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Aufhebung des Compact-VerbotesFaesers Zitterpartie

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Die vorläufige Aufhebung des Compact-Verbotes ist eine Schlappe für die Innenministerin. Der Fall wird über das Bild ihrer Amtszeit entscheiden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser Foto: Sebastian Gollnow/dpa

E s gibt eine eherne Regel im Innenministerium von Nancy Faeser: Ein verhängtes Verbot muss vor Gericht Bestand haben. Bitter, dass diese ausgerechnet am rechtsextremen Compact-Magazin gebrochen werden könnte. Noch ist es nicht so weit, aber allein dass das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug des Compact-Verbots vorläufig aussetzte und die Rechtsextremen um Herausgeber Jürgen Elsässer feiern, ist unbestreitbar eine Schlappe für Faeser.

Auch mit anderen Projekten rennt die Innenministerin gerade gegen die Wand. Heimliches Durchsuchen der Polizei von Wohnungen? Ein „absoluter Tabubruch“, wird es nicht geben, so Justizminister Buschmann. Einsatz von Gesichtserkennungssoftware? Die Grünen haben „verfassungsrechtlich tiefgreifende Fragen“. Verschärfung des Waffenrechts für Messer? „Symbolpolitik“, so die FDP.

Man fragt sich, welche Linie Faeser da verfolgt – und mit wem sie in der Koalition eigentlich spricht. Jedenfalls steht keiner der Vorstöße für den angekündigten Aufbruch in eine „grundrechtsorientierte“ Sicherheitspolitik. Und so wird vieles Ankündigung bleiben bei Faeser, mal wieder.

Der Fall Compact aber liegt anders, hier war Handeln geboten. Den Kampf gegen Rechtsextremismus hatte Faeser, völlig zu Recht, zum zentralen Anliegen erklärt. Aber auf vorgelegte Pläne folgte lange wenig. Umso mehr scheint dies Faeser nun mit Verboten wettmachen zu wollen: Hammerskins, Artgemeinschaft, Compact. Bei keinem trifft es die Falschen.

Faeser muss sich fragen: Hätten mildere Mittel gereicht?

Auch Compact ist weit mehr als ein Magazin: Es vernetzt die rechtsextreme Szene, pusht die AfD, Putin oder Remigrationsprediger Martin Sellner, organisiert Proteste. Das Blatt fordert Widerstand gegen die „Asylbombe“, „Gender-Terror“ oder das „Finanzjudentum“, will „Passdeutschen“ Rechte verweigern, Elsässer will „das Regime stürzen“. Das ist kein Journalismus, sondern aufwieglerischer Aktivismus. Die Behörden und eine Innenministerin können hier unmöglich nur zuschauen.

Und ein Verbot via Vereinsrecht beanstandete das Bundesverwaltungsgericht ebenso wenig wie die Verfassungsschutzeinstufung von Compact als rechtsextrem. Faeser muss sich allerdings schon fragen lassen, ob es nicht tatsächlich – wie es das Gericht aufzeigt – auch vorerst mildere Mittel gegeben hätte, um der Pressefreiheit Rechnung zu tragen: das Vorgehen gegen einzelne Texte, Ausgaben oder Veranstaltungen.

Mittel wohlgemerkt, die das Triumph-heulende Compact weiter fürchten muss. Nun aber muss das Innenministerium sein Material nachbessern und auch Faeser zittern bis zum finalen Urteil – falls sie überhaupt solange im Amt ist, denn das Verfahren könnte Jahre dauern. Sicher ist schon jetzt: Es wird ganz zentral über das Bild von Faesers Amtszeit entscheiden.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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15 Kommentare

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  • "Der Fall wird über das Bild ihrer Amtszeit entscheiden!?



    Das ist wohl nur ein Versuch, die vielfältige Arbeit des Bundesinnenministeriums in den letzten Jahren zusammen zu streichen.



    Der größte Punkt in der laufenden Legislaturperiode war wohl der Umgang mit dem Ukrainekrieg.



    Hier wurden die Verwaltung der Flüchtlinge innerhalb von Wochen angepasst und der Zugang zum Sozialsystem erleichtert. Faeser und der Arbeitsminister arbeiteten das aus, Gleiches gilt für die erleichterte Einbürgerung und neue Wege für legale Zuwanderung durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz.



    Das zu der Bemerkung " es passierte erstmal nichts".



    Das sind sehr weitreichende Erneuerungen für die Zukunft und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.



    Ganz nebenbei fand gerade eine EM hierzulande statt, die auf sehr ruhige Art, offenbar sicher war.



    Ein weiterer Erfolg.



    Das Verfahren gegen Compact ist eins von vielen Maßnahmen, das die Bundesinnenministerin bereits gegen Rechts angeregt hat, wie auch dem Artikel zu entnehmen ist.



    Die oben genannten Einordnung der Bewertung einer Amtszeit durch diesen, einen Fall ist entweder durch Vergesslichkeit oder durch Parteipolitik erklärbar.

  • "Das ist kein Journalismus, sondern aufwieglerischer Aktivismus. Die Behörden und eine Innenministerin können hier unmöglich nur zuschauen".

    Wenn dieser Handlungsaufforderung allgemein nachgekommen wird, könnte es spannend werden.

    • @QuerBeetLeser:

      Jo, da musste ich auch schmunzeln. Ein Satz, von der Tapete bis zur Wand. Wo würde zum Beispiel ein Unions-Innenminister so manchen wohlwollenden Artikel über die Aktionen der letzte Generation einordnen? Und wenn man sich an Kampfbegriffen, wie oben zitiert, aufhängt, dann steht man mit Headlines wie "Antifa heißt Angriff" aber mal ganz fix im Fadenkreuz.

  • ""....dass das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug des Compact-Verbots vorläufig aussetzte und die Rechtsextremen (...) feiern, ist unbestreitbar eine Schlappe für Faeser.""



    ===



    Unbestreitbar?



    Rechtsextremismusexperte Andreas Speit: „Wer sich nach einem möglichen Verbot um die Pressefreiheit sorgt, unterschätzt die Gefahr des rechtsextremen Magazins. Das Verbot könne „nur ein erster Schritt“ sein, dem weitere Verbote folgen müssten. Denn Compact wirkt als „Radikalisierungsmaschine für viele.""

    Compact gibt es seit 2013 - und niemand will bemerkt haben welche Reichweite Compact in den letzten Jahren erreicht hat? Die gesamte Sippe der AFD hängt an der Dreckschleuder als Taktgeber -- darüber hinaus hilft die Reichweite des Internets den Schwachsinn Elsässers zu verbreiten.

    10 Jahre lang hat niemand hingeschaut aber sich gewundert, wie das Land der Täter



    mal wieder in den Rechtsradikalismus kippt.

    Das das Gericht das Verbot VORLÄUFIG aufgehoben hat ist eine Seite - aber das Faeser dafür verantwortlich gemacht wird, das Verbot ausgesprtochen zu haben - so viel Verlangen nach "Pressefreiheit" gewürzt mit Rechtsradikalismus zeugt von wenig Durchblick von Ursache & Wirkung

    • @zartbitter:

      Den Einwand verstehe ich nicht. Was soll das daran ändern, dass die vorläufige Rücknahme "unbestreitbar" eine Schlappe für Faeser ist?



      Dass Compact bekämpft gehört, erklärt der Kommentator doch ganz ausdrücklich, man könne "hier unmöglich nur zuschauen". Wenn das Ministerium die Maßnahmen dann so dilettantisch gestaltet, dass sie juristisch nicht aufrechtzuerhalten sind, ist das eigentlich mehr als eine Schlappe, es ist eine Niederlage. Man kann auf das Hauptverfahren hoffen, aber ein mulmiges Gefühl bleibt vorerst.

      • @Günter Picart:

        Den Einwand verstehe ich nicht,



        wieso sprechen Sie von einer Niederlage, offenbar in dem Wissen, dass die Entscheidung erst in der Hauptverhandlung erfolgt?



        Ihr Einwand " so dilettantisch gestaltet,



        dass die juristisch nicht aufrecht zu erhalten sind", ist sehr nebulös. Das stellt sich, wie erwähnt erst in der Hauptverhandlung heraus.



        Die Kritik im Vorfeld am Vorgehen des BMI, den Trägerverein zu verbieten, ist offenbar zulässig, wie das Gericht verlauten lies.



        Dass auch einem Verein wie diesem Rechtsmittel offen stehen, ist ein Verdienst und Erfolg unserer Demokratie.



        Viel schlimmer wäre es, wenn wir wieder Minister hätten, deren Direktiven von der Justiz nur noch abgeknickt würden.



        Wer das möchte, muss sich in der kommune nicht aufregen, sondern liest besser gleich Compact...

    • @zartbitter:

      Speits Argument ist, vorsichtig formuliert, gefährlich, weil man auf diesem Wege jede autoritäre Maßnahme als Gefahrenabwehr rechtfertigen kann. Eine Innenministerin kann nicht agieren wie ein Aktivist: wenn eine Regierung voluntaristisch handelt, ist das kein ziviler Ungehorsam, sondern Willkür.



      Im übrigen ist auch die Analyse falsch: die AfD ist nicht groß geworden, weil man 10 Jahre lang nicht hingeschaut hat, sondern weil ein nicht unerheblicher Teil von Politik und Medien den Aufstieg der extremen Rechten vorbereitet hat, indem er genau die Feindbilder vorbreitet hat, an die die AfD ist jetzt anknüpft. Selbstkritik wäre hier sinnvoller als die Demontage des Rechtsstaates.

      • @O.F.:

        Demontage des Rechtsstaats?



        Willkür?



        Wer sehen gerade an diesem Beispiel, dass Beides nicht der Fall ist!



        Die Justiz agiert offensichtlich unabhängig und Ministerien werden durch die Justiz kontrolliert ( abgesehen davon auch durch Bundestag und Bundesrat, selbst Privatpersonen steht der Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht offen).



        Was Selbstkritik betrifft, so wundere ich mich sehr wie Viele angeblich "linke" BürgerInnen beim Kampf Anderer gegen Rechts zu ParagraphenreiterInnen werden...

        • @Philippo1000:

          Rechtsstaat fängt aber nicht da an, wo die Judikative außer Kontrolle geratene Ministerien einfangen muss. Sondern damit, dass die Exektuive sich an Recht und Gesetz hält.

        • @Philippo1000:

          Man könnte erwarten, dass sich eine Regierung (in deren Ministerien es ja nicht an Rechtsexpertise mangelt) von Anfang an gesetzeskonform handelt und nicht erst von Gerichten zurückgepfiffen werden muss (zumal der Rechtsweg zeit- und kostenintensiv sein kann).



          Aber hier ist das Problem sogar noch weitreichender: das Vereinsrecht ist leider allzu dehnbar formuliert und genau hier zeigt sich das Problem: es gibt der Regierung Möglichkeiten, ohne vorangehende (!) gerichtliche Prüfung auch nicht-justiziables Verhalten sanktionieren kann - denn Compact, so unsäglich es sein mag, hat nichts Strafbares veröffentlicht.



          Und das ist keine Paragraphenreiterei, sondern ein Grundprinzip eines demokratischen Rechtsstaats: staatliches Handeln bedarf einer gesetzlichen Grundlage, sanktioniert werden konkrete Gesetzesverstösse, kein aus welchen Gründen auch immer unliebsames Verhalten. Ein inoffizielles "Feindstrafrecht" ist kein Mittel im Kampf gegen Rechts. Ein gewisses Misstrauen gegenüber staatlichen Machtdemonstrationen ist eine linke Tugend, egal, wer davon gerade betroffen ist.

  • Vieles von dem Sie da schreiben hat Herr Elsäßer auf Versammlungen gesagt, und nicht in der Compact geschrieben. Und genau das ist es was das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung beanstandet. Es wurde vom Bundesinenministerium einfach vermischt.

  • Du liebe Zeit, ist das nicht ein bisschen überkandidelt?

    Das Gericht hat anders entschieden, als die Ministerin sich das wohl vorstellte. Davon soll jetzt die Welt untergehen? Kommt mir komisch vor.

    Gekotzt habe ich allerdings, als ich Elsässer in der Tagesschau gesehen habe. Minutenlang durfte er seinen Sermon absondern.

    Warum mach ein öffentlich-rechtlicher Sender so etwas?

    • @Jim Hawkins:

      Frau Faeser hat die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet und als große Medieninszenierung umgesetzt. Darauf hätte sie völlig risikolos verzichten können.

  • Nee - der Fall wird nicht mehr über ihr Bild als Innenministerin entscheiden.



    Das Bild ist eh schon desaströs!

    • @Andere Meinung:

      anschließe mich - komplett instinktlos bei Fehlen jeglichem juristischen Fingerspitzengefühls insbesondere im Öffentlichen&Verfassungsrecht •

      unterm——beliebte Reinlegerfrage —-



      StrafR ist ebenfalls Öffentliches Recht!;)