Ausbildungsreport Berlin-Brandenburg: Lehrjahre sind Mangeljahre
Die Zufriedenheit von Auszubildenden in Berlin und Brandenburg ist auf einem Rekordtief. Es fehlt an Betreuung, Gehalt und Mitbestimmung.

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt der Ausbildungsreport 2024 der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg, der am Dienstag vorgestellt wurde: Zwar ist mehr als jede*r Zweite mit der Ausbildung zufrieden. Allerdings sank der Wert auf ein Rekordtief: Waren es beim ersten Report 2012 noch 78 Prozent, sind es jetzt nur noch 69. Die Zahl der sehr zufriedenen Azubis hat sich in den vergangenen zehn Jahren sogar halbiert (2014: 32, 2024: 16 Prozent).
Ein Grund ist die fehlende Betreuung und Anleitung. So haben laut Report neun Prozent keine*n Ausbilder*in – obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch sonst gibt es diese oft nur auf dem Papier: Nur rund zwei Dritteln stehen Ausbilder*innen regelmäßig zur Verfügung. 14 Prozent geben an, diese selten oder nie zu Gesicht zu bekommen. Für Unzufriedenheit sorgen außerdem schlechte Bezahlung und Arbeitszeiten sowie fehlende Mitbestimmung.
Rund 1.600 Auszubildende wurden für den Report befragt, davon 609 aus Berlin. Am zufriedensten waren die Azubis in Chemieberufen sowie in der Verkehrs- und Logistikbranche (82 Prozent). Am schlechtesten bewertet wurde die Ausbildung in der Veranstaltungstechnik (55 Prozent) sowie in Hotels und Gaststätten (58 Prozent).
Kommt die Ausbildungsumlage?
Als Konsequenz fordert die Gewerkschaftsjugend einen Betreuungsschlüssel von eins zu acht sowie eine Förderung der Ausbilder*innen, etwa durch bezahlte Freistellungen für Weiterbildung. Auch müsse die Ausbildungsvergütung deutlich erhöht werden. Derzeit liegt die Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr bei gerade einmal 682 Euro. „Die Mieten in Berlin sind teuer, das reicht nicht aus“, so Bezirksjugendsekretärin Mailin de Groot. „Lehrjahre sind Jahre der Existenznot.“ Damit sich das ändert, brauche es mindestens rund 100 Euro mehr.
Mailin de Groot, DGB
Um die auszubildenden Betriebe zu entlasten, fordert de Groot einen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds, in den die Unternehmen einzahlen, die nicht ausbilden – in der Hauptstadt immerhin 89 Prozent. Das führt dazu, dass im Ausbildungsjahr 2023/24 fast 3.500 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer ausgingen.
Da es angesichts des Fachkräftemangels dringend mehr Ausbildungsplätze braucht, wurde 2023 das Ausbildungsbündnis gegründet. Bis Ende August dieses Jahres sollen dadurch 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Danach sieht es derzeit aber nicht aus: Laut DGB wurden zum 30. September 2024 nur rund 14.600 Ausbildungsverträge abgeschlossen – statt einem Plus ist das ein leichter Rückgang.
Tonka Wojahn, Grüne
Wird das Ziel, wie abzusehen, nicht erreicht, soll die Ausbildungsplatzumlage, wie es sie bereits in Bremen gibt, kommen. Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) gilt als Befürworterin, Linke und Grüne setzen sich schon lange dafür ein. „Das Bündnis für Ausbildung bringt keine Lösung. Eine solidarische Ausbildungsumlage ist hingegen überfällig“, so die Sprecherin für Aus- und Weiterbildung der Grünen-Fraktion, Tonka Wojahn, am Dienstag.
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