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Schweres UnwetterZahlreiche Tote nach Sturzfluten in Spanien

In Regionen Spaniens herrscht durch extremen Regen Chaos. Mehr als 70 Menschen kamen ums Leben. Tiefdruckgebiete dieser Art wurden zuletzt immer größer.

Valencia am Mittwoch Foto: Alberto Saiz/ap/dpa

Madrid taz | Flüsse traten über, Straßen verwandelten sich in reißende Ströme. Viele Regionen in Spanien wurden von starkem Regen und Überschwemmungen heimgesucht. Das Wasser riss alles mit, was es auf seinem Weg fand. Ganze Dörfer wurden überschwemmt. Teilweise steht das Wasser bis zum ersten Stock.

Bereits am Montag hatte die Regenfront weiter im Süden, in den Provinzen Málaga, Murcia und Almeria, schwere Schäden angerichtet. Dort kam zum Regen der Hagel. Golfballgroße Körner und starke Stürme zerstörten rund um El Ejido Folienzelte, in denen Gemüse für den Export nach Europa angebaut wird. Auch über Mallorca und die anderen Balearen-Inseln war die Regenfront bereits am Montag gezogen.

Am heutigen Mittwoch wird nach Wettervorhersage die Regenfront ins Landesinnere und den Nordosten Spaniens weiterziehen. Neun Provinzen befinden sich noch im Alarmstufe Orange, Alarmstufe Rot herrscht allerdings in keiner Region mehr. Für Donnerstag wird erwartet, dass sich die Lage entspannt.

Die Zahl der Todesopfer wird wohl weiterhin steigen. Waren es am Mittwochmorgen um 9 Uhr noch 13, vermeldete das Innenministerium bereits 70 Tote. Die Rettungskräfte, darunter die Notfalleinheit der spanischen Armee, rechnen damit, in den kommenden Stunden weitere zu finden. Derzeit werden in mehren Dörfern und Städten dutzende Menschen vermisst.

Zugverkehr kaum möglich, viele Straßen unbefahrbar

„Die Einsatzkräfte sind noch nicht überallhin vorgedrungen“, erklärte Spaniens Verteidigungsministerin María Margarita Robles Fernández gegenüber dem staatlichen Fernsehen TVE vor der Fragestunde im Parlament, die mit einer Schweigeminute begann.

Der Regen überraschte viele bei der Arbeit oder auf dem Nachhauseweg. Die Lage war am Mittwochvormittag weiterhin völlig unübersichtlich. In einigen Gebieten waren Anwohner in ihren Häusern eingeschlossen. Anderswo warten verzweifelte Menschen auf Hausdächern, Tankstellen und Lkws auf Hilfe. Andere retteten sich auf Brücken. So mancher wusste sich nicht anders zu helfen, als über die sozialen Netzwerke auf sich aufmerksam zu machen.

In mindestens einem Dorf im Landesinneren, in Mira, musste ein Altersheim evakuiert werden. Die Schulen bleiben in den vom Regen betroffenen Region bis auf Weiteres geschlossen.

Der Zugverkehr musste in weiten Teilen Ost-, Süd- und Zentralspaniens eingestellt werden. Viele Straßen und Autobahnabschnitte sind unbefahrbar. Überall kommt es zu langen Staus. Das Verkehrsamt ruft dazu auf, zu Hause zu bleiben. Davon betroffen sind acht Provinzen. Auch der Flugverkehr in Valencia, Málaga, Madrid und Barcelona ist beeinträchtigt.

Betroffene sprechen gegenüber der Presse von „Weltuntergang“ und „Apokalypse“. Starke Regenfronten dieser Art heißen in Spanien DANA. Das ist die Abkürzung „Isoliertes Tiefdruckgebiet in hohen Schichten der Atmosphäre“ auf Spanisch. Diese Tiefdruckgebiete trennen sich vollständig von den allgemeinen Luftströmungen und wüten so stunden- oder gar tagelang über der gleichen Region.

Klimakrise verschärft Starkregen

Eigentlich waren dies immer sehr lokale Vorfälle. Doch in den letzten Jahren werden diese DANA immer größer. Schuld daran ist Wetterexperten zufolge oft der Klimawandel. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Kühlt sie schlagartig ab, regnet es um so stärker.

Die ersten politischen Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Der Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón von der konservativen Partido Popular, wird von Teilen der Presse und von Umweltschutzorganisationen scharf kritisiert. Kaum an der Regierung, beschloss Mazón, der in einer Koalition mit der rechtsextremen VOX regiert, im vergangenen November, die der Regionalregierung unterstellte Valencianische Notfalleinheit aufzulösen.

Sein sozialdemokratischer Amtsvorgänger hatte sie ins Leben gerufen. Die Gruppe sollte die Reaktion auf Naturkatastrophen wie Waldbrände oder Überschwemmungen und die Koordinierung der lokalen, regionalen und staatlichen Einsatzkräfte in der Region verbessern.

Mazón löste diese Einheit mit der Begründung auf, sie bringe „unnötige Kosten“ mit sich. „Es war nur eine weitere fiktive Organisation“, verteidigte die Rechts-rechts-Regionalregierung diese Entscheidung einmal mehr gegenüber der Presse. Mazóns Koalitionspartner VOX leugnet den Klimawandel.

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4 Kommentare

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  • Es handelt sich dabei um eine Wettererscheinung, die regelmäßig im Herbst auftritt bzw. auftreten kann und ist reine Meteorologie. Genauso regelmäßig sind die Menschen davon überrascht.

  • Moin erstmal.

    Warum wundern sich die Leute überhaupt?



    Wer Rechte an die Regierung wählt braucht sich nicht wundern wenn Rechte eben rechte Sachen machen.



    Das Blöde ist nur das die Leute nicht lernen wollen.

    Trotzdem tun mir die betroffenen Menschen erstmal leid. diese brauchen erstmal jede Unterstützung die sie bekommen können.

  • Hoffentlich weckt die Überschwemmung ein Verstehen der Klimakatastrophe und Kooperation bei künftigen Entscheidungen.

  • So genau geht Klimawandel und viele wollen es immer noch nicht wahr haben. Italien, Balkan, Frankreich und jetzt Spanien. Mit physikalischen Prozessen läßt sich nicht verhandeln, sie lassen sich nicht wegleugnen oder schön reden. Sie werden irgendwann und wo in Gang gesetzt und dann laufen sie und sie können verherrend sein. Schade, dass die Vollpfosten von der AFD derzeit davon nicht betroffen sind, so wie auch BSW, CDU/CSU und wer sonst noch die Klimaproblematik runterrechnet. Ach - die FDP mit Lindner natürlich auch noch. Aber je weiter die Klimaproblematik voran schreitet, um so mehr bekommen auch wir hier davon ab. Wird wirklich Zeit, dass wir zur Besinnung kommen und uns Konzepte überlegen wie es weiter gehen kann, wie wir überleben wollen.