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Lage im LibanonIsrael attackiert Bankgebäude der Hisbollah

Das israelische Militär hat im Libanon mehrere Bankfilialen bombardiert. Sie haben Verbindungen zur Hisbollah, gelten aber als zivile Einrichtungen.

Einer zerstörte Filiale des Qard al-Hassan in Beirut, Montag, 21. Oktober 2024 Foto: Hussein Malla/ap

Beirut taz | „Nichts außer Schäden“, beschreibt Ali, ein Anwohner in Südbeirut, was er am Morgen nach israelischen Luftangriffen in seiner Nachbarschaft sieht. Ein angegriffenes Bankgebäude sei komplett zerstört und benachbarte Gebäude beschädigt, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. In Südbeirut, im Osten und Süden des Landes gab es in der Nacht auf Montag libanesischen Medien zufolge Dutzende israelische Luftangriffe, einige davon in der Nähe des Flughafens.

Die israelische Armee griff nach eigenen Angaben Gebäude der Qard al-Hasan an, eine Art Banksystem der Hisbollah, mit 31 Filialen und Geldautomaten. Qard al-Hasan ist ein islamisches Konzept, Geld ohne Zinsen zu verleihen. Die gleichnamige Organisation im Libanon wurde 1983 gegründet und vom Iran finanziell unterstützt, seit 1987 ist sie als NGO registriert. Heute finanziert sich die Organisation überwiegend durch die schiitische Gemeinschaft des Libanon und ist Teil der zivilen Organisationen der Hisbollah.

Durch die Registrierung als Wohltätigkeitsorganisation fällt Qard al-Hasan vollständig aus dem Bankensystem und untersteht nicht der Kontrolle der libanesischen Zentralbank. Sie kann die internationalen Vorschriften zum Verbot der Geldwäsche und der Terrorfinanzierung umgehen. Deshalb steht sie auf den Anti-Terror-Listen der USA. Ihre Banken bieten Mikrokredite gegen niedrige Garantien, wie eine Hypothek auf Goldschmuck. An ihren Geldautomaten können Angestellte der Hisbollah ihr Gehalt abheben.

Im Dezember 2020 veröffentlichte eine anonyme Hackergruppe Dokumente der Banken mit Kontodaten von fast 400.000 Kunden – libanesische Bürger, aber auch Hisbollah-Funktionäre und iranische Einrichtungen. Darunter waren Anleger*innen, denen Steuerhinterziehung oder Geldwäsche vorgeworfen wurde. Bekannte Banken im Libanon sollen den Leaks zufolge ebenfalls mit Qard al-Hasan zusammengearbeitet haben.

Israel gab Evakuierungsbefehle heraus

Am Sonntagabend hatte das israelische Militär angekündigt, Büros und Institutionen der Hisbollah anzugreifen, insbesondere Filialen von Qard al-Hasan und möglicherweise andere zivile Einrichtungen, da sie angeblich „zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten“ genutzt werden. Innerhalb einer halben Stunde gab ein israelischer Armeesprecher 15 Evakuierungsbefehle heraus.

Amnesty International hat festgestellt, dass die Befehle häufig ungenau sind, oft nachts und nur online über die Plattform X verbreitet werden. Sie reichen nicht aus, um die Menschen vor einer Bombardierung zu warnen. Außerdem verbreiten sie Angst und Terror. Die Menschen bleiben nachts wach, um den Online-Kanal zu prüfen und zu sehen, ob sie fliehen müssen, oder ihre Wohnung bald nicht mehr steht.

„Die Angriffe zielen nicht auf die Finanzen der Hisbollah oder die Finanzierung durch den Iran, sondern auf die wirtschaftliche Lebensader von mehr als 300.000 Libanesen“, schrieb die Analystin Amal Saad auf X. Sie lehrt an der Universität Cardiff und hat viele Interviews mit Hisbollah-Funktionären geführt.

Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2019 haben die Menschen ihr Erspartes verloren. Banken zahlten Einlagen nicht aus, durch die Inflation verlor die lokale Währung rund 90 Prozent an Wert. Durch den Zusammenbruch des Bankensystems sei Qard al-Hasan unverzichtbar geworden, um Schulgebühren zu bezahlen, kleine Unternehmen zu finanzieren oder Solaranlagen zu installieren, sagt Saad.

Weitere israelische Angriffe

Die Angriffe seien eine Strategie Israels, „die ohnehin gefährdete und größtenteils vertriebene schiitische Gemeinschaft des Libanon weiter zu verarmen“. Die Bank bediene zudem alle religiösen Gemeinschaften. In Hadath, in Südbeirut, seien 30 bis 40 Prozent der Kun­d*in­nen christlich, in Sidon seien die meisten Nicht-Schiiten. Auch am Montag griffen israelische Kampfflugzeuge weiter Häuser im Libanon an.

Im Osten des Landes wurden zehn Orte bombardiert, berichtet die Zeitung L’Orient-Le Jour. In der Nähe der Stadt Saida wurde ein Café getroffen, drei wurden Zi­vi­lis­t*in­nen getötet und mindestens sieben verwundet. Israelische Bodentruppen führten ihre Invasion fort und rückten mit Panzern in das Grenzdorf Aita al-Shaab vor. Durch israelische Angriffe wurden seit Oktober 2023 libanesischen Behörden zufolge über 2.400 Menschen getötet.

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17 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation
  • Wenn es sich bei der Bank um eine Organisation der Hisbollah handelt, dann kann man diese kaum als zivile Einrichtung bezeichnen. Die Zerstörung einer Schattenbank einer Terrororganisation zwecks Zerstörung der Finanzstruktur halte ich nicht für verwerflich.

  • Eindeutige Kriegsverbrechen Israels. Das Netanjahu-Regime führt systematisch Krieg gegen Zivilisten. Das ist blanker Terror. Israel muss bestraft werden. Sanktionen sind unumgänglich.

  • Der Artikel eiert um den Begriff "Kriegsverbrechen" drumherum, wobei man mal die Frage stellen sollte, wer eigentlich beabsichtigt diesen Wahnsinn zu stoppen? Der Krieg heiligt nicht alle Mittel.

    • @Moritz Pierwoss:

      Ich würde mir wünschen, dass hier öfter mal zumindest erwähnt wird was internationales Recht dazu sagt. Es gibt ja auch hier in Deutschland sicher eine Menge Professoren oder Rechtsexperten zum Thema humanitäres Völkerrecht, Kriegsrecht etc. die man mal befragen könnte ob Angriffe auf diese Banken rechtlich ok sind. Ich denke nicht.



      Eine Einstufung einer Orgaisation/ Gruppe als Terrororganisation durch ein anderes Land bedeutet nach internationalem Recht nicht automatisch, dass alle Mitglieder dieser Organisation getötet und dessen Strukturen zerstört werden dürfen. Soweit mir bekannt ist dürfen nur militärische Strukturen zerstört und Menschen getötet werden, die direkt an Kampfhandlungen beteiligt sind.



      Ja die USA haben die Bank auf die Terror Watch List gesetzt und haben das getan, was in dem Fall erlaubt ist, nämlich Sanktionen verhängt. Das kann man sowohl gegen die Bank machen als auch gegen Firmen/ Personen die mit ihr zusammen arbeiten. Eine Bombadierung der Filialen ist da denke ich nicht erlaubt, außer jemand kann ein entsprechendes Gesetz benennen.

      • @Momo Bar:

        Terrorismus ist im Völkerrecht nicht geregelt. Rechtlich gibt es auch keine Regelung für die Bekämpfung von internationalen Terrorismus. Das Dilemma der USA 2001 war genau dieser Natur. Die Zerstörung der terroristischen Strukturen in zwei souveränen Staaten (Irak und Iran). Die USA haben deshalb vor der Uno mit dem Recht auf Selbstverteidigung in einem asymetrischen Krieg argumentiert. Und deshalb auch den Nato Bündnisfall gemäß Artikel 5 ausgerufen. Das Recht auf Selbstverteidigung ist wiederum im Völkerrecht geregelt.

        Es gilt aber im humanitären Völkerrecht grundsätzlich folgendes:

        Zivile Objekte können zu einem legitimen militärischen Ziel werden, wenn diese Einrichtungen zu spezifischen Militäroperationen des Feindes beitragen und wenn ihre Zerstörung einen deutlichen militärischen Vorteil für die Angreifer darstellt.

        Da die Bank im Besitz des militärischen Gegners ist und nicht Stellvertreter, stellt sie ein legitimes militärisches Ziel dar um den Gegner zu schwächen. In diesem Falle den Geldfluss zu unterbinden.

    • @Moritz Pierwoss:

      Nein, der Krieg heiligt nicht alle Mittel. Zivile Einrichtungen, die kriegsunterstützend wirken, sind aber legitime Ziele. Das ist vergleichbar zu den ukrainischen Angriffen auf russische Raffinerien.

      • @Peter Danziger:

        Laut humanitärem Völkerrecht: "Under international humanitarian law, objects that contribute economically or financially to the war effort of a party to a conflict may not be lawfully made the target of attack on that basis alone as they do not fulfil the definition of a military objective." romena.ohchr.org/en/node/388

        • @Momo Bar:

          Hm… nur dass in diesem Fall das Ziel doch die Definition eines military objective zu erfüllen scheint. Das Ziel soll ja sein, die Möglichkeit zur Bezahlung von Waffen und Sold zu zerstören – das geht in der Praxis eigentlich nur, wenn man das Geld selbst vernichtet.

          “AQAH is a cash-based organization. The cash will be trash”



          apnews.com/article...d53a25dc50f16796bc

          Es ist offensichtlich, dass aus der Zerstörung der gegnerischen Ressource Bargeld welches zum Kauf von Waffen verwendet werden könnte, ein militärischer Vorteil entsteht, womit die Definition erfüllt sein dürfte.

      • @Peter Danziger:

        "Zivile Einrichtungen, die kriegsunterstützend wirken, sind aber legitime Ziele."



        Weil Soldaten Wasser und Panzer Kühlwasser brauchen, darf man Wasserwerke angreifen? Weil Krankenhäuser auch Soldaten behandeln, darf man sie angreifen?



        So einfach will ich ihre Aussage nicht stehen lassen.



        Auch die Banken dienten wohl zum größten Teile dem Volk.

        • @Rudi Hamm:

          Man muss differenzieren. Wasser und Lebensmittel sind für Zivilisten überlebenswichtig, eine Zerstörung derselben kann durch milit. Nutzen kaum gerechtfertigt werden. Krankenhäuser und kampfunfähig verletzte Soldaten genießen auch Schutz.



          Bei anderen dual-use Dingen kann es ganz anders sein. Z.B. eine Fabrik, deren Produkte sowohl in Waffen als auch Haushaltsmaschinen verbaut werden: letzteres sind zwar zivile Güter und dienen dem Allgemeinwohl, sind aber nicht überlebenswichtig.



          Diese „Banken“ (lt. Artikel als „Wohltätigkeitsorganisation“ registriert, der Bankenaufsicht entzogen und wegen Terrorfinanzierung auf Sanktionsliste“) sind zumindest auch nicht unmittelbar überlebenswichtig. In wie weit sie dem „Wohle des Volkes“ dienten? Zur Beurteilung bräuchte man Informationen wer alles und zu welchem Zweck sie benutzt und wer Zugriff auf die Einlagen hat. Kann sich Hisbollah an den Einlagen bedienen um Kriegsbemühungen zu finanzieren? Diese Information hat Qard al-Hasan, und evtl. noch Geheimdienste. Wir nicht. Amal Saad wohl auch nicht. Und wenn ihre Angaben auf Infos von Hisbollah-Funktionären / Qard Al-Hasan beruhen, darf man getrost skeptisch sein.

    • @Moritz Pierwoss:

      Die Hisbollah kann diesen Wahnsinn sehr leicht stoppen, einfach die Angriffe auf Israel einstellen, die verantwortlichen Kommandeure an Israel oder die libanesische Behörden zur Aburteilung ausliefern, die Waffen an Unifill abgeben. So einfach.

      • @OldFrank:

        Nasrallah hat man umgebracht, obwohl dieser zum Waffenstillstand zugestimmt hatte. Israel hat bereits Bedingungen genannt, volle Handlungsfreiheit im libanesischen Luftraum für die israelische Luftwaffe und freie Hand für die IDF nach Belieben. Der Libanon soll also der Abschaffung des Völkerrecht zustimmen. Klingt für mich nicht, als würde Israel den Frieden suchen. Die Sheeba-Farmen hält man seit 67 besetzt und aktuell sprengt man ganze Dörfer in die Luft. Was will Netanyahu? Nicht mal seine Armee weiß das.

        • @Moritz Pierwoss:

          "Nasrallah hat man umgebracht, obwohl dieser zum Waffenstillstand zugestimmt hatte"

          Fake News.

          Abgesehen davon, wenn er einen Waffenstillstand will, dann hätte er einfach seinen Truppen befehlen müssen keine Raketen auf Israel zu feuern. Dann wäre er glaubhafter gewesen. Dafür hatte er ein ganzes Jahr Zeit.

          " Hezbollah never officially announced their position publicly. It appeared Hezbollah was waiting to see what Israel would do once the US, France and the other allies put out the statement on Wednesday night announcing the ceasefire."

          Vielmehr ist es so, dass Nasrallah bereit war diplomatische Gespräche zu führen, da Hisbollahs Kommunikationsstrukture zerstört ware, aber einen Vertrag gab es nicht, auch gab es keine öffentliche Übereinkunft.

          Israel ist bei diesen Bedingungen sofort bereit Frieden zu schließen:



          Glaubhafte Zusicherung, dass keine Angriffe von Hisbollah auf Israel stattfinden. Resolution 1701 umsetzen soweit sie Hisbollah betrifft, Entwaffnung der Hisbollah also.

          Reparationen für die Toten in Israel sind separat zu behandeln. Der Frieden zwischen Libanon und Israel kann dann auch geschlossen werden. Hisbollah und Assad verhindern das zur Zeit.

        • @Moritz Pierwoss:

          "Was will Netanyahu?"

          Er will, dass Israel nicht mehr von Hamas und Hisbollah mit Raketen beschossen wird, er will dass keine Israelis mehr entführt, ermordet oder vergewaltigt werden, er will dass die Geiseln heimkehren.

      • @OldFrank:

        Stimmt!

  • Israel meldet Angriff auf Bunker mit "Millionen Dollar Bargeld"

    www.zeit.de/politi...stoerung-geld-gold