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Jaywalking in New York nun legalGrün heißt gehen, rot auch

Kommentar von Martin Mühl

Das Überqueren einer Straße an nicht dafür vorgesehenen Stellen oder an einer roten Ampel wurde in New York legalisiert. Mehr dieser fußgängerfreundlichen Gesetze!

Bei grün darfst du gehen, bei rot musst du stehen … aber nicht unbedingt Foto: Dirk von Mallinckrodt/picture alliance

N icht nur in Berlin, sondern auch in New York gilt das Mantra: „Bei Grün gehen nur die, die es bei Rot nicht mehr geschafft haben.“ Nun hat die US-Metropole Jaywalking, wie es dort heißt, entkriminalisiert. Sofern die Verkehrslage es zulässt, dürfen Fuß­gän­ge­r*in­nen Straßen überqueren, wo sie wollen, auch wenn dort weder Ampel noch Zebrastreifen den Verkehr regeln. Da die meisten New Yor­ke­r*in­nen sich schon vor der Entkriminalisierung wenig um offizielle Fußgängerüberwege geschert haben, wird die neue Gesetzgebung im Alltag der Menschen wenig ändern.

Während die Republikaner im Stadtrat im Gesetz einen Hass auf Au­to­fah­re­r*in­nen sehen, befürworten die Demokraten das Gesetz als Antidiskriminierungsmaßnahme. Zuletzt gingen nämlich 90 Prozent der für Jaywalking ausgestellten Strafzettel an Schwarze oder Latinos.

Obwohl die Gesetzgebung ein wichtiger Schritt für Fuß­gän­ge­r*in­nenrechte im Straßenverkehr ist, wird der nach Abgasen stinkende Kern des Problems nicht angegangen. Denn nach wie vor haben Autos auf den Straßen Vorrang vor Fuß­gän­ge­r*in­nen. Deshalb wird es endlich Zeit, die Verkehrspolitik auf die Füße zu stellen.

Fußgänger versus E-Scooter

Wer die Rechte von Fuß­gän­ge­r*in­nen stärken möchte, muss viel früher beginnen, nämlich bei der Infrastruktur. Seit den 60er Jahren werden auch in Deutschland Städte und öffentliche Infrastrukturen vor allem nach den Bedürfnisse von Au­to­fah­re­r*in­nen geplant und gebaut. Andere Ver­kehrs­teil­neh­me­r*in­nen müssen sich um den verbleibenden Raum streiten, was dazu führt, dass dere Interessen fieserweise gegeneinander ausgespielt werden: die zu Fuß gegen E-Scooter etwa.

Die auf Autos zugeschnittene Verkehrsplanung, die es in fast allen westlichen Ländern gibt, wird in der Wissenschaft als Moto- oder Autonormativität bezeichnet. Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, dass Autos Vorrang haben, dass viele ihrer Zumutungen als selbstverständlich angesehen werden.

Insbesondere in Großstädten ist öffentlicher Raum ein knappes Gut. Trotzdem nehmen Parkplätze einen enormen Teil der zur Verfügung stehenden Fläche ein. Diese Flächen können von Fußgänger*innen, Rad­fah­re­r*in­nen oder dem öffentlichen Nahverkehr viel effizienter genutzt werden.

Auch dass Kinder an vielen Orten nicht allein per pedes in den Kindergarten oder zur Schule trauen, weil einige Kreuzungen zu gefährlich sind, wird vielerorts als normal angesehen und nicht weiter hinterfragt.

Autoabgase und Lärm

Auf zahlreichen Straßen sind Rad­fah­re­r*in­nen auf die Fahrbahn angewiesen und sehen sich dort oft von Autos bedrängt, die den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern missachten, wenn sie überholen – im Übrigen nicht selten begleitet von einem dummen Spruch aus dem vorbeidüsenden Autofenster.

Und wer zu Fuß eine große Kreuzung überqueren will, muss oft minutenlang warten, um dann, sobald die Ampel grün wird, zur Mittelinsel zu spurten, um dort von allen Seiten Autoabgase einzuatmen und von Lärm beschallt zu werden, bis man auf die andere Straßenseite flüchten kann.

Nicht nur sollte Jaywalking weltweit legalisiert werden – braucht eine umfassende Fußgänger*innen-Revolution! Für kurze innerstädtische Wege sind die eigenen Füße oft nicht nur das schnellste und unkomplizierteste, sondern auch das demokratischste Verkehrsmittel. Auch wer sich kein Auto, keinen Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr und kein Fahrrad leisten kann, ist auf eigenen Sohlen mobil.

Klima- und kinderfreundlich

Es gibt bereits erste Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wie Kiezblocks oder Tempo 30 auf Hauptstraßen, die in einigen Städten erprobt sind und die Lebensqualität der An­woh­ne­r*in­nen nachweislich deutlich steigern.

Es ist jedoch wichtig, dass nicht nur Schilder aufgestellt, sondern auch bauliche Maßnahmen getroffen werden, die den verkehrspolitischen Zielen Ausdruck verleihen. Ampelschaltungen an vielbefahrenen Kreuzungen können so verändert werden, dass sich die Grünphasen für Fuß­gän­ge­r*in­nen verlängern und Mittelinseln obsolet werden. An weniger befahrenen Straßen sollten Kreuzungen so umgebaut werden, dass durchgehende Bürgersteige entstehen und der Fußverkehr Vorrang erhält.

All diese Forderungen sind keineswegs neu; sie basieren auf Ideen, die in zahlreichen Städten bereits in ähnlicher Form umgesetzt werden. Um Städte lebenswert, sauber sowie klima- und kinderfreundlich zu gestalten, bedarf es vor allem einer verstärkten Umsetzung dieser Ideen. Wenn das passiert, kann Jaywalking als Konzept vielleicht bald der Vergangenheit angehören.

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