piwik no script img

Auswandern mit RaketenTraumobjekt und Todbringer

Die Rakete vereint Erfindungsgeist, Hoffnung und Grausamkeit. In Bremerhaven ist sie Teil einer Ausstellung übers Auswandern ins All.

Weltraumschrott von morgen: eine Falcon 9-Rakete von SpaceX hebt im Juni in Florida ab Foto: dpa/FR60642 AP | Terry Renna

Die Geschichte der Rakete beginnt mit dem Krieg. Im 13. Jahrhundert nutzten die Mongolen in China Schwarzpulverraketen als Waffen. In Europa wurden Raketen im 19. Jahrhundert, etwa während der Napoleonischen Kriege, zu militärischen Werkzeugen. Aber es war die Moderne, die der Rakete ihre düstere Ikonografie gab: Die deutsche V2-Rakete brachte Tod und Zerstörung über London, Tausende Zwangs­ar­bei­te­r:in­nen starben bei ihrer Produktion. Die Rakete wurde zum Symbol für den ambivalenten Fortschritt: ein Werkzeug, das menschlichen Erfindungsgeist mit Grausamkeit vereint.

Diese Doppeldeutigkeit prägt sie bis heute. Interkontinentalraketen sind keine bloßen Waffen, sondern kulturelle Artefakte einer Welt, die am Rande der Selbstzerstörung balanciert. Ihre bloße Existenz ist eine Warnung vor dem, was Menschen zu tun vermögen, ein Spiegel ihrer Ängste.

Aber Raketen waren immer auch Symbole der Sehnsucht. Schon Jules Vernes Roman „Von der Erde zum Mond“ machte sie 1865 zum Vehikel für menschliche Träume von der Eroberung des Kosmos. Mit dem Beginn des Weltraumzeitalters, Sputnik und den Apollo-Missionen, wurden Raketen zu Ikonen des Fortschritts an sich: Sie versprachen, die Grenzen des Irdischen zu sprengen, und dass der Mensch die Sterne erreichen könne.

Die Idee, andere Himmelskörper zu besiedeln, ist ein altes Thema der Science-Fiction. Heute wird auf die Weltraumkolonisation ganz ernsthaft als „Backup“ für eine krisengeplagte Erde gewettet. Unternehmen wie SpaceX oder Blue Origin feiern Raketen als Schlüssel zu einer multiplanetaren Zukunft, in der die Menschheit auf Mond, Mars oder sogar Venus siedeln könnte. Das hat kolonialistische Züge: Der Abbau von Rohstoffen wie Helium-3 auf dem Mond weckt Begehrlichkeiten, Kri­ti­ke­r:in­nen warnen, dass wir im All die Fehler der irdischen Kolonialgeschichte wiederholen.

Ausstellung übers Auswandern ins All

„Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“: bis 7. 1. 26, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven

Der Weltraumvertrag von 1967 erklärt den Kosmos zum Erbe der Menschheit, aber private Akteure wie Elon Musk fordern das heute heraus. Die Rakete wird so zum Symbol eines neuen Imperialismus. Der „Space Race“ des Kalten Krieges war nicht nur ein Wettlauf um wissenschaftliche Errungenschaften, sondern auch ein globales Machtspiel. Heute treiben die privaten Konzerne reicher Männer die Kommerzialisierung des Weltraums voran. Das wirft neue Fragen auf: Wem gehört der Kosmos in Zukunft? Wer profitiert also von seinen Ressourcen? Die Rakete, einst ein Symbol des Gemeinwohls im All, wird insofern zunehmend zum Werkzeug weniger.

Diese Ambivalenz greift die Ausstellung „Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“ im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven auf: Sie zeigt historische Objekte wie eine 40.000 Jahre alte Mondphasen-Plakette neben Raumfahrtmodellen und Kunstwerken. Und im „Wahl-Forum Space Migration“ kann man mitdenken, wie die Zukunft im All aussehen könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • ....Bremen/Bremerhaven, zufällig (!?!) der Heimat von Marco Fuchs (Orbitale Hochtechnologiebremen OHB...) & Friends sowie Ursprung der German Offshore Spaceport Alliance GOSA.

    Wer alles zum Fuchs-Netzwerk gehört, ist an der ach so kurzen dt. Küste ein offenes Geheimnis....es wäre schön, wenn sich endlich mal ein(e) Redaktion / Recherchenetzwerk dem Treiben dieser Herren annehmen würde...

    Aber natürlich ist es auch nur ein Zufall, dass nach 20 (!!!) Jahren der PP-Partnerschaften von Niels Stolberg (51% 'Maritimes Forschungszentrum Elsfleth') und danach dem langjährigen VDR-Präsidenten Alfred Hartmann (Mariko Leer GmbH/Kompetenzzentrum Green Shipping'/'Green Shipping Niedersachsen') nun das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt an 'maritimen Energiesystemen' forscht, während es sehr ruhig um die 20jährige Expertise aus Elsfleth & Leer geworden ist.

    www.dlr.de/de/ms/

    Handelsschifffahrt, genau, da war doch irgendwas.....theoretisch die am einfachsten zu dekarbonisierede Branche der Welt (Tempolimit+Windkraft+Wetterrouting).

    Das will die Branche aber nicht,...und Luft- & Raumfahrt brauchen Verbündete für eine Wasserstoffinfrastruktur (aus öffentlichen Töpfen bezahlt).

  • Passend dazu Iron Sky schauen. Im Abspann dann, was wir vom homo sapiens erwarten können