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Ausstellung zum Fotografen Arno FischerEr war dabei, im Kalten Krieg

Hervorragend inszenierte Modefotos und ein Buch, das nie erschien: die Überblicksschau des Fotografen Arno Fischer im Berliner Haus am Kleistpark.

Alltag einer berufstätigen Frau: Arno Fischer, Abflug/Ankunft Berlin-Schönefeld, Sibylle 1/68, 1967 Foto: © Arno Fischer Estate. Courtesy of LOOCK Galerie, Berlin

„Situation Berlin“ sollte der Bildband heißen. Wobei die Situation folgende war: Die ehemalige Hauptstadt des Deutschen Reiches war geteilt, unter Kontrolle der Alliierten. Im Westteil der Amerikaner, Briten und Franzosen, im Ostteil unter Kontrolle der Sowjets. Noch konnte man sich frei von West nach Ost und umgekehrt bewegen. Das hatte auch der Bildautor Arno Fischer getan und etwa das Arbeitsamt Nord in West-Berlin oder die Friedensfahrt am Prenzlauer Berg in Ost-Berlin fotografiert.

Doch drei Wochen vor Erscheinungstermin schottete sich der Ostteil durch eine Mauer vom Westteil ab. Damit gab es, wie die Verantwortlichen in Ost-Berlin feststellten, keine Situation Berlin mehr. Und auch kein Buch.

Nur ein Dummy ist geblieben; Doppelseiten mit Klebe-Layout, die sich jetzt über die Stirnwand des großen Ausstellungsraums im Haus am Kleistpark ziehen, wo noch bis Mitte August die Ausstellung „Arno Fischer. Eine Reise“ zu sehen ist. Man tritt frontal auf den Buchentwurf mit Fotos und einmontierten Texten zu. Es lohnt sich, vor allem letztere genauer anzuschauen. Sie degradieren den Bildband zu einem bemerkenswert einfach gestrickten Propagandawerk.

Da wettert William S. Schlamm vor dem Rhein-Ruhr-Club gegen „die läppischen Intellektuellen“, weil die meinen, Schulen seien wichtiger als Panzerkreuzer oder es wird die Werbung für die westdeutsche Landser-Heftreihe Vormarsch in Frankreich angeführt, die „wertvolle Bücher“ wie „Fertigmachen zum Erschießen“ von G. Fraschka anpreist, um mit einem Zitat von Johannes R. Becher dagegenzuhalten, in dem er von Trostmitteln aller Art und für jedermanns Geschmack spricht, die die Unmenschlichkeit bereithält.

Westdeutsch-kapitalistische Mercedes-Limousinen

Vielleicht war es ein Glück für Arno Fischer, dass das Buch in dieser Form nie erschienen ist. „Situation Berlin“ war in der Bildstrecke durchaus parteiisch, was die Bildmotive und die konkrete Sicht auf das Motiv betraf. So verschwindet die Feier zum 1. Mai in West-Berlin, die unter dem Motto „Berlin bleibt frei“ im Tiergarten stattfand, bei Arno Fischer hinter der mächtigen Kühlerhaube einer schwarzen Mercedes-Limousine, die sich bildbeherrschend in den Vordergrund schiebt.

Man beachte die Position der Beine: Arno Fischer, Mode in Berlin, Sibylle 1/69, 1969 Foto: © Arno Fischer Estate. Courtesy of LOOCK Galerie, Berlin

Wenig verwunderlich ist bei ihm auch der Kurfürstendamm identisch mit einem riesigen Mercedes. Überhaupt taucht das Auto noch öfter als einfacher Indikator westdeutsch-kapitalistischer Dekadenz auf. Ja, was soll man sagen: Arno Fischer war dabei, im Kalten Krieg.

Aber deshalb war er kein schlechter Fotograf. Ganz im Gegenteil. Es gelangen ihm großartige Schwarz-Weiß-Aufnahmen, wie die Brandmauer mit dem „Riss in der Mauer“ (1953) oder später die melancholische Studie der kleinen Menschengruppe auf der „Staten Island Ferry“, die er 1978 aufnahm. Fischer besuchte New York dann noch einmal 1984 im Auftrag des Ministeriums für Kultur der DDR, um beispielhafte Arbeiterfotografien für die Gestaltung des Reliefs auf dem Marx-Engels-Forum zu suchen.

Was Arno Fischer aber vor allem suchte – das spiegelt sich in seinen Aufnahmen deutlich wider –, waren Robert-Frank-Momente. Mit ihm war er seit 1958 befreundet und kannte daher auch sein Buch „The Americans“.

Antiquierte New-York-Aufnahmen, fehlende Wahrnehmung

Doch dieser Kompass führte Fischer in die Irre. New York, man erinnere sich, war Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre noch nicht von den Superreichen gekapert. Es gab noch billige Mieten und preiswerte kleine Restaurants für die arbeitende Bevölkerung, die Nachkriegsavantgarde hatte eine lebendige Pop- und auch schon postmoderne Kunstszene abgelöst und die Off-Off-Bühnen florierten mit ihren Theaterexperimenten. Punk war auf dem Vormarsch und Mitte der 80er Jahre traf man in den Clubs schon auf den ersten HipHop.

DIE AUSSTELLUNG

Arno Fischer: „Eine Reise“. Haus am Kleistpark, bis 13. August, Di.–So. 11–18 Uhr; Donnerstag 10. August: Kuratorinnenführung 18.30 Uhr

Ja, New York sah heruntergekommen aus, war es aber nicht. Letzteres nahm Arno Fischer nicht wahr. Das belegen seine leicht antiquierten New-York-Aufnahmen mit der schwer mit Schmuck behangenen alten Frau, die die Straße überquert und mit dem obdachlosen Schwarzen oder dem bulligen Geschäftsmann in Midtown, der böse dreinblickt.

Richtig glücklich wird man in der Ausstellung bei den Modefotos, die Arno Fischer in Farbe aufnahm. Gerade hier zeigt sich das visuelle Vermögen des 1927 im Wedding geborenen Fotografen, der Kunst studierte, bevor er sich der Fotografie zuwandte. Die Modebilder sind gestellt, ins­zeniert, was Fischer hervorragend macht. Letztlich war er eben doch der Bildhauer, der er einmal werden wollte.

Alleine was er mit den Beinen seiner Models anstellt, wäre einen kleinen Essay wert. Oder kann man die forsch Unter den Linden dahin schreitenden Uniformträger im Hintergrund lässiger der Lächerlichkeit zeihen als mit dem Model im Vordergrund, das im Tweedanzug mit komisch angewinkelten Beinen auf der Kante eines in der Straßenmitte stehenden Stuhls balanciert?

Die rechten Beine nüchtern parallel, die linken keck überkreuzt, so posieren 1966 zwei seiner Modelle im knappen Kostüm im Hauseingang einer noch kaum bezogenen, blendend weißen und sehr fotogenen modernen Wohnanlage in Berlin: ganz im Sinne der subtilen Werbung für ein neues Deutschland. Vor der Kulisse der Flugzeuge in Schönefeld erklärt die breitbeinige Pose einer Anzugträgerin schließlich das Abenteuer Fliegen zum selbstverständlichen Alltag der berufstätigen Frau.

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