Asylverschärfungen und Bauernproteste: Auf den Schwachen herumtrampeln
Arme und Asylsuchende zu entrechten, sind nicht allein AfD-Fantasien. Auch andere beteiligen sich längst an diesem Volkssport. Doch es gibt Hoffnung.
A m Mittwoch vor einer Woche schickt mir eine Freundin eine Nachricht mit einem Link: „Was für ein Horror! Hat das auch Auswirkungen auf mich?“ Ohne groß nachzudenken, schreibe ich zurück, die seien doch jetzt entdeckt worden und könnten nichts mehr tun. Der Link führte zu einem Artikel über ein Geheimtreffen von Rechten, die über Massenabschiebungen fantasierten – auch von Menschen mit deutschem Pass, wenn den Rechtsextremen Haut- oder Haarfarbe oder Religion nicht passen.
Nach meiner spontanen Antwort kommen mir Zweifel und ich wundere mich über mich selbst: Bin ich so abgestumpft von allem, was ich über die Jahre an Machtfantasien von Rechten gelesen habe, dass es mich nicht mehr berührt? Oder habe ich einfach ein so großes Vertrauen in die sogenannte wehrhafte Demokratie?
Tatsächlich regt sich in den Tagen darauf der Demos: Fast täglich protestieren Menschen – nicht nur in Berlin, Hamburg oder München, sondern auch in Castrop-Rauxel, Pirna, Stralsund und Rosenheim. Das Motto: „Nie wieder ist jetzt.“ Aber begreifen wir wirklich, was gerade passiert? Und werden wir es verhindern? Ja, Demonstrationen sind wichtig. Sie erzeugen Gemeinschaft und prägen die öffentliche Meinung. Doch werden sie verhindern, dass die AfD bei den Landtageswahlen in diesem Jahr überall stärkste Kraft wird?
Selbst wenn nicht: Ein Teil dessen, was sie will, hat sie schon erreicht. Der Diskurs ist längst nach rechts verschoben. Über Jahrzehnte mühsam errungene Fortschritte werden wieder zurückgebaut. Das sieht man vor allem beim Thema Asyl. Die CDU, die gerade beste Aussichten darauf hat, den nächsten Bundeskanzler zu stellen, will das Recht auf Asyl laut ihrem Grundsatzprogramm praktisch abschaffen.
Man braucht nicht in andere Länder zu schauen
In Großbritannien sind die Planspiele der CDU fast schon Realität. Dort hat am Donnerstag das Unterhaus den Plänen zugestimmt, Asylsuchende, die irregulär eingereist sind, nach Ruanda abzuschieben – egal, welche Nationalität sie besitzen. Das soll vor allem der Abschreckung dienen, überhaupt in Boote Richtung Europa zu steigen. Diese Wirkung ist allerdings mehr Wunsch als erwiesener Fakt. Zudem verstößt das Vorhaben gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Anti-Folter-Konvention.
Man muss aber gar nicht in andere Länder oder auf AfD und CDU schauen – auch die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP entrechtet Schutzsuchende zusehends. Am Donnerstag verabschiedete der Bundestag ein Vorhaben mit dem beschönigenden Titel „Rückführungsverbesserungsgesetz“. Verbessert wird allerdings fast nichts, verschärft umso mehr: Unter anderem wird die Abschiebehaft von 10 auf 28 Tage verlängert.
Am Freitag hat der Bundestag dann das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert: Künftig müssen Neubürger*innen ihren bisherigen Pass nicht mehr abgeben. Das ist gut. Aber die AfD weiß auch das für sich zu nutzen. Laut Correctiv-Recherche habe sie gar nichts mehr dagegen, denn die neue Regel erleichtert es, Doppelstaatlern den deutschen Pass wegzunehmen. Bei zwei Pässen geht das, bei einem nicht, da es in Deutschland verboten ist, jemanden staatenlos zu machen.
Auch die Rhetorik einiger Minister*innen klingt längst nach AfD. Einen Tiefpunkt bot die Rede von Finanzminister Christian Linder (FDP) am Montag vor protestierenden Bauern: „Es ärgert mich, dass ich vor Ihnen als dem fleißigen Mittelstand über Kürzungen sprechen muss, während auf der anderen Seite in unserem Land Menschen Geld bekommen fürs Nichtstun. Deshalb kürzen wir die Leistungen für Asylbewerber, deshalb sparen wir eine Milliarde Euro beim Bürgergeld.“
Lindner trampelt beim Bauernprotest herum
Lindner lenkte damit vom Thema ab, trampelte auf den Schwachen herum – und versuchte, Menschen gegeneinander auszuspielen. Nebenbei: Die Einsparung von einer Milliarde Euro ist gar nicht sicher: Zum einen müssten erst einmal so viele Bürgergeldberechtigte gefunden werden, die „zumutbare“ Jobs überhaupt ablehnen. Zum anderen kann das Bundesverfassungsgericht noch alles kippen.
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