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Ausländische Firmen verlassen RusslandKreml droht Chefs mit Haft

Zuerst wollte Russland ausländische Unternehmen nur enteignen. Jetzt droht der Kreml den Führungskräften von Coca Cola oder IBM sogar mit Gefängnis.

Geschäft in Russland vorläufig eingestellt: Coca-Cola-Fabrik bei Moskau Foto: Jason Neely/reuters

Berlin taz | Nachdem am vergangenen Mittwoch die russischen Schritte zur Verstaatlichung ausländischer Unternehmen konkreter wurden, verschärft Moskau den Ton nun ein weiteres Mal. Laut dem Wall Street Journal, das sich auf Insiderkreise beruft, haben russische Strafverfolgungsbehörden ausländischen Unternehmen im Land gedroht, führende Mitglieder der russischen Abteilungen verhaften zu lassen, sollten sie die Regierung kritisieren.

Mindestens eines der Unternehmen habe die Kommunikation mit ihren russischen Mit­ar­bei­te­r*in­nen daraufhin stark begrenzt, aus Angst, die Nachrichten könnten abgefangen werden. Andere sollen Führungskräfte ausgeflogen haben. Zu den betroffenen Firmen zählen laut der Zeitung Coca Cola, McDonalds und der Elektronikhersteller IBM. Ob auch deutschen Unternehmen gedroht wurde, ist nicht bekannt.

Am Mittwochabend hatte eine Regierungskommission einen Gesetzentwurf gebilligt, der die externe Kontrolle über ausländische Unternehmen vorsieht, die sich aus Russland zurückgezogen haben. Der Entwurf sieht vor, ein „beschleunigtes Insolvenzverfahren“ einzuleiten, wenn ausländische Unternehmen ihre Produktion stoppen oder sich ganz aus dem Land zurückziehen. Daraufhin solle ein externes Management eingesetzt werden. Die betroffene Firma habe danach fünf Tage Zeit, die Tätigkeit in Russland wieder aufzunehmen oder ihre Anteile zu verkaufen, andernfalls solle das Unternehmen nach drei Monaten versteigert werden.

Laut dem Wall Street Journal sollen auch eingetragene Markenzeichen von der Enteignung betroffen sein. Dmitri Medwedjew, Vorsitzender der Regierungspartei Einiges Russland, sagte, dass die Enteignungen dazu dienen sollen, Arbeitsplätze und systemrelevante Produktionen zu erhalten.

Von Lieferkettenproblemen betroffen

Dass Unternehmen ihre Produktion einstellen, liegt nicht allein an ihrer politischen Haltung gegenüber der russischen Invasion in der Ukraine. Viele sind auch von den Lieferkettenproblemen und dem Verfall des Rubels betroffen, die aus den Sanktionen von USA und EU resultieren.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte sich laut dem britischen Guardian am darauffolgenden Tag in einer Mi­nis­te­r*in­nen­run­de dafür ausgesprochen, die Unternehmen „denjenigen zu übertragen, die tatsächlich arbeiten wollen“. Dafür gebe es genügend rechtliche und marktwirtschaftliche Instrumente. Der Kieler Wirtschaftswissenschaftler Alexander Sandkamp sagte dazu der taz, er gehe nicht davon aus, dass dieses Vorgehen mit internationalem Recht vereinbar ist.

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5 Kommentare

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  • Der russische Staat wird die enteigneten Unternehmen dann sicher kompetent weiterbetreiben...

  • Das dürfte für den Ruf des Investitionsstandortes Russland ganz gewiss "Wunder wirken". Aber gut, der ist nach der Ankündigung der möglichen Enteignung vermutlich ohnehin in etwa auf dem Level Nordkoreas.

  • "Der Kieler Wirtschaftswissenschaftler Alexander Sandkamp sagte dazu der taz, er gehe nicht davon aus, dass dieses Vorgehen mit internationalem Recht vereinbar ist." Viele Akteure - darunter nicht notwendigerweise Herr Sandkamp - haben offenbar nicht verstanden, dass Putin, wie auch Orban, das Recht nur akzeptiert, wenn es ihnen nützt.

    • @JLloyd:

      Nur Orban und Putin? Nicht vielleicht auch Kacinsky, Bush, Schröder, Fischer oder Blair? Die wenigen Regeln, auf die man sich vor langer Zeit mal geeinigt hatte wurden von so vielen Akteuren gebrochen, dass diese regelbasierte Ordnung schon seit langem Geschichte ist.

      • @LD3000 B21:

        Sie sehe ich auch.