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Auftakt der Deutschen IslamkonferenzMehr Ima­m*in­nen aus Deutschland

Bundesinnenministerin Faeser fordert zum Kampf gegen antimuslimischen Rassismus auf – und will mehr islamische Geistliche hierzulande ausbilden lassen.

Innenministerin Nancy Faeser bei der Islamkonferenz am 7. Dezember in Berlin Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Berlin taz | Die Bundesinnenministerin hat nicht viel Zeit, als sie an diesem Mittwoch beim Auftakt der Deutschen Islamkonferenz vor die Teilnehmenden tritt. Es gebe da ein „sehr großes Thema innenpolitischer Art, um das ich mich nachher kümmern muss“, entschuldigt sich Nancy Faeser – am Morgen hatte eine der größten Razzien gegen Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen seit Jahren stattgefunden. Dennoch ist es der Bundesinnenministerin ein Anliegen, eins klarzustellen: „Muslimisches Leben ist ein ganz normaler Teil des Alltags in Deutschland“, sagt die SPD-Politikerin. „Der Staat nimmt sich ihrer Anliegen an.“

Es ist eine klare Abgrenzung von ihrem Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU), der kurz nach seinem Amtsantritt 2018 erklärt hatte, der Islam gehöre eben nicht dazu. Faeser also will andere Akzente setzen. Immerhin ist es das erste mal seit der Gründung der Deutschen Islamkonferenz (DIK), dass das Bundesinnenministerium von einer Sozialdemokratin und nicht von einem Unionspolitiker geführt wird.

Ins Leben gerufen hatte die Konferenz im Jahr 2006 der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble. Nach dem Regierungswechsel 2021 war zunächst unklar, ob Feaser die DIK überhaupt weiterführen will. Anfang des Jahres dann erklärte sie, das Format nicht nur weiterführen, sondern auch weiterentwickeln zu wollen.

„Miteinander zu reden statt übereinander ist eine der wichtigsten Errungenschaften der Deutschen Islamkonferenz“, betont Faeser am Mittwoch. „Die DIK ist das zentrale Forum für den Dialog und die Kooperation zwischen dem Staat und den Musliminnen und Muslimen in Deutschland.“ Das muslimische Leben in Deutschland sei in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden. Dies wolle die DIK abbilden.

Faeser will Teilhabe der Mus­li­m*in­nen verbessern

Ein „sehr persönliches Anliegen“ sei ihr das Thema antimuslimischer Rassismus, sagt Faeser. Viele Menschen in Deutschland seien jeden Tag von Rassismus betroffen, auf Mus­li­m*in­nen treffe dies häufig doppelt zu – sie erlebten Diskriminierung wegen ihrer Religion und wegen ihrer Migrationsgeschichte. Im Sommer 2023 werde der 2019 eingesetzte unabhängige Ex­per­t*in­nen­kreis zu antimuslimischem Rassismus seine Erkenntnisse und Empfehlungen vorstellen.

Ein weiteres Ziel für die Islamkonferenz sei es nun, die gesellschaftliche Teilhabe von Mus­li­m*in­nen und muslimischen Gemeinden zu verbessern. Dazu gehöre es auch, die Zahl der in Deutschland sozialisierten und ausgebildeten Ima­m*in­nen zu erhöhen.

Hier zeigt sich: Trotz des anderen Framings knüpft Faeser in zentralen Punkten an die frühere Arbeit der Islamkonferenz an. Die Ausbildung von Imamen war schon einer der Schwerpunkte Seehofers. Viele Imame kommen aus dem Ausland in deutsche Moscheengemeinden. Im Fall des Verbands Ditib werden sie sogar direkt von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandt und auch bezahlt. Das hatte immer wieder zu Kontroversen geführt.

Faeser begrüßt, dass die größeren Dachverbände inzwischen ihr religiöses Personal vermehrt in Deutschland ausbilden. Es sei etwas „in Bewegung gekommen“. Ziel sei es, die staatliche Entsendung von Imamen „schrittweise zu reduzieren mit dem Ziel, sie zu beenden“. Ihre Staatssekretärin Juliane Seifert sei gerade in Ankara mit den Verantwortlichen dazu im Austausch gewesen.

Führende Unionspolitiker hatten zuletzt kritisiert, dass die DIK Islamismus nicht thematisiere. Die Bekämpfung religiösen Extremismus habe eine „hohe Priorität“, betont Faeser. „Klar ist aber auch: Die Deutsche Islamkonferenz ist keine Sicherheitskonferenz.“ Das Thema sei 2011 bewusst aus diesem Forum ausgelagert worden.

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10 Kommentare

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  • Genau mit Ditib den Bock zum Gärtner machen … ist das Naivität oder Ignoranz?

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Viel sinnvoller wäre es. Geld in solche Projekte wie HeRoes zu stecken.



    Junge Männer, migrantische Wurzeln, die an Schulen gehen. Workshops veranstalten für die Selbstbestimmung und Freiheit und Gleichberechtigung.



    Sehr mutig und sehr engagiert.



    Es gibt einen Film übet sie, in der Mediathek. Lief im WDR.



    Sehr sehenswert!

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Finde ich grundsätzlich auch unterstützenswert, solche Initiativen … wenn schon falsche und fragwürdige Konzepte von Ehre und Männlichkeit nicht aus den Köpfen von muslimischen jungen Männern herauszubekommen sind, kann man mit solchen Vorstellungen wenigstens konstruktiv und produktiv arbeiten.



      Vor einiger Zeit habe ich in einem örtlichen Bürger*innenzentrum ein Plakat gesehen, das sich speziell an junge muslimische Männer wandte, mit der Aussage (jedenfalls sinngemäß), die “Ehre” bestehe darin, für die Freiheit und Selbstbestimmung seiner Schwester einzutreten bzw. sie vor Zwang und Gewalt zu schützen.

  • "Faeser begrüßt, dass die größeren Dachverbände inzwischen ihr religiöses Personal vermehrt in Deutschland ausbilden"

    Nur nicht der größte der Verbände in relevanter Anzahl. Wobei ich dies durchaus mit der Religionsfreiheit begründen mag.

  • Selbst die DIK grenzt sich nicht deutlich und entschlossen vom Islamismus ab. Wozu soll diese stattliche Förderung gut sein?

  • "Dazu gehöre es auch, die Zahl der in Deutschland sozialisierten und ausgebildeten Ima­m*in­nen zu erhöhen."



    Darf es Imaminnen geben? Die Frage ist vielleicht naiv, aber wenn das religiös erlaubt wäre, würde es sie, meiner Einschätzung nach, ja bereits geben. (Frau Ates lasse ich mal außen vor, da sie unter Polizeischutz leben und ihr Amt somit nicht einmal in Deutschland uneingeschränkt ausüben kann.)

    • @*Sabine*:

      Es ist ein Bohren harter Bretter, klar … aber warum sollte es grundsätzlich nicht möglich sein? Vielleicht überholen hierzulande die Islam-Verbände in dieser Frage eines Tages noch die katholische Kirche, wer weiß?



      Rabbinerinnen in jüdischen Reform-Gemeinden sind sind in Deutschland nach wie vor keine Selbstverständlichkeit und den Orthodoxen ein Dorn im Auge.



      Zunächst einmal geht es aber darum, überhaupt die Voraussetzungen für eine fundierte akademisch-theologische Ausbildung von Imamen an deutschen Hochschulen zu schaffen … das ist schon lange im Gespräch und wird auch von vielen Muslimen gefordert.



      Allein DITIB als größter Islamverband in Deutschland - und hinter ihm stehend Erdogans staatliche Religionsbehörde Diyanet - erweist sich hier als Bremsklotz. Hier geht es um nicht mehr oder weniger, aus der Türkei heraus die politische Kontrolle über die türkisch-muslimischen Migranten*innen zu erhalten.



      Also um knallharte Politik geht es und nicht eigentlich ganz pragmatisch um religiöse Fragen, wie beispielsweise islamische Vorschriften und Rituale mit dem Leben in modernen säkularen Gesellschaften in Übereinstimmung gebracht werden können.



      Das wäre schon mal hilfreich, im den Integrationsprozess von mehreren Millionen Muslim*innen unterschiedlicher Herkunft in Deutschland zu fördern.



      Leider wird die notwendige Debatte immer wieder von der “Kulturkampf”-Rhetorik zwischen (Vulgär)Säkularisten und religiösen Fanatikern überschattet.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Ich kann es nicht fassen, dass Religion immer noch so von staatlicher Stelle gefördert wird.



    Immer noch im Mittelalter!

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Woher kommt eigentlich dieses Unverständnis, dass das Ausleben religiöser Bedürfnisse und das öffentliche Zeigen der eigenen religiösen Identität - ob Kippa oder Sikh-Turban - durchaus mit dem Selbstverständnis moderner säkularer Gesellschaften übereinstimmen kann, ja es sogar eine Forderung an demokratische Gesellschaften ist, das zu ermöglichen?



      Die Ablehnung dieses demokratischen Grundsatzes kann eigentlich nur ideologisch begründet sein, etwa in der Kulturkampf-Theorie … und nein, ich will mit damit nicht der Zwangsverschleierung muslimischer Frauen das Wort reden (weil ich weiß, dass dieses Argument vorzugsweise in diesem Kontext kommt).

  • Es geht voran, sehr gut 👍