Assange-Solidarität in London: Ein Tory sagt, wie es ist
Ende Februar wird in Großbritannien über die Auslieferung von Julian Assange in die USA entschieden. Über ein Treffen in der Conway Hall.
Die Conway Hall im Bloomsburyviertel Londons ist mit der Tradition des britischen Freidenkertums verbunden. Kein Wunder, dass sich hier am Donnerstagabend Unterstützer:innen des im Londoner Belmarsh Hochsicherheitsgefängnis nun seit fünf Jahren festgehaltenen Journalisten Julian Assange versammelten.
In einem Monat, am 20. und 21. Februar, wird das Anwaltsteam des Wikileaks-Gründers Assange vor dem Obersten Gerichtshof den wahrscheinlich letzten möglichen Versuch starten, in Großbritannien gegen dessen Ausweisung in die Vereinigten Staaten juristisch vorzugehen.
Assange hatte vorherige Gerichtsverfahren teils gewonnen und auch wieder verloren. Der letzte Stand ist, dass die britische Regierung ihn per Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Großbritannien ausweisen wird. Sollte er auch im Februar scheitern, ist noch Berufung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich.
Vor den etwa 100 Versammelten sitzen Jeremy Corbyn und der Labourabgeordnete Richard Burgon, der im britischen Parlament die sozialistische Gruppe führt, neben dem ehemaligen Gewerkschaftsführer Len McCluskey sowie Julian Assanges Ehefrau Stella. Und dann ist da noch jemand, den, wie er in seiner Rede selbst anmerkt, mit den anderen sonst wenig verbindet: der konservative Abgeordnete und ehemalige Brexitminister David Davis.
Zum Schweigen bringen
Die Veranstaltung beginnt mit dem Abspielen des einst geleakten Videos, das einen US-Apache-Hubschrauber in Bagdad im Jahr 2007 zeigt, aus dem die Besatzung auf Zivilist:innen schießt. Mehrere Wortbeiträge verweisen danach auf die Wichtigkeit dieser Informationen im Interesse der Öffentlichkeit. Die Ausweisung Assanges solle Journalist:innen weltweit zum Schweigen bringen.
Unter allen Anwesenden ist es David Davis, der als Tory in Regierungskreisen am ehesten Gehör finden kann. „Alle, egal welcher Farbe, Politik, Herkunft oder Religion verdienen einen fairen Prozess, faire Justiz, keine willkürliche Freiheitsberaubung“, beginnt er mit einer Bemerkung zu seinem ehemaligen Einsatz für Gefangene in Guantanamo Bay.
Dann kommt er auf Assange zu sprechen. Der hätte in den USA keine Chancen auf Freispruch. Schon dass er gut behandelt würde, sei als Versprechen nicht glaubwürdig. Er, Davis, habe schon öfter erlebt, wie solche Versprechen gleich nach der Ankunft in den USA gebrochen wurden. Gerechtigkeit für Assange sei nur in Großbritannien möglich, wo die britische Justiz des Geheimnisverrats angeklagte Personen aufgrund des öffentlichen Interesses an den preisgegebenen Informationen schon des Öfteren freigesprochen habe.
Weit über alle Toleranzschwellen hinaus
Und was wohl ein britisch-konservatives Gemüt besonders erregt: „Es hört sich alles so an, als würde eine imperiale Macht einer Kolonie Befehle erteilen.“ Dem Auslieferungsübereinkommen mit den USA hätte das britische Parlament außerdem nur zugestimmt, weil es die Ausweisung in politischen Fällen verbiete; und genau darum handele es sich bei Assange.
Assange Ausweisung würde den investigativen Journalismus weltweit schwer beschädigen und zu einer US-Zensur des britischen Pressewesens führen. Was Assange in den letzten 13 Jahren widerfahren sei, ginge ohnehin weit über alle Toleranzschwellen hinaus.
Davis beendete seine Ansprache mit dem Zitat des bekannten britischen Hochrichters Lord Sumption: „Meinungsfreiheit beinhaltet das Recht, Informationen zu veröffentlichen, selbst wenn sie kontrovers, beunruhigend sind oder Autoritäten oder andere Personen in Verlegenheit bringen.“ Wer an eine freie Gesellschaft, an eine freie Presse und an eine faire Justiz glaube, müsse davon überzeugt sein, dass Assange seit langem auf freien Fuß sein sollte.
Im Gespräch mit der taz nach der Veranstaltung sagte Davis, dass die Bundesrepublik sich direkt an den britischen Außenminister Lord David Cameron wenden solle, Assange nicht an die Vereinigten Staaten auszuweisen.
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