Aung San Suu Kyis Rolle in Myanmar: „Die meisten Menschen lieben sie“
Aung San Suu Kyi ist bei der Bevölkerung populär. Obwohl die bisherige Regierungschefin von Myanmar einige Misserrfolge hatte. Warum?
Alle früheren Machthaber hatten sich darauf konzentriert, sich selbst, ihre Verwandten und ihre Geschäftsfreunde zu bereichern. Aung San Suu Kyis Verwaltung hingegen ließ staatliche Projekte für Dienstleistungen und Bauvorhaben öffentlich ausschreiben. Unter ihrer Führung wurden sogar Regierungsmitglieder und Beamte, die sich bestechen ließen, zur Rechenschaft gezogen.
Wir müssen allerdings auch Misserfolge verzeichnen. Aung San Suu Kyi ist es nicht gelungen, den Friedensprozess zwischen Regierung, Militär und den zahlreichen ethnischen bewaffneten Gruppen voranzutreiben. Nur zwei der bewaffneten Gruppen haben in den fünf Jahren den nationalen Waffenstillstand unterzeichnet.
Die Ursachen sind vielfältig: Das Militär zeigte sich ebenso wie die Vertreter einiger ethnischer Gruppen kompromisslos – und das von der Friedensnobelpreisträgerin bestellte Verhandlungsteam erwies sich als unfähig, die Differenzen zu überbrücken.
Die Krise um die muslimischen Rohingyas war ein weiterer bemerkenswerter Misserfolg. Dabei hatte Aung San Suu Kyi kurz nach ihrem Amtsantritt den früheren UNO-Generalsekretär Kofi Annan zum Chef einer Kommission berufen, um die Lage im Rakhine-Staat zu untersuchen. Sie sollte Vorschläge machen, wie der Konflikt zwischen Rohingya und buddhistischen Bewohnern der Region zu lösen sei – und tat dies auch.
Aung San Suu Kyi schweigt
Doch am 10. Oktober 2016, dem Tag der Vorstellung des Kofi-Annan-Reports, griff die Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) zwei Polizeiposten an. Im Jahr darauf schlug sie erneut zu. Das Militär reagierte mit brutalen Angriffen auf die Rohingya, die zu Hunderttausenden nach Bangladesch flohen.
Aung San Suu Kyi wurde dann international und von Menschenrechtsgruppen heftig kritisiert, weil sie zu den Attacken des Militärs schwieg. Das war die größte Herausforderung für die Frau, die als Ikone der Demokratie den Friedensnobelpreis erhalten hatte.
Doch hätte sie ihre Stimme gegen das Militär erhoben, wäre sie wohl schon damals weggeputscht worden. Die Armee suchte stets nach Gründen, an die uneingeschränkte Macht zurückzukehren.
Die internationale Gemeinschaft fragt sich: „Warum ist Aung San Suu Kyi bei ihren Leuten noch so populär? Warum setzen viele Menschen Hoffnungen auf sie, obwohl sie ihre Freunde aus aller Welt, die während ihres Hausarrests eisern zu ihr hielten, enttäuscht hat?“
Die meisten Menschen in Myanmar unterstützen und lieben sie, weil sie vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu ihrem Land gestanden hat. Deshalb halten die Bürger:innen sie für mutig, klug und verantwortungsvoll.
Die Republik der Union Myanmar besteht aus 7 Staaten (ethnischer Minderheiten), 7 Regionen und der 2005 eingeweihten Hauptstadt Naypyidaw als Unionsterritorium.
Einwohner: 57 Millionen
Militär: 380.000 (geschätzt)
Bevölkerung: 135 Ethnien: Birmanen (68 Prozent), Shan (9), Karen (7), Rakhine (3,5), Chinesen (3), Inder (2)
Religion: Buddhisten (88 Prozent), Christen (6), Muslime (4)
Lebenserwartung: 69,6 Jahre
Alphabetisierung: 75,5 (rückläufig)
Pro-Kopf-BSP: 5.142 Dollar
Armutsrate: 25,6 Prozent
Exporte: China (36,5 Prozent), Thailand (21,8), Japan (6,6), Singapur (6,4), Indien (5,9): Gas, Holz, Fisch, Reis, Kleidung, Edelsteine
Importe: China (31,4 Prozent), Singapur (15), Thailand (11,1), Saudi-Arabien (7,5): Stoffe, Ölprodukte, Dünger, Maschinen, Fahrzeuge
Ein weiterer Grund ihrer Beliebtheit ist die Art und Weise, wie ihre Regierung die Coronapandemie in dem Land mit einem traditionell schwachen Gesundheitssystem bekämpft hat. Aung San Suu Kyi ermutigte ihre Landsleute, gemeinsam die Pandemie zu bewältigen, appellierte an den Bürgersinn, rief zu Spendenaktionen und Masken-Näh-Wettbewerben auf und spornte dazu an, freiwillig in Krankenhäusern mitzuhelfen.
Deshalb gewann ihre Nationale Liga für Demokratie (NLD) im November 2020 mit einem Erdrutschsieg die Parlamentswahlen. Dass die Menschen nun vehement fordern, sie freizulassen, beweist ihre ungebrochene Popularität in Myanmar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!