Ausweitung des Kreuzfahrt-Tourismus: Werft plant schwimmende Terminals
Die Meyer-Werft will mit schwimmenden Kreuzfahrt-Terminals den Tourismus ankurbeln. Naturschützer*innen finden die Idee schrecklich.
Schwimmende Kreuzfahrtterminals sind damit gemeint: hausintern entwickelt, hausintern vermarktet, von Hafen zu Hafen verlegbar. Es wären die ersten der Welt.
Das Stammhaus Meyer kann jeden Image-Boost gebrauchen. Immer größer sind die Kreuzfahrtschiffe der Werft im niedersächsischen Binnenland geworden. Immer massiver musste für ihre Dutzende Kilometer lange Fahrt zum Meer die Ems vertieft werden, bis sie fast jede Natürlichkeit verlor. Aber ist die Terminal-Revolution ein Plus für den Ruf der Werft, die sich „Weltklasse“ bescheinigt?
Zumindest ist es folgerichtig, nicht zuletzt technologisch, dass Meyer sein Schiffs-Kerngeschäft durch Schwimmbauten für Fähr- und Kreuzfahrtreedereien flankiert, für die Betreiber von Kreuzfahrthäfen. Das bringt Auslastung für die Meyer-Standorte in Papenburg und Rostock, zudem im finnischen Turku. Dort entstehen die Bauteile.
Beziehungsweise: Dort sollen sie entstehen. Noch hat die Revolution nämlich gar nicht richtig angefangen. „Wir arbeiten an verschiedenen Projekten rund um den Globus“, hält sich Unternehmenssprecher Florian Feimann gegenüber der taz bedeckt. „Über einen Vertragsabschluss und den Baubeginn werden wir informieren, wenn es so weit ist.“
Florian Feimann, Meyer-Werft
Schwimmende Terminals? Meyer Floating Solutions, entstanden aus einem Joint Venture zwischen der Meyer Gruppe und Admares Marine, einem US-Pionier schwimmender Immobilien, will damit auch die Bedürfnisse von „Häfen ohne Infrastruktur“ befriedigen. Das legt den Schluss nahe, dass demnächst auch Orte mit Kreuzfahrttourismus konfrontiert sein könnten, die bisher von ihm unberührt geblieben sind.
Leisten die Terminals also dem Trend Vorschub, dass Kreuzfahrtschiffe immer exotischere Ziele ansteuern, unerschlossene und abgelegene Orte? „In diesen Fahrtgebieten kommen kleine Expeditionskreuzfahrtschiffe zum Einsatz“, sagt Feimann, „die ein solches Terminal nicht benötigen.“
Die Terminals seien „eine Lösung, die sich für Umweltfreundlichkeit und Ressourceneffizienz von Kreuzfahrthäfen weltweit einsetzt“, wirbt das junge Unternehmen. Man schone Ressourcen „durch einen umweltbewussten Prozess“.
Feimann erklärt, wie das gemeint ist: „Wir fertigen in unseren geschützten Werfthallen und damit unter Industriebedingungen und mit standardisierten Fertigungsprozessen.“ Das benötige „deutlich weniger Energie für die Produktion, die wir künftig auch klimaneutral gestalten, als ein klassischer Bau vor Ort“. Baustellen an Land, ergänzt Feimann, „haben oft bis zu 30 Prozent Abfall am Gesamtmaterialeinsatz“. Dies könne Meyer „in einer hochtechnologischen Fertigungshalle deutlich minimieren“.
Landfläche sei vielerorts knapp, es gebe „viel mehr freie Wasserfläche auf der Erde als wertvolle Küstenstreifen“. Durch große Landbaustellen entstehe viel mehr Verkehr in Städten. „Das vermeiden wir mit unseren Lösungen“, sagt Feimann.
Nachhaltig sei die weltweite Flexibilität der Terminals: „Sie können verlegt werden, sollten sich Passagierströme verändern. Bei aktuellen Landbauten bleiben die Gebäude unter Umständen ungenutzt zurück.“ Vor Ort sei, neben einer ÖPNV-Anbindung, einzig ein Liegeplatz notwendig; angeblich sind die Terminals weitgehend autark, von der Energieversorgung bis zur Wasseraufbereitung. Infrastruktur auf dem Wasser begegne „der Flächenknappheit in den Städten“ und entlaste die Infrastruktur vor Ort. Die Meyer-Hafenerweiterungen seien „die umweltschonendste Art“, neue Terminals zu bauen.
Mehr Touristen, mehr Umweltbelastungen
Nadja Ziebarth, Leiterin des Bremer Meeresschutzbüros des Umweltverbandes BUND, sieht die Terminals kritisch: „In Zeiten, in denen immer mehr Hafenstädte Alarm schlagen, weil sie von den Tourist*innen-Strömen überfordert und überlastet sind und sie versuchen, die Gästezahlen zu reduzieren und zu lenken, braucht es keine zusätzlichen Kreuzfahrtterminals“, findet sie.
Die Meeresbiologin ist überzeugt: „Das Problem bei Kreuzfahrten – neben den immensen Umweltbelastungen durch Schiffsemissionen, Unterwasserlärm, Wasserverbrauch und vielem mehr – sind die zunehmenden Massen an Gästen innerhalb einer kurzen Zeit, die von den Kreuzfahrtschiffen an Land strömen.“ Das sollte nicht durch zusätzliche Infrastrukturen verstärkt werden.
Was für Meyer Floating Solutions eine Revolution darstellt, ist für Ziebarth ein Schreckensbild: „Schwimmende Kreuzfahrtterminals würden die lokalen sozialen Belastungen sowie die Umweltbelastung nur noch verstärken und keinesfalls entlasten“, sagt sie. „Die Meere, vor allem in Hafennähe, sind in desolatem Zustand, weitere Industrialisierung bedeutet auch mehr Zerstörung.“
Schwimmende Terminals in Modulform? Da könnte auch das Militär aufmerksam werden. Und die Neptun-Werft in Rostock, die zu Meyer gehört, hat im Marineschiffbau Erfahrung, nicht zuletzt aus zwei Weltkriegen. Aber: „Die Kreuzfahrtterminals“, sagt Feimann, „sind für rein zivile Zwecke bestimmt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern