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Aufhebung von Fahrradstraßen in HannoverVerkehrswende scheitert an der SPD

In Hannovers Südstadt sollen Fahrradstraßen wegfallen, damit Parkplätze bleiben können. Der grüne Bezirksbürgermeister ist entsetzt, aber machtlos.

In der Hannoverschen Südstadt sollen sechs von acht Fahrradstraßen aufgegeben werden Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Hannover taz | In Hannovers Südstadt, das betont der grüne Bezirksbürgermeister Ekkehard Meese gern, liegen einige der ältesten und die längste Fahrradstraße Hannovers. Acht sind es bisher, doch davon werden wohl nur zwei übrig bleiben. Das hat der Bezirksrat so beschlossen – mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP, obwohl hier eigentlich eine grün-rote Koalition herrschte.

Damit wiederholt sich im Kleinen das Drama, das sich auch schon im großen Rathaus in Hannover ereignet hat: Die SPD schert aus, weil sie grüne Verkehrspolitik nicht mittragen will. Anders als im großen Rathaus waren es hier die Grünen, die die Koalition aufkündigten.

„Wir hatten im Koalitionsvertrag die Schaffung neuer Fahrradstraßen vereinbart und nicht die Abschaffung alter Fahrradstraßen. Außerdem hat sich die SPD nicht an die üblichen Abstimmungsprozesse gehalten“, heißt es aus der Grünen-Fraktion. Die SPD erklärte, sie bedauere den Schritt, es hätte ja durchaus andere Anliegen gegeben, die man gern noch gemeinsam umgesetzt hätte.

Der Streit über die Fahrradstraßen hatte sich seit dem Sommer zugespitzt. Eine Überprüfung und Anpassung der – zum Teil mehr als 20 Jahre alten – Fahrradstraßen war nötig geworden, weil das Verwaltungsgericht Hannover die gängige Praxis in der Stadt als unzureichend gerügt hatte.

Eine Klage und ihre Folgen für Hannover

Geklagt hatte damals ein pensionierter Richter in einem ganz anderen Stadtteil: Er wollte die Fahrradstraße vor seinem Haus gern loswerden. Doch es kam anders. Die Stadt schränkte stattdessen den Autoverkehr weiter ein – vor allem das Parken am Straßenrand und den Durchgangsverkehr.

Zu Recht, befand das Verwaltungsgericht Hannover, nachdem der Mann dagegen ein zweites Verfahren angestrengt hatte. Im Grunde ist sie damit noch nicht einmal weit genug gegangen, fanden die Richter. Denn: Wenn eine Straße als Fahrradstraße deklariert wird, dann müssten die Radfahrer auch deutliche Vorteile davon haben – und zwar nicht nur theoretisch und auf dem hübschen Schild.

Dafür legte das Gericht eine Reihe von Kriterien fest. Das heikelste: Die Fahrbahnbreite. Eigentlich müsste in einer Fahrradstraße genug Platz sein, dass Radfahrer nebeneinander fahren und trotzdem noch den Gegenverkehr passieren könnten. Das geht oft nicht, wenn beide Straßenränder zugeparkt sind. Schon gar nicht in der dicht besiedelten Südstadt mit ihren engen Nebenstraßen.

Die hannoversche Stadtverwaltung nahm dieses Urteil nun zum Anlass alle Fahrradstraßen der Stadt – es sind insgesamt 23 – noch einmal zu überprüfen und nachzubessern.

Widerstand entzündet sich an der Parkplatzfrage

In der Südstadt bedeutet dies, dass zwei Fahrradstraßen entfallen müssen, weil die Fahrbahnen schlicht zu eng sind. In anderen Fällen sollten Parkplätze wegfallen. Dagegen formierte sich prompt Widerstand, vor allem dort, wo sich die Anwohner sowieso von chronischer Parkplatznot gebeutelt sehen.

Den griff die SPD auf, die glaubt, dass die Stadtverwaltung die Latte hier ohnehin viel zu hoch gehängt hat. Das Urteil, argumentiert die Fraktionsvorsitzende Petra Adolph, beziehe sich ja zunächst einmal nur auf die Kleefelder Straße im Zooviertel und sei auch nur in der ersten Instanz gesprochen worden. Es 1:1 auf alle anderen Fahrradstraßen zu übertragen, sei unsinnig.

Die Verwaltung argumentiert hingegen, man könne das Urteil nicht einfach ignorieren und auf weitere Klagen warten. Eine Berufung habe man sehr gründlich geprüft und letztlich verwerfen müssen, weil die Erfolgsaussichten zu gering sind, sagt Stadtsprecherin Janine Herrmann.

SPD strebt Bürgerbeteiligung an

Damit bliebe dem Bezirksrat nur, Fahrradstraßen entweder zu beschließen oder abzuschaffen – aber nicht über die genaue Ausgestaltung zu bestimmen. Also beantragte die SPD, die Fahrradstraßen dann eben abzuschaffen.

Gleichzeitig will sie aber im kommenden Jahr Bürgerbeteiligungen anschieben und unabhängige Planer beauftragen, um zu beratschlagen, wie man die Verkehrssituation für Radfahrer trotzdem verbessern kann – auch ohne Fahrradstraßen.

Den Versuchen der Grünen, in letzter Minute doch noch Kompromisse zu vermitteln, erteilte die SPD eine Absage. Da nutzte auch eine Gesprächsrunde mit dem Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und dem Stadtbaurat Thomas Vielhaber (SPD) nichts mehr.

Wenig Spielraum für Kompromisse

Die Verwaltung hatte allerdings auch lange so getan, als wären ihre Pläne vollkommen alternativlos. Das hatte auch die Bürgerinitiative aus dem kleinen Nachbarstadtteil Bult verärgert, die sich Gedanken um Alternativen gemacht hatte.

Den Versuchen der Grünen, in letzter Minute doch noch Kompromisse zu vermitteln, erteilte die SPD eine Absage

Die Anwohner wollten in ihrem Viertel die Sicherheit des Radverkehrs mit Einbahnstraßenlösungen verbessern – in der Hoffnung, damit ihre Parkplätze behalten zu können. Doch auch das erschien der Stadtverwaltung nicht rechtssicher genug.

Möglicherweise hätte es Chancen gegeben, den einen oder anderen Stellplatz zu retten. Die Grünen beantragten deshalb noch einmal eine genauere Prüfung für einzelne Fahrradstraßen – doch darauf mochte sich die SPD am Ende nicht mehr einlassen.

Fahrradstraßen werden gestrichen

Nun ist die Streichung der Fahrradstraßen also beschlossene Sache. Zur großen Freude von FDP und CDU, die sich Sorgen um eine drohende Benachteiligung des Autoverkehrs machten. Zwar gibt es noch eine formale Überprüfung durch die Verkehrsbehörde, doch es gilt als unwahrscheinlich, dass die den Beschluss kippt.

Für die grüne Verkehrswende in Hannover ist das ein weiterer Rückschlag – nachdem der Oberbürgermeister ja schon mit seinem Mobilitätskonzept für die Innenstadt am erbitterten Widerstand der SPD gescheitert war.

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4 Kommentare

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  • Fahrradfahren in Hannover ist grauenhaft, neue Fahhradwege wurden teils absurd unlogisch konzipiert (bestes Beispiel ist die Hildesheimer Straße) Für viele Hannoveraner ist Onays Verkehrswende ein diletantischer Versuch mit der Brechstange, den Autoverkehr zu reduzieren. Es ist nicht "pro Fahrrad", sondern "kontra PKW". Ich fahre ausschließlich Fahrrad, täglich knapp 25km, wenn ich absolut defensiv und vorausschauend fahren würde, käme ich mehrfach wöchentlich unter die Räder. Insbesondere in der geschilderten Südstadt ist das Fahrradfahren sehr riskant. Hannoveraner werden mir beipflichten, wenn sie an das Areal Altenbekener Damm/Sallstraße denken.

    • @Moe DaHool:

      Altenbekener Damm, Sallstraße und der Abschnitt der Hildesheimer Straße in der Südstadt haben alle etwa 1 m breite (Ein-Richtungs-)Radwege an beiden Straßenseiten. Größtenteils gepflastert und direkt am Fußweg. Asphaltierte Nebenstraßen - insbesondere als Fahrradstraßen ausgewiesene Nebenstraßen mit entsprechend wenig Autoverkehr - sind da meinem Empfinden nach bedeutend angenehmer.

  • Das ganze ist schon recht furchtbar. In der Südstadt - zumal dort wo die Fahrradstraßen jetzt abgeschafft werden sollen - ist doch sehr viel Fahrradverkehr, während die Autos schön brav auf den Hauptverkehrsstraßen unterwegs sind. Es fällt mir immer wieder auf, wie ruhig der Stadteil doch ist. Ja, es stehen viele Autos rum, aber die Autos, die vermutlich Anwohnenden gehören, werden wohl vergleichsweise selten bewegt. Warum auch? Die zentralen Stadtteile Hannovers sind so gut mit Öffis und Fahrradrouten verknüpft, dass wirklich niemand dafür das Auto nutzen muss und entsprechend auch kaum jemand das Auto täglich nutzt.



    Das Gerichtsurteil, das die Ausrufung einer Fahrradstraße an sich noch nicht als substanzielle Verbesserung einstuft, kann ich nicht nachvollziehen. Allein, erwartet zu werden, hilft schon viel bei der Unfallprävention. Auch nicht dem Rechtsfahrgebot blind folgend eng an den parkenden Autos vorbei zu fahren, verhindert sicherlich so manchen Unfall und erhöht auch die wahrgenommene Sicherheit. Ohne Fahrradstraßenschild würden sich Leute sicherlich auch weniger gerne und weniger oft aufs Fahrrad schwingen.



    Wirklich sehr betrüblich wie sich die SPD da am fossilen Backlash beteiligt. Zumal ich ziemlich sicher bin, dass auch eine Mehrheit der SPD-Wähler in der Südstadt von den wegfallenden Fahrradstraßen mehr Schaden als Nutzen davontragen wird.



    Und ja, die Bürgerbeteiligung wird eine Farce. Mit den Anwohnenden hat man sich eine sehr spezifische Betroffenen-Gruppe herausgepickt. Ein Umkreis von mehreren Kilometern hat ein theoretisches Interesse an der Durchfahrt und ein Großteil davon darf nicht mal als Einwohner im Bezirksrat sprechen.

    • @Marvienkäfer:

      Es gibt kein Rechtsfahrgebot für Radfahrer und Radfahrerinnen. Man muss mit Abstand überholt werden und sollte um sich zu schützen Abstand von parkenden Autos halten. Stichwort Dooring. In der Mitte der Spur ist man daher gut aufgehoben. Außerdem ist man bei normalen Radwegen auch nicht verpflichtet, sie zu benutzen und darf immer auf der Straße fahren . Ausnahme die als benutzungspflichtig mit dem entsprechenden Verkehrszeichen markierten Radwege. Und da gibt's genug Urteile zu, wenn die Qualität der Radwege nicht ausreichend sind ist die Benutzungspflicht hinfällig.