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Argentinien braucht SchuldenschnittDe facto wieder pleite

Trotz des größten Hilfskredits in der Geschichte des Internationalen Währungsfonds steht Argentinien erneut vor dem Staatsbankrott

Demonstranten fordern: „Nein zur Zahlung von Auslandsschulden“ Foto: reuters

Buenos Aires taz | Argentinien ist pleite. Allein in diesem Jahr müsste der Staat 21 Milliarden US-Dollar Schuldendienst leisten. Auch wenn die internationalen Ratingagenturen ihre Daumen noch nicht ganz nach unten gesenkt haben – faktisch herrscht bereits die Zahlungsunfähigkeit. „Das Land kann diese Schuldenlast nicht tragen. Es ist fundamental, dass es Erleichterungen gibt“, sagte Argentiniens Finanzminister Martín Guzmán.

Das bestätigt auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Letzten Mittwoch räumte der Fonds erstmals ein, dass Argentiniens Schuldendienst „nicht tragbar“ sei. Die Bereitstellung der dafür notwendigen Finanzmittel sei „weder wirtschaftlich noch politisch machbar“, und nur der Verzicht der privaten Gläubiger auf „einen nennenswerter Beitrag“ könne den Schuldendienst wieder flottmachen, erklärte der Fonds.

Mit rund 310 Milliarden US-Dollar steht der argentinische Staat in der Kreide. Das entspricht 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Anteil der Verbindlichkeiten bei privaten Gläubigern beläuft sich auf 191 Milliarden US-Dollar. Nach einem Bericht der argentinischen Wirtschaftszeitung El Cronista sind die vier größten privaten Gläubiger der Investmentfonds Pimco, der zur deutschen Allianz gehört, sowie die US-Fonds Franklin, BlackRock und Fidelity. Sie halten rund 25 Milliarden US-Dollar der Verbindlichkeiten.

Überraschend ist die Unterstützung des IWF nicht. Vor knapp zwei Jahren stand Argentinien ebenfalls kurz vor dem Staatsbankrott. Der damalige Präsident Mauricio Macri musste den IWF um Finanzhilfe bitten. In Rekordzeit wurde die Rekordsumme von 57 Milliarden US-Dollar gewährt. Nie zuvor hatte der IWF einen solch hohen Kredit an ein Land vergeben. Zentrale Bedingung des IWF war aber der Abbau des Haushaltsdefizits. Allerdings wurde kein drastischer Einschnitt bei den Sozialausgaben verlangt. 44 Milliarden US-Dollar wurden seither überwiesen. Es ist der größte nichtprivate Einzelbatzen.

IWF unterstützt Forderung nach Schuldenschnitt

Auch Argentiniens neue Regierung unter Präsident Alberto Fernández hält sich trotz ihrer lauten Rhetorik an die IWF-Vorgaben und drosselt stetig, aber geräuscharm die Staatsausgaben. So wurden unter anderem eine bereits beschlossene Rentenerhöhung auf Eis gelegt, ein Einstellungsstopp für Staatsangestellte verfügt und die Abfindungen für entlassene Staatsangestellte halbiert. Der Protest dagegen hält sich in engen Grenzen – zur Freude der Finanzlobby. Fernández hat mehr getan, als Macri je hätte durchsetzen können, so der Tenor.

„Ich unterstützte Finanzminister Martín Guzmán und die Führung von Präsident Alberto Fernández bei ihren Bemühungen um die Stabilisierung der Wirtschaft und der Armutsbekämpfung“, bekräftigte IWF-Chefin Kristalina Georgieva am Samstag nach einem Treffen mit Guzmán am Rande des G20-Meetings in Saudi-Arabien. In welchen Dimensionen sich der vom Fonds befürwortete Schuldenschnitt bewegen könnte, ist jedoch völlig offen. Fragen nach konkreten Zahlen beantwortete Guzmán bisher stets mit kryptisch-akademischen Antworten.

Den Testballon für einen solchen Schuldenschnitt startete vor zwei Wochen die Provinz Buenos Aires. Provinzgouverneur Axel Kicillof machte Gläubigern seiner Provinz ein Umschuldungsangebot, das eine drastische Kürzung vorsah. Doch der frühere Wirtschaftsminister von Ex-Präsidentin Cristina Kirchner scheiterte grandios und tilgte schließlich die ganze fällige Summe. Für die dafür benötigten Gelder verschob er nur Tage später eine bereits vereinbarte Anhebung der Gehälter der Lehrkräfte der Provinz. Zähneknirschend akzeptierten es die mächtigen Lehrkräftegewerkschaften.

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5 Kommentare

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  • Das zeigt mal wieder, die konservativen können nicht mit Geld umgehen. Herr Macri hat das Land in kürzester Zeit abgewirtschaftet.

  • Der IWF-Kredit ist der Hauptgrund für die totale Überschuldung. Er wurde der rechten Vorgängerregierung ja nur gegeben, damit sie



    a) nicht im Wahlkampf mit Kürzungen belastet war, und



    b) die Folgeregierung keinerlei wirtschaftlichen Spielraum hat, um potentielle soziale Ziele auch umzusetzen.



    Es ist ganz billiger Finanzkolonialismus mit einheimische Helfern...

  • Am vergangenen Samstag hat Ulrike Herrmann in dieser Zeitung auf die "Griechenlandkrise" zurückgeschaut.



    Damals hätte man einfach das fehlende Geld drucken sollen und alles wäre gut gewesen, war ihr Fazit.



    Argentinien zeigt, dass die Lösung nicht so einfach ist.

    • @Abid Kidoh:

      Tja, bei Krediten in US-Dollar geht das Drucken für Argentinien nicht so einfach :-)



      Genau wie Griechenland keine Euros drucken konnte.



      Ist halt sehr ungünstig, sich nicht in der eigenen Währung zu verschulden...