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Ein Brechmittel-Tod wird aufgearbeitet

Vor dem Landgericht Bremen muss sich seit gestern der Polizeiarzt verantworten, dank dessen „Exkorporation“ 2005 ein afrikanischer Dealer zu Tode kam. Verteidiger sieht den Angeklagten als Opfer der „damaligen Rechtsauffassung“

Igor V. schweigt. Ungerührt verfolgt der einstige bremische Polizeiarzt den Prozess gegen ihn. Am 27. Dezember 2004 hatte er einem afrikanischen Kleindealer in Polizeigewahrsam so lange zwangsweise Brechmittel und Wasser eingeflößt, bis Laya Condé ins Koma fiel – und wenige Tage später verstarb. Seit gestern muss V. sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Bremen verantworten.

Er bedauere den Vorfall zutiefst, lässt der 44-Jährige, ein gebürtiger Kasache, über seinen Anwalt Erich Joester ausrichten. Und dass der Todesfall „tiefe Spuren“ bei ihm hinterlassen habe – welche, das wollte er nicht sagen. Vor Gericht schildert Joester seinen Mandaten in pathetischen Worten als Opfer dessen, „was Bremer Juristen geschaffen haben“. Was diese als „Exkorporation“ bezeichnen, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte später als unzulässig verworfen.

Dass Condé an jenem zweiten Weihnachtsfeiertag kurz nach Mitternacht überhaupt aufgegriffen wurde, ist eher ein Zufall. Die Polizei war sowieso da, wollte „einfach nur mal gucken“. Und irgendwie habe der Mann aus Sierra Leone – bis dahin weder strafrechtlich noch als Dealer in Erscheinung getreten – „verdächtig geschluckt“. Also haben die Polizisten den Brechmitteleinsatz angeordnet und V. herbeigerufen, nicht aber einen Dolmetscher, einen Richter oder einen Staatsanwalt. Gefahr schien ihnen „im Verzug“. Erfahrungen mit zwangsweiser Brechmittelvergabe hatten sie nicht.

Mit einem späteren „Ableben“ des Herrn Condé habe er „zu keinem Zeitpunkt gerechnet“, sagt Polizeioberkommissar K. im Prozess. Zwar sei der 35-Jährige, dem Schaum aus Mund und Nase lief, „irgendwann nicht mehr ansprechbar“ gewesen. Zwar versagte das Gerät, dass den Sauerstoffgehalt im Blut misst, seinen Dienst. „Doch wir haben nie das Gefühl gehabt, dass die Situation lebensbedrohlich war.“ Stattdessen wird Condé immer wieder als einer beschrieben, der „sehr friedlich“ gewesen sei, sich „nicht gewehrt“ und die Sache über sich ergehen lassen habe. An Armen und Beinen mit Kabelbinder fixiert war er trotzdem. Er wollte das Brechmittel nicht nehmen, biss die Zähne zusammen, versuchte, erbrochenes wieder zu schlucken – um zu verhindern, dass Kokain zu Tage tritt.

Und irgendwann, als Condé bereits mehrfach, ja: auch Kokainportionen erbrochen hatte, da habe sich „sein Vitalzustand rapide verschlechtert“, heißt es seitens der Polizei. Ein Notarzt mit funktionierendem Gerät wurde herbei gerufen. Doch auch der hatte nichts dagegen einzuwenden, die Exkorporation fortzusetzen. Wenig später musste Condé offenbar bereits reanimiert werden: Er war, mit Wasser in der Lunge, ins Koma gefallen.

Auch gegen den Notarzt wurde später ermittelt, das Verfahren jedoch eingestellt. Condés Mutter, zugleich Nebenklägerin, bekam unterdessen 10.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. V. drohen im Falle einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft. MNZ

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