Aufarbeitung von Verbrechen des Militärs: Mütter drängen Mörder zur Wahrheit
In Kolumbien bringt ein Sondergericht frühere Militärs mit Angehörigen von Opfern zusammen, die zur Erfüllung von Fangquoten getötet worden waren.
So schildert es Néstor Gutiérrez in der ersten öffentlichen Anhörung des kolumbianischen Sondergerichts für den Frieden im Fall der „Falsos Positivos“. „Falsche Treffer“ heißen beschönigend die unschuldigen Zivilisten, welche die Armee ermordete und als Guerilleros verkleidete, um Quoten zu erfüllen und Prämien einzustreichen.
6.402 solcher Fälle hat das Sondergericht bislang ermittelt. Es ist eines der schlimmsten Verbrechen in über 50 Jahren bewaffnetem Konflikt zwischen dem Staat und der Farc-Guerilla, den das Friedensabkommen von 2016 beenden sollte.
„Wir haben ein Theater erfunden, um einen Kampf vorzutäuschen wegen des Drucks, der von oben kam. Ich habe von den Menschen, die heute hier sind, Angehörige ermordet und sie mit Hilfe von Lügen und Betrügereien verschleppt. Ich habe sie grausam ermordet und ihnen eine Waffe hingelegt, um zu sagen, dass es ein Kampf war, dass sie Guerilleros waren, um den Namen dieser Familie zu beflecken, sie zu zerstören, Kinder ohne Vater zurückzulassen, Eltern ohne Kinder.“
Landesweit übertragene Geständnisse von Militärs
Was Gutiérrez und die anderen Militärs hier an zwei Tagen erzählten, konnte ganz Kolumbien per Liveübertragung mitverfolgen.
In Ocaña, einer Stadt im Norden, standen sich elf Täter (zehn Ex-Militärs und ein Zivilist) und Opfer gegenüber. „Es war historisch. Zum ersten Mal sprachen die vor Gericht Auftretenden öffentlich nicht nur von Fehlern, sondern von Verbrechen“, sagt Juliette Vargas, Anwältin beim kolumbianisch-deutschen Friedensinstituts (Capaz). Sie promoviert derzeit zur Teilhabe der Opfer bei der Übergangsjustiz.
Die früheren Militärs schilderten, wie sie vorab bei Paramilitärs Waffen besorgten, um die Ermordeten zu verkleiden, systematisch Dokumente fälschten und ihre Opfer beschuldigten.
Ein wichtiger Punkt war jetzt, dass die Täter ihre Opfer öffentlich rehabilitierten. Dabei ist das Besondere an Kolumbiens Übergangsjustiz, dass Opfer aktiv teilhaben.
Ohne die Mütter wäre der Skandal nie bekannt geworden
Ohne sie wäre der Skandal auch nie ans Licht gekommen. Allen voran die Mütter von Soacha nahe Bogotá. Seit mehr als 14 Jahren kämpfen sie für Gerechtigkeit für ihre ermordeten Söhne.
Mit falschen Versprechen auf Arbeit waren sie weggelockt worden, um dann als Guerilleros verkleidet hunderte Kilometer entfernt in einem Massengrab bei Ocaña wieder aufzutauchen. Die anderen Opfer stammten aus der Region. Die Anwesenden sind laut Gericht für mindestens 120 „Falsos Positivos“ zwischen 2007 und 2008 in der Region verantwortlich.
Mütter forderten sie auf, mehr Namen zu nennen, vor allem aus der Führung. Zwei nannten sie immer wieder: Álvaro Uribe und Juan Manuel Santos – der damalige Präsident und sein Verteidigungsminister, der später auch Präsident wurde und sogar den Friedensnobelpreis erhielt.
Manche Täter sind noch im Dienst
Andere Täter seien noch im Dienst. Der Einzige, der von den Morden in Ocaña nichts gewusst haben wollte, war der Ranghöchste, General Paulino Coronado – obwohl ihm laut Richterin Catalina Díaz das Gegenteil nachgewiesen wurde.
Das Gericht muss entscheiden, ob die Täter ausreichend zur Wahrheitsfindung beigetragen und ihre Verantwortung anerkannt haben. Das ist die Voraussetzung für mildere Strafen, bei denen die Wiedergutmachung im Mittelpunkt steht.
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