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Hamburger Initiative für GrundeinkommenVolksentscheid, jetzt aber wirklich

Für einen einjährigen Grundeinkommen-Modellversuch haben 95.000 Menschen unterschrieben. Der Volksentscheid könnte parallel zur Bundestagswahl kommen.

Wenigstens ein Modellversuch soll es sein: Hamburger Volksinitiative fürs Grundeinkommen Foto: Christoph Soeder/dpa

Hamburg dpa | Die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ hat ihr Volksbegehren als zweite und letzte Stufe vor einem möglichen Volksentscheid nach eigenen Angaben erfolgreich abgeschlossen. Die Initiatoren übergaben dem Landeswahlamt in der Innenbehörde insgesamt 95.842 Unterschriften – und damit über 30.000 mehr als nötig. „Wir sind nach drei richtig krassen Wochen super erleichtert, dass das geklappt hat“, sagte Initiativensprecherin Laura Brämswig.

Die Initiatoren möchten den ersten staatlichen Modellversuch zu einem bedingungslosen Grundeinkommen in Deutschland durchsetzen. Das Projekt soll wissenschaftlich ausgewertet werden. „Und wir wollen dazu beitragen, dass wir irgendwann nicht mehr die Diskussion darüber führen, ob wir ein Grundeinkommen wollen, sondern darüber, was für ein Grundeinkommen wir wollen“, sagte Brämswig.

Den Vorstellungen der Initiatoren zufolge soll der Modellversuch drei Jahre laufen und 2.000 Menschen ein Grundeinkommen sichern. Dafür sollen in Hamburg Straßenzüge ausgewählt werden, in denen die Gesamtheit der Bevölkerung möglichst repräsentativ abgebildet ist. „Alle Menschen, die in dieser Straße wohnen, können dann an dem Versuch teilnehmen.“

Dabei solle dann untersucht werden, was das mit den Menschen mache, wie sich das Leben verändere – sei es in der Arbeit, im Sozialen oder der Familie. „All das interessiert uns“, sagte Brämswig.

Der Versuch soll knapp 46 Millionen Euro kosten

Die maximalen Gesamtkosten für das Modellprojekt dürfen laut dem von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf 0,227 Prozent des Gesamthaushalts der Hansestadt Hamburg nicht überschreiten. „Bei dem angenommenen Bezugsjahr 2026 mit einem gemäß mittelfristiger Finanzplanung geplanten Gesamthaushalt von 20,24 Milliarden Euro entspräche der genannte Anteil der Summe von rund 45,9 Millionen Euro.“

Die Abstimmungsleitung hat nun sechs Wochen Zeit zu prüfen, ob tatsächlich genügend gültige Unterschriften abgegeben worden sind. Sollte das der Fall sein, könnte es kurz vor der Bundestagswahl am 25. September 2025 zum Volksentscheid kommen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die rot-grüne Koalition dem Anliegen doch noch zustimmt und einen Volksentscheid überflüssig macht, ist relativ gering. Die SPD hält das Projekt für eine Mogelpackung. Zudem gebe es bereits etliche Studien zu dem Thema.

Anfang 2020 hatte die Volksinitiative schon einmal die notwendige Zahl von 10.000 gültigen Unterschriften zusammenbekommen. Ein anschließend geplantes Volksbegehren war jedoch im Sommer vergangenen Jahres vom Hamburgischen Verfassungsgericht auf Antrag des rot-grünen Senats gestoppt worden. Die Initiatoren hatten ihren Gesetzentwurf daraufhin überarbeitet, eine neue Initiative gestartet und mehr als 16.000 Unterschriften zusammenbekommen.

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6 Kommentare

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  • Ein aussagekräftiger Versuch müsse mindestens 10 Jahre dauern.

    „Alle Menschen, die in dieser Straße wohnen, können dann an dem Versuch teilnehmen.“ Nein, es sollten alle teilnehmen.



    Die einbezogenen Personen müssten bei höherem Einkommen einer höheren Besteuerung unterliegen als heute, mit der das Grundeinkommen der anderen finanziert werden kann. Daher muss es sich um eine zwangsweise Einbeziehung der in das Experiment gelosten Personen handeln.

    "Dafür sollen in Hamburg Straßenzüge ausgewählt werden, in denen die Gesamtheit der Bevölkerung möglichst repräsentativ abgebildet ist." Im einzelnen Straßenzug oder in der Gesamtheit der einbezogenen Straßenzüge?

    Es müsste Gruppen mit verschiedenen Höhen des Grundeinkommens geben. Eine Gruppe könnte z.B. ein BGE erhalten, das lediglich für ein Leben außerhalb der Großstadt mit niedrigeren Mieten ausreicht. Dieses BGE wäre dann niedriger als der heutige Hartz4-Satz mit Mietübernahme in der Großstadt.

    Welche Qualität der Krankenversorgung beinhaltet ist, bzw. ob der Einzelne selbst darüber entscheidet (und ggf. bei einfachem Standard mehr Geld für andere Ausgaben hätte), wäre auch zu definieren.

  • Kein Einkommen, auch kein Grundeinkommen ist bedingungslos. Den Unterschied macht, für Einkommen muss Leistung erbracht werden, sei es durch Arbeit, sei es durch leistungsloses Vermögen, während bei Grundeinkommen als Bedingung allein gilt, dass es die Person gibt, die ihr Menschenrecht auf existenzsicherndes Einkommen kenntlich macht. Begrifflichkeit „bedingungsloses Grundeinkommen“ ist so zurückhaltend unterwegs als wolle sie Gesellschaft, Staat nicht beschämen, dass sie dieses Menschenrecht existenzsichernden Grundeinkommens juristisch ignoriert, nur als paternalistische Morgengabe von staatlichen Gnaden in der Höhe nach Gutsherrenart Dünken auf persönlichen Antrag als Grundsicherung nach Bedürftigkeitsprüfung zuweist, während der Staat privaten, kirchlichen, staatlichen Arbeitgebern ohne Antrag noch Bedürftigkeitsprüfung, Businessplan sachgrundlos Lohn subventioniert über den Paradigmenwechsel seit rotgrüner Arbeitsmarktreform Agenda 2010/ Hartz 4 Gesetzen 2003, dass nun nicht wie zuvor, Arbeitgeber sondern gedemütigt Arbeitnehmer Antrag auf staatlichen Leistungsbezug mit Bedürftigkeitsnachweis nach Verbrauch ihres Restvermögens vorm Schonvermögen für Altersvorsorge erbringen

    • @Joachim Petrick:

      Der Begriff "Einkommen" passt nicht bei einer Transferzahlung. Die Bedingung ist, dass man in Deutschland lebt und im Zweifel auch, dass man auch hier leben darf.



      Kritik bzgl. der Existenz einer Person als Bedingung ist Haarspalterei.

  • Ich weiss nicht warum alle das BGE wollen, gerade in Großstädten. Hier eine Modellrechnung für einen Single:



    BGE 1200€, davon müssen bezahlt werden:



    - Miete mindestens 600€



    - Krankenversicherung ca. 200€



    - Strom, Öffis ca. 50€

    Dann bleiben zum Leben - genau 350€ - für alles. Denn bei einem BGE gibts NUR das und sonst nichts, man will ja die Behörden einsparen. Also keine Erstausstattung für die Wohnung, Sonderhilfen für kaputte Geräte usw.



    Für viele würde das heissen - weniger Geld als jetzt.



    Aber für mich als Bald-Rentner top - 1200€ mal so zusätzlich, nehm ich.

    • @Sandra Becker:

      Krankenversicherung käme auf rund 80 Euro raus, sind also schon 470 Euro zum Leben. Pro Person.



      Immer noch wenig. Aber es soll ja auch keinen Luxus finanzieren, sondern Lebensmodelle jenseits von Lohnarbeit ermöglichen.



      Ob das realistisch umsetzbar ist, wage ich momentan auch noch zu bezweifeln (Stichwort Mehrbedarf bei chronischen Krankheiten) Aber mal die Emotionen rausnehmen und groß angelegte Studien durchführen, ist auf jeden Fall eine gute Idee.

      • @Herma Huhn:

        Der Mindestbeitrag in der Kranken- und Pflegeversicherung beträgt derzeit ca. 220€ - wie kommen Sie auf 85€?