piwik no script img

Autor über sein Trump-Satire-Buch„Er ist der ultimative Idiot“

Er dachte, Trump würde nur 100 Tage im Amt bleiben und beeilte sich beim Schreiben. Ein Gespräch mit Howard Jacobson über seine Trump-Satire „Pussy“.

Eine Frau mit einer „Pussy hat“-Mütze Foto: reuters

Über fünfzehn Romane hat Howard Jacobson schon geschrieben. Nun legt er erstmals eine Satire vor, die sich einem aktuellen Phänomen widmet. In „Pussy“ werden die Jugendjahre des künftigen Herrschers der Wolkenkratzerreichs Urbs Ludus, Prinz Fracassus, erzählt. Der Prinz ist ein ekliges, frauenverachtendes kleines Monster, das Cheeseburger und Wrestling-Shows in sich hineinfrisst und dessen Mutter fürchtet, dass sein Wortschatz nicht mal für einen 140-Zeichen-Tweet ausreichen werde. In ihm ist unschwer der amtierende US-Präsident Donald Trump zu erkennen.

taz: Herr Jacobson, nach der Wahl von Trump hieß es, gute Zeiten für Comedians und Satiriker würden kommen. Aber auch nach der Lektüre Ihrer Trump-Satire hat man das Gefühl, dass die Realität derzeit von keiner Satire bloßgestellt werden kann. Viele Sätze, die Sie Trump, der in „Pussy“ Prinz Fracassus heißt, in den Mund legen, hat er so oder so ähnlich gesagt. Stößt bei Trump Satire an eine Grenze?

Howard Jacobson: Was und ob Satire überhaupt etwas bewirken kann, ist eine alte Frage. Ich will aber eines klarstellen: „Pussy“ ist kein witziges Buch. So wie „Animal Farm“ oder „Gullivers Reisen“ Satiren sind, die nicht zum Lachen sind. Es ist schwierig, grotesker zu sein als Trump. Man kann ihn nicht karikieren, weil er eine Karikatur seiner selbst ist. Dass der Präsident der USA wirklich sagt: „Ich hab einen größeren Knopf als du“, das ist immer noch unvorstellbar.

Warum haben Sie es trotzdem getan?

Weil das Schulterzucken nicht reicht. Es geht darum, das grundsätzliche Gefühl aufrechtzuerhalten, dass etwas ganz und gar falsch ist. Die Motivation für Satire ist die Angst, eines Tages aufzuwachen und den Ausnahmezustand als normal zu empfinden. Der brave Soldat Schweijk hat auch nur die Absurdität des Systems gezeigt, die jedem ersichtlich war. Und eines Tages fällt die Mauer. Man wird nie sagen können, welche Rede, welches Buch dazu geführt hat. Man leistet nur seinen Teil.

Warum haben Sie als Brite keine Satire über den Brexit geschrieben?

Howard Jacobson

Der Autor: 1942 in Manchester geboren. Er wurde für seinen Roman „Die Finkler-Frage“ 2010 mit dem Booker Prize ausgezeichnet, dem wichtigsten britischen Literaturpreis. Seine Romane zeichnen sich vor allem durch Ironie und Humor aus.

Das Buch: „Pussy“. Aus dem Englischen von Johann Christoph Maass. Tropen Verlag, Stuttgart 2018, 272 Seiten, 16 Euro

Ich halte es nicht für die Aufgabe von Schriftstellern, über die Gegenwart zu schreiben. Der Brexit war ein Schock. Aber erst nach Trump war ich so verzweifelt, dass ich nicht anders konnte. Geschrieben habe ich aber nicht, um mich besser zu fühlen. Ich fühle mich so schlecht wie vorher. So wie im Übrigen die Leute, die für Brexit und Trump gestimmt haben, nicht glücklicher sind. Die werden ja immer wütender. Sie wissen anscheinend, dass sie, obwohl sie die Wahl gewonnen haben, die Verlierer sein werden. Geschrieben habe ich „Pussy“, weil ich das Gefühl hatte, dass ein Krieg angezettelt wird. Ein Krieg zwischen den Toleranten und den Engstirnigen.

Deswegen beginnen Sie Ihre Satire mit einer Variation der biblischen Apokalypse?

Ja. Er scheint direkt von der Hölle ausgespuckt worden zu sein. Selbst wenn er nicht irgendwas tun würde, was politisch böse ist, also den roten Knopf drückt, ist er eine verabscheuungswürdige Kreatur. Eine Kreatur, die für alles Verabscheuungswürdige steht, das unsere Zivilisation hervorgebracht hat, wie Reality-TV und Twitter.

Twitter ist schuld an Trump?

Das Problem ist nicht, dass es Twitter gibt. Das Problem ist, dass heute alles irgendwie okay ist. Sollen sie doch twittern und Reality-TV gucken, es wird schon okay sein. Der gute, alte predigende Moralist ist aus der Mode. Wenn aber die Moralisten ihre Verantwortung nicht annehmen, überlassen sie anderen den Raum.

So wie Professor Kolskeggur Probrius in „Pussy“, der sich von seinen Studenten gedemütigt fühlt, die sich über seine Liebe zur Sprache lustig machen, und deswegen unterstützt, dass diese Welt den Trump kriegt, den sie verdient?

Ja, der Professor ist ein Opfer der Daumen-hoch-Daumen-runter-Kommunikation. Er macht Platz für Fracassus, so wie wir Platz für Trump gemacht haben. Wir leben nicht mehr in einer Welt der Auseinandersetzung, sondern in einer der konkurrierenden Behauptungen. Man will keine Debatte führen, sondern Behauptungen aufstellen. Ich hasse Behauptungen mehr als alles andere. Behauptungen sind der Feind des Schriftstellers.

Haben Sie „Pussy“ deshalb so schnell, in zwei Monaten, geschrieben?

Der Grund dafür war, dass ich dachte, Trump werde keine 100 Tage im Amt sein. Und weil ich dachte, dass ich nicht der einzige Schriftsteller sein würde, der über Trump schreibt, weil er für jeden Schriftsteller einen existenziellen Angriff darstellt. Nie hat es einen Präsidenten mit so wenig Wörtern gegeben, der glaubte, dass das ausreicht. Es gab andere ähnlich Beschränkte, aber die versuchten, ihre Beschränktheit zu kaschieren. Trump nicht. Sprache ist dazu da, uns von uns selbst zu erlösen, weil sie uns mit anderen verbindet. Umso weniger Worte man hat, umso geringer ist diese Verbindung. Trump hat nur Wörter, die zerreißen. Indem er sagt, „Make America great again“, macht er Amerika kleiner. Hillary wegschließen, eine Mauer bauen, meint ja eigentlich Amerika einschließen.

„Das Hauptziel bei all meinen Arbeiten ist eher, die Welt zu ärgern als zu unterhalten“, zitieren sie Jonathan Swift. Könnte auch ein Tweet von Trump sein, oder?

Nein. Er würde ärgern und unterhalten nicht verstehen. Aber auch unsere Gesellschaft versteht das nicht mehr. Wir leben in einer Zeit ohne Stimmlagen. Es wird immer schwerer für die Leute, zu hören, zu verstehen, was ein Witz ist, ob ein Text provokativ oder ernst ist. Alles muss eingängig sein. Heute werden Romane mit dem Aufkleber „Feelgood-Buch“ verkauft oder der Behauptung: „So spannend, man kann es nicht mehr weglegen.“ Eine bestimmte Idee von Literatur ist völlig verloren gegangen: Dass der Autor will, dass sein Leser sein Buch weglegt, es an die Wand wirft, weil es ihn aufwühlt, aufregt, ärgert.

Ist Ihr Titel „Pussy“ auch dazu gedacht, zu ärgern, Feministinnen zum Beispiel?

Es ist eine alte Taktik: Nimm das Wort, das beleidigend gemeint ist, und wende es gegen den Autor. Feministinnen ärgern sich darüber nicht. Die haben das verstanden und selbst mit Pussy-Mützen und Pussy-Witzen auf Trump geantwortet.

Wäre covfefe der bessere Titel gewesen, um herauszustellen, was Sie umtreibt: ein Präsident, der sich mit der Sprache im Krieg befindet?

„Pussy“ ist der bessere Titel. Trumps Aussage, „grab ’em by the pussy“, ist die Quintessenz dieses Mannes. Einer der ausschlaggebenden Punkte für seine Wahl war, dass sich Frauen im Rustbelt darüber aufregten, dass einige gebildete Frauen aus der Mittelklasse über ihre sexistische Behandlung durch Trump klagten. Die ungebildeten Frauen aus den unteren Klassen solidarisierten sich nicht, sondern entgegneten, dass sie von ihren Männern tagtäglich so und schlimmer behandelt werden, und verteidigten das auch noch.

Ein völlig verdrehter sozialer Protest?

Wenn Unzufriedenheit entsteht, weil Leute in ihrem ganzen Leben weniger verdienen als ein Banker in einer Woche, dann ist Protest sehr nachvollziehbar. Aber nur, weil man Hillary nicht mag, wählt man keinen Trump. Wir haben es mit einer Bewegung von Philistern zu tun. Leute werden dazu ermutigt, an Bigotterie und Vorurteile zu glauben. Selbst wenn Trump weg wäre, wäre das Problem nicht gelöst.

Weil wir es sind, die das Monster Fracassus füttern, weil wir die goldenen Wolkenkratzer anstarren?

Ja. Der Kapitalismus hat heutzutage Wandertag. Die Leute stehen vor allen möglichen Läden und Dingen Schlange, freiwillig, um irgendwas anzustarren oder in Shops irgendwas zu kaufen. Und davon erzählen sie dann. Wie sie viele Stunden irgendwo angestanden haben, um irgendwas anzustarren oder irgendwas zu kaufen. Mit „Pussy“ wollte ich beschreiben, dass wir es sind, die dieses Desaster verursacht, die diesem Trottel Macht gegeben haben, die dies verantworten haben.

Ist Trump der neue amerikanische Traum: Nicht jeder Tellerwäscher, aber jeder Idiot kann Präsident werden?

Ja! Das Gute ist nur, er ist der ultimative Idiot. Trumps Idiotie kann nicht überboten werden. Es wird niemals einen größeren Idioten auf diesem Platz geben als ihn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Das mit dem niemals größeren Idioten hatten ja viele bei Dubya auch schon behauptet...

     

    Diejenigen, die die Idioten nutzen (Cheney, Rove, Koch Bros., Mercer etc.) sind übrigens leider alles andere als doof. Das sollte nicht vergessen werden.)

  • "Es wird niemals einen größeren Idioten auf diesem Platz geben als ihn." Na das ist doch, was Klein-Donnie sich wünscht: Superlative! "The greatest idiot ever to become POTUS!" Er wird glücklich sein.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Idioten vielleicht nicht.

    Verbrecher schon.