piwik no script img

Astrologie in queeren CommunitiesDer queere Hang zum Mythos

Dass Queers Horoskope lieben, ist ein Klischee. Oder könnte es daran liegen, dass der Tierkreis eine Utopie ist? Esoterische Spekulationen.

Vielleicht ist das uneigentliche Ernstnehmen unserer Sternbilder der Prototyp für eine Utopie Illustration: Coll. Perrin/Kharbine-Tapabor/imago

M erkur ist in diesen Tagen rückläufig. Das kein Grund zur Beunruhigung, es handelt sich um eine optische Täuschung am Planetenhimmel und bedeutet bloß, dass die Welt ein bisschen aus den Fugen gerät.

Angeblich passieren außergewöhnlich viele unerwartete Zufälle, Planbarkeit nimmt ab, Intuition regiert. Das Spektakel dauert bis zum 3. November. Vielleicht ein Grund, nicht auf errechnete Prognosen zur US-Wahl zu vertrauen. Wobei es dafür bessere Gründe gibt.

Astrologie ist eine belächelte Form spiritueller Praxis. Im 20. Jahrhundert als Ratgeberchen in Zeitungen popularisiert, gilt sie als Interessensgebiet der kleinbürgerlichen Hausfrau und hat damit einen schlechten Ruf. Einen weitaus schlechteren noch als der christliche Glaube – je nachdem, mit wem man es zu tun hat.

Das Geschlecht ist auch ein Mythos

Denn gerade, weil Horoskope mit Weiblichkeit assoziiert sind, macht sie attraktiv für alle, die das Feminine zelebrieren. Zum Beispiel queere Communities. Nicht für sämtliche natürlich: Je nach Kontext, etwa beim cis-schwulen Dating, können auch queere Räume patriarchal sein. In anderen aber ist es selbstverständlich, dass ich zumindest meinen Aszendenten, mein Sonne- und mein Mondzeichen ins Gespräch einbringen kann.

Der queere Trend zum Sternedeuten ist schon häufig besprochen worden. Queere Magazine wie LMag oder Autostraddle bieten ihren Leser*innen ganz selbstverständlich Horoskope an. In einer Welt voller gefühlter Wahrheiten und zurechtgezimmerten Fakten mag jede Tendenz zu Pseudowissen irritieren oder verstören. Und das Versprechen, sich drei rückläufige Merkurwochen lang ins Intuitive schmeißen zu dürfen, klingt nach einem apolitischen Rückzug ins Private via Zauberkunst.

Aber vielleicht ist da noch mehr. Vielleicht ist die Neigung von vielen Queers zur Astrologie keine Suche nach Wissen, sondern eine bewusste Hinwendung zum Mythos. Queeres Wissen ist immer Bewusstmachen von Mythologien. Der Mythos Geschlecht, der Mythos Rasse, der Mythos Nation: Artefakte, die nicht existieren, sondern erst durch das Wissen über sie real werden. Mit denen sich spielen ließe wie mit Sternzeichen – wäre es Konsens, dass sie auch nur Sternbilder sind.

Prototyp für Utopie

Vielleicht ist die queere Astrologie das Spielfeld, das andere Mythen noch nicht sein dürfen. Vielleicht ist das uneigentliche Ernstnehmen unserer Sternbilder der Prototyp für eine Utopie, in der wir unsere Körper- und Begehrenskonstellationen als ebenso uneigentlich begreifen.

Bis dahin ist das Horoskop immerhin ein harmloser Zeitvertreib. Denn wie Hengameh Yaghoobifarah schreibt, ist Astrologie zumindest „kein Herrschaftsinstrument, das strukturell oder institutionell dafür genutzt wird, Leute fertigzumachen“.

Das können andere Glaubenssysteme nicht von sich behaupten. Schließlich ist der Tierkreis die einzige Einteilung der Welt, die wahrhaftig gerecht ist.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Denn wie Hengameh Yaghoobifarah schreibt, ist Astrologie zumindest „kein Herrschaftsinstrument, das strukturell oder institutionell dafür genutzt wird, Leute fertigzumachen“."

    In Indien ist es das selbstverständlich sehr wohl. Keine Hochzeit ohne Befragung von Astrologen, und wehe, die Braut hat die "falschen" Gestirne.

  • "Bis dahin ist das Horoskop immerhin ein harmloser Zeitvertreib. Denn wie Hengameh Yaghoobifarah schreibt, ist Astrologie zumindest „kein Herrschaftsinstrument, das strukturell oder institutionell dafür genutzt wird, Leute fertigzumachen“. (P.Weissenburger)



    Diese Aussage belegt lediglich wie wenig kritisch sich der Autor und die zitierte H.Y. mit der Geschichte der Astrologie und auch mit der aktuellen Esoterikszene befaßt haben.



    Ausgangspunkt (Babylon) war eine Priesterkaste die dieses Instrument sehr wohl und sehr absichtlich als Herrschaftsinstrument zu benützen wußten. Und das läuft im kleinerem Maßstab auf der Scharlatanebene esoterischer Zirkel ungebrochen weiter und richtet sehr wohl bei Menschen Schaden an. Sie erzeugt psychische Abhängigkeiten und beutet hemmungslos an.



    Empfehlenswerte Literatur dazu: Stuart A. Vyse - "Die Psychologie des Aberglaubens"; Theodor Much - "Aberglaube und Astrologie"; Colin Goldner - "Die Psychoszene".

    • @LittleRedRooster:

      Sorry - eine kleine Korrektur.



      Es sollte natürlich heißen: "...beutet hemmungslos aus".



      "Die Esoterikbranche in Deutschland boomt. Bereits im Jahr 2011 betrug der Umsatz, der hierzulande mit Esoterik gemacht wurde, rund 25 Milliarden Euro. Man muss davon ausgehen, dass er seitdem stark gestiegen ist; der Heidelberger Publizist und Trendforscher Eike Wenzel schätzte in einem Artikel der Welt von 2011 sogar, er würde bis 2021 rund 35 Milliarden Euro betragen." - Zitat siehe Link:



      www.business-on.de...oomt-_id54458.html

  • was mag ein rückläufiger merkur im jahr der metallratte vor dem jahr des wasserbüffels wohl bedeuten.

    betrachten wir zunächst einmal die ratten :

    den ratten geht es zur zeit wegen des coronavirusbedingten rückgangs der gastronomie sehr schlecht denn .es gibt weniger essensreste von denen sie sich nähren können.für sie bedeutet das eine hungersnot.

    www.nbcnews.com/po...rate-amid-n1180611

    und die hat unvermeidlicherweise nachteilhafte auswirkungen auf ihr sozialverhalten

    auch der hunger unter den armen der welt hat wegen der corona-virus-pandemie bedingten wirtschaftskrise -und wegen verweigerter oder unzureichender hilfeleistungen zugenommen

    dem heutigen datum dem 16.10.2020 (1+6+1+0+2+0+2+0=12)ist durch dessen queer-summe das zwöfte arkanum des tarot zugeordnet .dieses steht für eine situation der ausweglosigkeit die zum nachdenken zwingt und darum vor dem 13 ten arcanum das dem memento mori seinen platz im tarot zuweist,platziert ist

    was im übrigen noch zu sehen war ist zu scheusslich als dass es hier erörtert werden sollte:eine andeutung muss genügen



    wegen dem klimawandel drohen in der gar nicht mehr so fernen zukunft fürchterliche hungersnöte und die haben nicht nur bei ratten sondern auch bei menschen scheussliche auswirkungen auf das sozialverhalten

    aber der wasserbüffel deutet auch eine möglichkeit an den desaströsen klimawandel zu begrenzen:den verzicht auf rindfleisch!