharfe Kritik an der Politik ihres Heimatlandes. Israel sei der „Besatzer“, unterdrücke die Palästinenser, „Israel ist Täter, ich schäme mich für Israel.“ Gleichzeitig behaupte die israelische Regierung, für alle Juden zu sprechen, Staat und viele Medien arbeiteten an einer „Identität von Israel und Judentum“. Dies sei der „Trick“, um Kritik an der Politik mit Antisemitismus gleichsetzen und so Kritik verbieten zu können. „Es gibt aber nicht den Juden“, betonte Hefets.

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank

„Israel wird doch permanent an den Pranger gestellt“

Mendel widersprach. „Wenn ich höre, Israel ist Täter, kriege ich Bauschschmerzen.“ Dennoch sei Kritik an der israelischen Besatzungspolitik sei sowohl angebracht wie auch möglich. „Israel wird doch permanent an den Pranger gestellt“, sagte Mendel. Kein Land sei so oft in UN-Resolutionen verurteilt worden, auch das diktatorisch regierte Nordkorea nicht, und Deutschland habe auch 2019 solche Resolutionen unterstützt: „Deshalb kann ich dem Opfer-Narrativ nicht zustimmen.“

Der Göttinger Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin machte auf eine Liste des US-amerikanischen Simon-Wiesenthal-Zentrums aufmerksam, die regelmäßig die zehn schlimmsten antisemitischen Vorfälle des Jahres aufführe. Der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen werde wegen seines anti-israelischen Stimmverhaltens auf Platz sieben geführt. Trittin betonte, das widerlege die Aussage Mendels, Israelkritik sei ohne Probleme möglich.

Trittin sowie sein Abgeordneten-Kollege Konstantin Kuhle (FDP) kritisierten gleichzeitig die Kampagne „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS). Durch ihre anti-israelische Rhetorik liefere sie „den Nährboden für Antisemitismus“, sagte Kuhle.

Ist scharfe Kritik an Israel, wie BDS und die „Jüdische Stimme“ sie vertreten, also antisemitisch? „Die Eingangsfrage ist nicht zu beantworten“, erklärte Trittin. „Es gibt keine Formel dafür. Allenfalls Einzelbeispiele.“

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