Axel-Springer-Verlag in den USA: Verwicklung in US-Politik
Der amerikanische Milliardär Bill Ackman ist auf einem Kreuzzug gegen Unis und Medien. Der Axel-Springer-Verlag steht ihm bei.
Die Designerin und ehemalige MIT-Professorin Neri Oxman, eine Berühmtheit in der Design-Szene, hat in ihrer Dissertation weitgehend plagiiert. Das erfuhr ihr Ehemann und milliardenschwerer Hedgefonds-Manager Bill Ackman Anfang Januar vom amerikanischen Nachrichtenportal Business Insider (BI) (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Ableger). BI hatte recherchiert, dass Oxman 2009 mehr als 15 Stellen in ihrer Dissertation von Wikipedia abgeschrieben haben soll.
Der Fall betrifft auch Deutschland: Der Axel-Springer-Verlag ist seit 2015 Besitzer von Business Insider – und will nun in den Konflikt eingreifen.
Die Plagiatsvorwürfe gegen Oxman sind interessant, weil Oxmans Ehemann Ackman erst im Dezember federführend bei der Kampagne gegen die Präsidentin von Harvard, Claudine Gay, war, die aufgrund von Plagiatsvorwürfen mittlerweile zurückgetreten ist. Hintergrund ist das Kreuzverhör, in das die weit rechts stehende Kongressabgeordnete Elise Stefanik die Harvard-Präsidentin Gay und die Präsidentinnen zwei weiterer Elite-Unis nahm, als sie sich vor dem US-Kongress zu Vorwürfen äußern sollten, die Universitäten tolerierten Antisemitismus. Ein kurzer, aus dem Kontext gerissener Ausschnitt der Anhörung sorgte für Empörung. Auch bei Ackman.
Der Harvard-Absolvent begab sich in eine regelrechte Kampagne gegen Gay. Über 100 Mal postete er bei der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter), wo Ackman über eine Millionen Follower hat, zum Teil mehrere tausend Wörter lange Threads, in denen er Gay Antisemitismus vorwarf und die Anschuldigung erhob, die Schwarze Präsidentin sei nur dank „Rassismus gegen Weiße“ in ihr Amt gelangt. Zuletzt verbreitete er die Vorwürfe, Gay habe in ihrer akademischen Karriere öfter nicht korrekt zitiert, die von rechten Aktivisten recherchiert worden waren.
Dass BI nun Plagiate von Oxman aufdeckten, veranlasste Ackman nun zu öffentlichen Angriffe auf BI und deren Journalist*innen. Er forderte unter anderem die Löschung der veröffentlichten Artikel und einen Schadensersatz an die Kunststiftung seiner Frau, da Ackman seine Familie als Opfer einer Kampagne sieht. X-Besitzer Elon Musk riet Ackman öffentlich zu einer Klage.
Ackman droht den Medien
Für die fehlenden Quellenangaben hat sich Oxman zwar mittlerweile entschuldigt. Doch Ackman wittert in der Berichterstattung Antisemitismus, da seine Frau Israelin ist. Er bezeichnet den Leiter des Investigativ-Teams von BI, John Cook, als einen „bekannten Antizionisten“.
Nun droht er der ganzen Medienbranche: Ackman verkündete auf X, dass er „Probleme mit der Funktionsweise unserer Medien“ angehen werde. Er schießt dabei direkt gegen einige Journalist*innen, so zum Beispiel gegen Katharina Long, die die Artikel über Oxman veröffentlichte, aber auch gegen Mathias Döpfner, den Chef von Springer, den er als „verantwortlich für den illegalen und unethischen Journalismus“ sieht.
Die Drohungen haben beim deutschen Mutterhaus von BI gezogen. Springer kündigte eine Untersuchung an. Bei der solle es nicht um die Fakten, also den Plagiatsvorwurf im Artikel gehen, vielmehr seien „Fragen darüber aufgekommen, welche Motivation dem Bericht vorangingen“. BI werde dabei selbst die Überprüfung übernehmen.
Die amerikanische Medienplattform Semafor berichtete vergangenen Montag, dass es in der deutschen Springer-Führung eine Debatte über die Zulässigkeit der Berichterstattung über Oxman gegeben habe und die Sorge zum Ausdruck kam, die Recherche könne antisemitisch motiviert gewesen sein.
Das wird in den USA weithin als unangemessener und ideologisch motivierter Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit gewertet. Die Gewerkschaft „News Guild of New York“ etwa zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Springer-Verlag die Glaubwürdigkeit seiner eigenen Journalist*innen infrage stelle.
Springer und Oxman kennen sich auch fernab dieser medialen Kontroverse: Neri Oxman ist Mitglieder bei „World Minds“, einem in der Schweiz beheimatetem Thinktank, der wichtige Persönlichkeiten der Wissenschaft und Politik vernetzen will. Der Springer-Konzern ist seit 2022 an „World Minds“ beteiligt.
Springer hat eine Anfrage der taz zu den Motivationen für die angekündigte Untersuchung nicht beantwortet.
Springer fällt den eigenen Journalist*innen in den Rücken
Innerhalb von BI führte der öffentliche Druck von Ackman und Oxman auf der einen Seite und von Springer auf der anderen Seite zu Besorgnis in der Redaktion. Laut Semafor habe sich Chefredakteur Nicholas Carlson am letzten Wochenende an seine Mitarbeiter*innen gewandt. Er wisse, dass BI „einwandfrei“ berichtet habe und die Motivation der Redaktion stets „Wahrheit und Verantwortlichkeit“ sei. Dennoch werde bei BI eine Prüfung der Berichterstattung durchgeführt.
Laut einem Bericht der Financial Times am Sonntag ist BI in der internen Untersuchung zum Schluss gekommen, die Berichterstattung sei fair gewesen und habe journalistische Standards eingehalten. BI antwortete bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht auf eine Anfrage der taz.
Es ist nicht das erste Mal, dass Springer in den USA in der Kritik steht. Der Verlag hat in den vergangenen Jahren mehrere amerikanische Medien übernommen. Schon jetzt ist er mit seinen Anteilen an Politico und Business Insider der viertgrößte Verlag der USA.
Damit hat Springer kritische Aufmerksamkeit amerikanischer Journalist*innen auf sich gezogen, die herausfinden wollten, was für ein Unternehmen sich hier in ihrem Markt breit macht.
„Journalismus mit rechter Politik vermischt“
Sie fanden Unerfreuliches: Das Magazin Foreign Policy kritisierte, dass Springer „Journalismus mit rechter Politik vermischt“. 2020 veröffentlichte die Washington Post eine Recherche, die darlegte, dass Vorstandschef Mathias Döpfner dazu aufgerufen habe, für Trump zu beten. Auch die Causa Reichelt um den ehemaligen Chefredakteur der Bild-Zeitung fußt auf einer amerikanischen Recherche: Nur Tage, bevor Springer 2021 das Nachrichten-Portal Politico übernahm, veröffentlichten die New York Times Berichte, die Bild-Chef Julian Reichelts Machtmissbrauch offenbarten. Reichelt wurde darauf entlassen. Berichte in deutschen Medien waren davor wirkungslos geblieben, oder von Springer-Verbündeten ausgebremst worden.
Ackman ist offensichtlich der Meinung, er könne direkt auf Medien Einfluss nehmen: „Ich ging davon aus, dass ich BI oder AS mit einem, oder zwei Anrufen davon überzeugen könnte, die Berichte auszusetzen“ schrieb er am Donnerstag bei X. Wie es weiter geht? Spätestens auf Ackmans X-Seite wird man es erfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund