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Starkregen in SpanienZahl der Toten nach Sturzfluten steigt

In Teilen Spaniens herrscht durch extremen Regen Chaos. Mehr als 100 Menschen kamen ums Leben. In der Kritik steht vor allem die Regionalregierung.

Mit Schwung gegen die Zerstörung: An­woh­ne­r:in­nen in Valencia, Spanien Foto: Alberto Saiz/ap

Madrid taz | Die Such- und Aufräumarbeiten im Überschwemmungsgebiet in der spanischen Mittelmeerregion Valencia und in den anliegenden Provinzen in Castilla- La Mancha gehen weiter. Das Innenministerium vermeldete am Donnerstagmorgen 104 Todesopfer durch die starken Regenfälle von Dienstag auf Mittwoch. Dutzende Menschen sind noch immer verschwunden. Es ist damit die größte Naturkatastrophe, die Spanien je erlebt hat.

Zwar haben die Rettungsmannschaften aus lokalen und regionalen Feuerwehreinheiten, der lokalen und nationalen Polizei sowie der paramilitärischen Guardia Civil und der Armee mittlerweile alle betroffenen Orte erreicht. Doch derzeit ist noch nicht klar, wie viele weitere Opfer sich in den von den Wassermassen mitgerissenen Fahrzeugen und unter den Schlammmassen befinden. Bei dem Unwetter fiel in nur wenigen Stunden die Regenmenge eines ganzen Jahres.

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez, der sich zum Zeitpunkt des Unwetters zu einem offiziellen Besuch in Indien befand, traf am Donnerstagmittag in Valencia ein. Er mahnte die Bevölkerung: „Das Unwetter ist nicht vorbei, bleiben Sie zu Hause und hören Sie auf die Warnungen.“

Bereits vor seiner Anreise in die betroffene Region hatte Sánchez „alle nur möglichen Mittel, solange wie nötig“, versprochen. Die Zentralregierung hat bisher 1.100 Angehörige der Notfalleinheit der spanischen Armee (UME), 2.250 Polizisten, 200 Soldaten der Armee sowie 335 Fahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge entsandt.

Präsident Sánchez will vor Ort sein

Sánchez wollte sich gemeinsam mit dem regionalen Regierungschef Carlos Mazón, der sich bereits 24 Stunden nach dem Unwetter schwerer Kritik ausgesetzt sah, ein Bild von der Lage machen. Die Regionalregierung in Valencia unter Mazón warnte die Bewohner der betroffenen Regionen viel zu spät. Das Wetteramt hatte bereits am frühen Morgen große Teile der Region Valencia wegen zu erwartendem Starkregen auf Alarmstufe Rot gesetzt. Bis die Regionalregierung eine Warnung auf die Handys der Bewohner schickte, vergingen allerdings je nach Gebiet 7 bis 12 Stunden. Vielerorts regnete es zu dem Zeitpunkt bereits ungewöhnlich stark. So mancher war schon eingeschlossen, als das Handy schrillte.

Viele Menschen wurden auf der Straße zu Fuß oder in ihren Fahrzeugen von den schnell anwachsenden Wassermassen überrascht. Der konservative Mazón, der seit vergangenem Sommer dank der Unterstützung der rechtsextremen Vox regiert, hatte – als eine seiner ersten Amtshandlungen – im vergangenen November die valencianische Notfalleinheit aufgelöst, die sein sozialdemokratischer Amtsvorgänger ins Leben gerufen hatte. Sie sollte im Fall von Katastrophen, wie Waldbränden oder Überschwemmungen, alle Behörden und Rettungskräfte koordinieren. „Unnötige Ausgaben“ seien das, ein „leerer Organismus“, „unnütz“, lautete Mazóns Begründung.

Die Regional­regierung warnte die Bewohner der Regionen viel zu spät

Nun rächte sich das. Denn die Umsetzung der Warnungen des Wetteramtes sowie die Koordinierung der Einsatzkräfte bei Notfällen ist Ländersache, liegt also in Mazóns Verantwortung. Im konkreten Fall wurde die Koordinierung erst unter dem Krisenstab im weit entfernten Madrid effektiv. Der späte regionale Alarm hatte ganz konkrete Folgen. Die Unternehmer in den betroffenen Regionen bestanden darauf, dass ihre Arbeiter trotz der Starkregenwarnung zur Arbeit erschienen. Viele kamen dort nie an oder kehrten nicht nach Hause zurück. Sie verstarben in ihren Fahrzeugen. Die größte Gewerkschaft des Landes, CCOO, fordert daher rechtliche Schritte seitens der zuständigen Behörden.

Derweil kann das Wetteramt noch keine Entwarnung geben. Mittwoch auf Donnerstag fiel ungewöhnlich starker Regen im Süden des Landes rund um die Städte Cádiz und Jerez. Auch dort kam es zu Überschwemmungen. Und für Donnerstag und für Freitag wurden unterschiedliche Alarmstufen für die Regionen nördlich von Valencia – Teile von Aragón sowie Katalonien – und auch für West- und Südwestspanien ausgerufen.

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6 Kommentare

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  • Die (geographische) Naturgefahrenforschung Forschung und (Teil-)Disziplin Politische Ökologie spricht schon lange von 'Naturereignissen und Sozialkatastrophen" (Felgentreff et al.), wonach die politische Dimension beim Umgang mit Risiken einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am Ausmaß einer Katastrophe hat. Ich würde mir auch in der TAZ wünschen, dass eben jene Unterscheidung in Text, #hashtag etc konsequent angewandt wird.

  • taz: *Bei dem Unwetter fiel in nur wenigen Stunden die Regenmenge eines ganzen Jahres.*

    Der Klimawandel wird trotzdem 'nach wie vor' nicht ernst genommen. Und in ein paar Wochen kann sich ohnehin keiner mehr an die Sturzfluten in Spanien erinnern. So ist nun einmal der mit schlechten Nachrichten übersättigte Bürger. Außerdem glaubt der Bürger, wenn man den Klimawandel immer schön ausblendet und nicht wahrhaben will, dann verschwindet er sicherlich ganz von selbst.

    Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet für die Zukunft mit mehr Stürmen, extremen Regenfällen und Hitzewellen aufgrund der Klimaerwärmung - also mehr extremen Wetterlagen. Dass es bei uns in Deutschland auch zu immer mehr Starkregen kommen wird, weil die warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, sollte man allerdings auch ohne Physikstudium wissen. Man möchte aber wohl lieber weiterhin den Klimawandel mit 'den Kopf in den Sand stecken' bekämpfen.

    • @Ricky-13:

      Ich gebe nicht auf. Gerade die von Ihnen zitierte Formulierung, mit der "Jahresmenge Regen in Stunden", ist sehr anschaulich und dringt vielleicht durch. Das können sich alle vorstellen, oder eben auch nicht. Es ist unvorstellbar VIEL. Gibt der Wetterbericht statt dessen die Menge in Litern oder gar Millimetern an - Ein Liter auf den Quadratmeter ist ein Millimeter Höhe! - klingt das harmlos. Clickbait in Tageszeitungen führt ebenfalls dazu, dass Leute Wetterwarnungen nicht ernst nehmen. Kein Tag vergeht ohne eine dramatische Ankündigung von "Kältehammer" oder ähnlichem. Aber diese Katastrophe wird zumindest ein paar Wochen im Gedächtnis bleiben. Vielleicht reicht das. Jede Person, die vom Glauben an das unbegrenzte Wachstum abfällt, jedes T-Shirt, das nicht gekauft wird, jeder junge Mensch, der keinen Führerschein macht, sind ein Gewinn.

      • @Patricia Winter:

        Da man ja immer noch nichts gegen den Klimawandel macht (die Menschheit hat sich vom klimaschädlichen Wirtschaftswachstum total abhängig gemacht), wird es von Jahr zu Jahr natürlich schlimmer werden. "Starkregen und Überflutungen hat es schon immer gegeben", sagen die Meteorologen, "aber nicht in dieser Häufigkeit". In einigen Ländern verdursten die Bäume oder ganze Wälder fackeln ab und in anderen Ländern sammelt sich das Wasser und überschwemmt alles. Trotzdem verteidigt der Mensch sein törichtes 'Tun und Handeln' weiter und will von seinem Konsumwahn nicht ablassen, denn er glaubt immer noch seinen gewählten Volksvertretern, die ihm erzählen, dass man den Klimawandel sogar mit noch mehr klimaschädliches Wirtschaftswachstum irgendwann in den Griff bekommt. Wie soll Klimaschutz mit noch mehr klimaschädlichem Wirtschaftswachstum eigentlich funktionieren? Übrigens kann die Wirtschaft nicht ewig wachsen, wie alles andere ja auch nicht ewig wachsen kann. Das ist einfache Logik, die aber viele Menschen nicht verstehen. Die Leute wollen es aber wohl auch gar nicht verstehen, weil sie dann nämlich an ihrem klimaschädlichen Lebensstil etwas ändern müssten.

  • „Am liebsten zeigen Medien nach Katastrophen umgestürzte oder abgesoffene Autos. Genauer schauen sie oft nicht hin. Kaputte Autos beeindrucken Deutsche am allermeisten.“ Jutta Ditfurth

  • Erinnert doch irgendwie an das Ahrtal. Auch hier wurden Warnungen verzögert weitergegeben, die Warnsysteme versagten dort wo zuerst der Strom ausfiel und es gibt ungeeignete Warn- und Unterstützungsstrukturen.



    Das wäre mal eine Idee in den Bereichen Katastrophenschutz und allgemein der Klimafolgenbewältigung weltweit die besten Konzepte zu erkunden und dann regional angepasst umzusetzen.