Asylverfahren in Berlin: Heute hier, morgen abgelehnt
In der Berliner Registrierungsstelle werden Asylanträge oft innerhalb eines Tages entschieden. Was für Syrer segensreich sein kann, ist für die Menschen vom Balkan fatal.
Ganz Deutschland redet darüber, wie Asylverfahren angesichts der vielen Flüchtlinge beschleunigt werden können – und Berlin kann dabei tatsächlich zumindest teilweise ein Vorbild sein. In der neuen Registrierungsstelle in der Bundesallee wurden bis zum vergangenen Dienstag 520 Anträge im so genannten Direktverfahren entschieden, also binnen eines Tages. Abgelehnt wurden 90 Anträge aus Westbalkanstaaten, die als „sichere Herkunftsländer“ gelten. Die anderen Anträge – allesamt von Syrern – wurden angenommen. Das erklärte das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Anfrage der taz.
Am 15. Oktober war die Registrierungsstelle in Wilmersdorf eröffnet worden. Ziel sollte neben der Verbesserung der humanitären Lage am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit vor allem eine deutliche Beschleunigung der Verfahren sein. Diese könnten dort „teilweise tagesgleich“ entschieden werden, hatte der zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) angekündigt.
Richtig menschlich?
Möglich sein soll dies durch eine enge Zusammenarbeit aller für Asylbewerber relevanten staatlichen Stellen, die in der Bundesallee unter einem Dach versammelt sind: Lageso, Bamf, Ausländerbehörde, Jobcenter. Der Berliner Bamf-Leiter Wolfgang Meier befand vor der Eröffnung, „das Berliner Modell ist beispielhaft für die Bundesrepublik“ und ein „besonderer Ausdruck von Humanität im Asylverfahren“. Denn: Man wolle die Flüchtlinge „schnell teilhaben lassen an unserer Gesellschaft, wenn sie anerkannt werden“.
Gerade in den anderen Fällen zeigt sich jedoch für den Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt, dass dieses Verfahren „höchst problematisch“ ist. „Die Konsultation eines Rechtsbeistands ist darin nicht vorgesehen und durch die sehr kurze Frist faktisch nicht möglich“, sagte er der taz. Mit den Schnellverfahren werde „das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt“. Tatsächlich haben Asylbewerber laut Asylverfahrensgesetz das Recht auf anwaltlichen Beistand – und besonders Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, etwa vom Balkan, sind gut beraten, diesen auch in Anspruch zu nehmen.
In dem Informationsflyer, den Flüchtlinge neuerdings bei der Vorregistrierung im Lageso in Moabit erhalten, werden sie über dieses Recht allerdings nicht aufgeklärt, wie aus einer noch nicht veröffentlichen Antwort der Sozialverwaltung auf eine Anfrage von Reinhardt hervorgeht, die der taz vorliegt. In den der Antwort beigefügten Flyern heißt es lediglich (in verschiedenen Sprachen leicht variiert): „Nach der Erfassung werden Sie mit Bussen in die Notunterkünfte gefahren. Von dort werden Sie innerhalb weniger Tage zur weiteren Registrierung abgeholt. Den genauen Termin erfahren Sie in der Notunterkunft.“
Nun sind laut Gesetz zwar eigentlich die Aufnahmeeinrichtungen zuständig, Asylbewerber über die Möglichkeiten juristischen Beistands und wo sie ihn bekommen können zu informieren. Wie dies aber „innerhalb weniger Tage“ möglich sein soll – und nur so lange sollen die Menschen in der Notunterkunft auf ihr Verfahren warten –, bleibt rätselhaft.
Doch nicht ganz so schnell
Eine Sprecherin des Bamf erklärt auf Nachfrage, ob man bei Ein-Tages-Schnellverfahren auch einen Rechtsbeistand bekommen kann, dies sei „genauso möglich, wie in allen anderen Verfahren“. Sie fügte aber auch hinzu: „Die Antragsteller suchen in der Regel erst nach Erhalt des Bescheids einen Rechtsbeistand auf.“ Ganz so schnell, wie manche möchten, geht es also doch nicht.
Denn auch den im Schnellverfahren Abgelehnten steht es frei, gegen die ablehnende Entscheidung zu klagen. Darüber kann aber nach Einschätzung der Grünen-Abgeordneten und Volljuristin Canan Bayram unmöglich am selben Tag entschieden werden: „Das Urteil muss schriftlich zugestellt werden.“ Wird auch diese Klage abgelehnt, haben die abgelehnten Asylbewerber zwei Wochen Zeit zur freiwilligen Ausreise – erst dann wird abgeschoben. Ob es solche Fälle bei den Schnellverfahren bereits gegeben hat, konnte die Ausländerbehörde nicht sagen. Denn, so ein Sprecher: „Abschiebungen werden statistisch nicht nach dem Ort der Bearbeitung erfasst.“
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