Augn-Konzert in Berlin: „Ihr alle seid Versager“

Mittelfinger zum Publikum: Beim "Konzert" der Post-Punk-Band Augn gab es Überraschungen, zeitgeistige Punchlines und jede Menge Gepöbel.

Zwei Männer mit Strumpfmaske auf den Köpfen gucken grimmig in die Kamera

Augn auf beim Ticketkauf Foto: Augn

Ein Grundsatz der Konzertrezension lautet: Publikumsbeschimpfungen verbieten sich. Was aber, wenn die Publikumsbeschimpfung fester Teil des Konzerts ist? Der angekündigte Auftritt der derzeit angeblich gehypten Post-Punk-Band „Augn“ im „Monarch“ am Kottbusser Tor in Berlin hat einige Erwartungen nicht erfüllt. Oder wie die Band in einer automatisierten Roboteransage formulieren würde: „Der Monarch ist ein stinkender Scheißklub und ihr alle seid Versager.“

Schon vor Beginn des „Konzerts“ machte eine Computerstimme in Dauerschleife klare Ansagen für alle, die 16 Euro Eintritt bezahlt und große Erwartungen an die ausverkaufte Show am Dienstagabend hatten: „Du wirst nicht viel bekommen für dein Geld“, wiederholte eine Maschinen-Stimme in Repeat das Mantra des Abends.

Auf der Bühne standen vor dem Zahnpasta-Lächeln einer großen Tom-Cruise-Abbildung zwei schwarz gekleidete Schaufensterpuppen mit Strumpfmasken auf den konturlosen Köpfen, die entfernt an die Promo-Fotos der auf Anonymität bedachten Band erinnern sollten: Eine der Figuren hielt einen Bass in der einen Hand und zeigte mit der anderen den Mittelfinger in Richtung Publikum. Die andere Puppe hielt ein Stand-Mikrofon und trug eine ausgebeulte Bomberjacke. An eine Wand waren mit silbernem Gaffa-Tape drei Buchstaben angeklebt: „CDU“.

Nach ein bisschen Meditationsmusik zu Beginn und einem erneut per Sprachausgabe vorgetragenen Xavier-Naidoo-Zitat („Dieser Weg wird kein leichter sein“) wurde stumpf das Augn-Album „Du wirst sehen / Grauer Star“ in numerisch richtiger Reihenfolge abgespielt. Statt Liveperformance der Band gab es Musik vom Band und regungslose Schaufensterpuppen – Abwesenheit als Grundprinzip.

„Scheißreiche Akademiker-Kinder“

Unterbrochen wurde die Musik, die im wesentlichen aus gesprochenen und gepöbelten Texten auf minimalistischen Drumbeats und einfachen Bassriffs besteht, nur von eingespieltem Applaus und den automatisierten Publikumsbeschimpfungen: „Jetzt macht ihr hier in Berlin alles kaputt, aber in drei Jahren zieht ihr auf euer Dorf zurück und esst Zwetschgenkuchen!“

Ist das schon postironisch oder noch Kabarett? Ein Konzertgast berichtet, dass bei der Show in Hamburg ein paar Tage zuvor enttäuschte Eppendorfer Zahnärzte die Bühne stürmten, weil sie mehr für ihr Geld erwartet hatten. Sie hätten die Schaufensterpuppen noch während des Konzerts umgetreten, ausgezogen und geplündert.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Anders in Berlin: Hier wird vor allem gelacht über zeitgeistige Punchlines, die Sprachcomputer-Ansagen dazwischen oder mitgepöbelt bei Tracks wie Vatertag: „Was darf man eigentlich noch?“, rufen ein paar Mittzwanziger mit dünnen Schnauzbärten und Hosenträgern in Dauerschleife, einer kalauert: „Die klingen live echt wie auf Platte!“, um dann mitzusummen bei einer Ballade auf Bitcoin-Bros.

Beim Lied „Deutschrap ist tot“ werden gemeinschaftlich Parolen wie „Studieren ist cool!“, „CDU!“ und „Mal was erben!“ gegrölt – wer sich umblickt, wird zweifelsohne auch ein paar „scheißreiche Akademiker-Kinder“ finden, über die sich im Song ereifert wird. Am Ende der Darbietung klauen nach einer vergeblich eingeforderten „Zugabe“ ein paar Leute dann aber doch noch die Strumpfmasken und ein paar Sachen von der Bühne. Immerhin: Den Bass stellt jemand behutsam an die Seite.

Sein Geld zurück verlangt am Ende keiner. Von wem auch? Der einzige Anlaufpunkt der Band ist die mit einer Tischkamera vermeintlich videoüberwachte Vertrauenskasse am Eingang, an der „Vinyl für 150 €“ ausliegt. Wer sich am Ende des Konzerts noch eine Platte klemmen will, wird allerdings enttäuscht: Die Videokamera ist zwar mit einem Bierglas verstellt, sämtliche LPs sind aber schon unironisch in überwiegend schwarzen Jutebeuteln vom hinteren Teil des Publikums verschwunden. Beim Rausgehen läuft noch eine Sprachcomputer-Ansage in Dauerschleife: „Mehr bekommt ihr für euer Geld nicht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.