Aussprache bei der SPD: Linker Flügel soll wieder schlagen
Auf dem Krisengipfel in Magdeburg einigt sich der linke SPD-Flügel auf eine neue „Magdeburger Plattform“. Parteichef Gabriel bekommt Gegenwind.
MAGDEBURG taz | Am Samstagmittag sorgt sich Hilde Mattheis einen Moment lang um ihre Handtasche. Irgendwo in der Halle hat sie sie abgestellt und jetzt aus den Augen verloren. Blick nach links, Blick nach rechts, dann gibt sich die Bundestagsabgeordnete selbst Entwarnung: „Unter Freunden kommt schon nichts weg“, sagt sie.
Ob die Mitglieder des linken SPD-Flügels tatsächlich wieder Freunde sind, sei dahingestellt. Immerhin vertragen sie sich aber wieder, zumindest vorerst. In Magdeburg hat sich der zerstrittene Parteiflügel am Wochenende zur Aussprache getroffen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit legten die rund 250 angereisten Sozialdemokraten am Freitag ihren Streit der vergangenen Jahre bei. Nach einer dem Vernehmen nach hitzigen Debatte einigten sie sich auf eine neue Struktur: Künftig wollen sie ihre Aktivitäten unter dem Dach der neu gegründeten „Magdeburger Plattform“ bündeln.
Zuletzt fehlte den SPD-Linken ein solcher Kreis. Der Verein Demokratische Linke 21 (DL 21) galt zwar lange als Dachorganisation des Flügels, vielen Mitgliedern galt der Kurs der Vereinsführung in den letzten Jahren aber als zu kompromisslos. Der Konflikt eskalierte im Frühsommer, als DL-21-Chefin Mattheis den Mindestlohn wegen Ausnahmen für Langzeitarbeitslose als „faulen Apfel“ bezeichnete und daraufhin eine Gruppe um Arbeitsministerin Andrea Nahles austrat.
„Allen Parteilinken ist klar: Je einiger wir sind, desto mehr können wir erreichen“, sagte Mattheis nun. Daher werde sich die DL 21 an der neuen Plattform beteiligen. Dass die Grabenkämpfe des Parteiflügels beendet sind, heißt das jedoch nicht: Sprachverbote, so der Tenor, werde es in der Magdeburger Plattform nicht geben. Und Mitglieder der DL 21 deuteten bereits an, dass sie sich Kritik an KollegInnen auch künftig erlauben werden.
In Zukunft wieder Inhalte
Große Freunde sind die SPD-Linken also wirklich noch nicht geworden. Zum Magdeburger Kompromiss hat sie eher die Vernunft getrieben: Statt mit sich selbst möchten sie sich in Zukunft wieder mit Inhalten beschäftigen. Große Visionen hatten sie aber zumindest an diesem Wochenende noch nicht zu bieten. Fürs Erste will der Parteiflügel lediglich verhindern, dass die SPD wieder weiter nach rechts rückt.
„Die Schäden der Agendapolitik haben wir gerade erst repariert. Es darf keiner glauben, er könne jetzt gleich wieder losfahren und in die nächste Leitplanke ratschen“, sagte Carsten Sieling, Mitinitiator der neuen Plattform und Sprecher der linken SPD-Abgeordneten. Der Blick richtet sich vor allem auf 2017: Die SPD-Linken wollen, dass sich die Beschlüsse der vergangenen Parteitage auch dann im Wahlprogramm wiederfinden.
Die Vermögensteuer zum Beispiel: Mit ihr hat die SPD im vergangenen Jahr noch Wahlkampf gemacht, vor zwei Wochen erklärte Parteichef Sigmar Gabriel sie aber für tot. Dagegen wehrte sich der linke Parteiflügel in Magdeburg. Falls es nach der nächsten Bundestagswahl eine Mehrheit für Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün gibt, müssten für teure Projekte schließlich neue Einnahmen her.
Bleibt die Parteilinke tatsächlich geeint, muss Sigmar Gabriel künftig häufiger mit Gegenwind rechnen. Die Gründung der Magdeburger Plattform kommentierte Gabriel zwar zunächst nicht, dafür meldete sich Fraktionschef Thomas Oppermann zu Wort. „Ich erwarte von dieser neuen Plattform, dass sie Vizekanzler Sigmar Gabriel stützt“, sagte er der Welt. Der linke Parteivize Ralf Stegner erwiderte in Magdeburg: „Wir sind nicht die Union, wo Mutti die Kommandos gibt und inhaltlich tote Hose herrscht.“
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