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Verbotsverfahren gegen die AfDEin Antrag im Bundestag steht bevor

Seit Monaten bereiten Abgeordnete einen Antrag für ein AfD-Verbot vor. Nun könnte dieser bald ins Parlament eingebracht werden.

Hat es sich im Bundestag bald auskrakeelt? Abgeordnete der AfD im Parlament Foto: Christoph Soeder, dpa

Berlin taz | Die Einbringung eines fraktionsübergreifenden Gruppenantrags für ein AfD-Verbot im Bundestag steht kurz bevor. Bereits im Juni hatte der Initiator und CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz der taz bestätigt, dass er die nötigen 37 Abgeordneten dafür zusammen hat – fünf Prozent der Parlamentarier. In einer der nächsten Sitzungswochen, im Oktober oder November, soll der Gruppenantrag nun im Bundestag eingebracht werden.

Man sei „auf der Schlussgeraden“ für die Einbringung des Antrags, hatte Wanderwitz am Freitag der taz gesagt. Nach taz-Informationen werden sich Abgeordnete aus der Union, SPD, Grünen und Linken an dem Antrag beteiligen – und auch mehr als die 37 nötigen Abgeordneten.

Wann und wie genau der Antrag eingebracht wird, das wird momentan noch in den jeweiligen Fraktionen besprochen. Möglich ist, den Antrag zunächst in einem der Fachausschüsse einzubringen oder direkt im Plenum. Erst wenn alle Fraktionen das Thema besprochen haben, kann der konkrete Einbringungstermin beschlossen werden.

Die Abgeordneten, die für ein AfD-Verbotsverfahren eintreten, drängen aber darauf, dass dies nun zeitnah geschieht, noch im Oktober oder spätestens November. Zuletzt hatten sie noch die Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts Münster mit in den Antrag eingearbeitet, das im Mai die Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall bestätigt hatte.

Ersatzweise ein Ausschluss aus der Parteienfinanzierung

Der Antrag auf ein AfD-Verbot verweist nach taz-Informationen auf Artikel 21 des Grundgesetzes, in dem es heißt, dass Parteien mit verfassungswidrigen Zielen verboten gehören. Genau diese Verfassungswidrigkeit wird der AfD in dem Antrag attestiert. Sie sei eine rassistische, antisemitische und rechtsextreme Partei, die sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung richte, heißt es dort.

Die AfD stelle die Menschenwürde von Menschen mit Migrationsgeschichte, Personen mit Behinderungen oder mit nicht heteronormativer Sexualität infrage. Sie bagatellisiere NS-Verbrechen und beschäftige Rechtsextreme als Mitarbeitende. Und die AfD habe auch die Macht, ihre verfassungsfeindlichen Ziele umzusetzen – anders als die NPD, deren Verbotsverfahren das Bundesverfassungsgericht 2017 an dieser Frage scheitern ließ.

Ersatzweise wird in dem Antrag auch ein Verbot von einzelnen AfD-Landes- oder Jugendverbänden gefordert – oder ein Ausschluss der AfD aus der staatlichen Parteienfinanzierung.

Um den Antrag zu beschließen und beim Bundesverfassungsgericht einzubringen, ist eine einfache Mehrheit der 736 Abgeordneten im Parlament nötig. Die ist derzeit allerdings nicht in Aussicht: Viele Abgeordnete fürchten eine Niederlage eines solchen Antrags in Karlsruhe oder wollen die AfD politisch stellen. In einer taz-Umfrage hatten dagegen bereits im Januar dieses Jahres 49 Bundestagsabgeordnete gefordert, ein AfD-Verbotsverfahren konkret zu prüfen.

Nach der von der AfD blockierten ersten Sitzung des Thüringer Landtags vergangene Woche waren Stimmen nach einem AfD-Verbot nochmals lauter geworden. „Das Maß ist voll“, hatte Thüringens SPD-Chef und Noch-Innenminister Georg Maier erklärt. „Es ist Zeit zum Handeln.“ Auch Wanderwitz sagte der taz, der Auftritt der AfD im Thüringer Landtag „folgte ein weiteres Mal dem Drehbuch der Verächtlichmachung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen“. Wanderwitz wirbt bereits seit 2022 für ein AfD-Verbot. Auch Abgeordnete wie Martina Renner (Linke) oder Helge Lindh (SPD) treten schon länger dafür ein.

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17 Kommentare

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  • Libuda , Moderator

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  • Gut so, es geht also voran. Ob ein Verbotsantrag erfolgreich ist, kann ich nicht beurteilen … da sind sich schließlich selbst die Juristen uneins.



    Entscheidend ist das politische Signal: die Demokratie lässt sich nicht wie ein Bär am Nasenring durch die Manege treiben oder - etwas pathetischer formuliert - wie die Lämmer auf die Schlachtbank führen.

  • Hoffentlich ist es dazu nicht schon zu spät.

  • Und dann schwenken die anderen Parteien nach links- also Richtung Demokratie????

  • Wie die Klimapolitik: too little too late.

    Hoffen wir, dass das durchgeht. Und dann bin ich gespannt, wie sie das mit einer Partei einfangen, die inzwischen bundeweit ca. 17% Zuspruch hat. Und das, ohne auch nur im Mindesten an den Ursachen für diesen Zuspruch zu machen.

    Eine solche Initiative wäre gut gewesen, solange die AfD noch nicht eine Sperrminorität hat. Ich bin ernsthaft gespannt, was daraus wird. Und wann.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Was ist eigentlich aus „keinFußbreit“ und „niewiederistjetzt“ geworden?

    Allein r2g hat um 360 Sitze im Bundestag. Sollten Abgeordnete dieser Parteien sich weigern, den Verbotsantrag einer erklärtermaßen faschistischen und rechtsextremistischen Partei die in fast allen Landtagen sitzt zu supporten, (egal was rauskommt, man weiss es eh nie bei Gerichten) dann kann man wirklich alles aufhören. Dann wird man als Aktivist schlichtweg verschaukelt von den eigenen parlamentarischen VertreterInnen.

    Dann ist offen und handfest gewollt, was in den nächsten Jahren passiert. Niemand kann dann sagen, er/sie habe es nicht gewusst.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Da ist was dran, besonders die Bundesregierung gibt hier ein jammervolles Bild ab, nöhliges „Hohe Hürden“-Gerede vom Kanzler, man müsse die Blauen politisch stellen. Darf man gerne, gerne auch erfolgreicher als bisher. Trotzdem muss die Nazibrut vor Gericht.

  • So sehr ich klarer Gegner dieser AfDummheit bin, so sehr bin ich gegen ein Verbotsverfahren. Nicht, weil ich ein Land ohne AfDummheit besser fände, was sicher der Fall wäre, sondern weil ich überzeugt bin, dass die höchsten Gerichte es ablehnen werden. Ich habe noch nicht einen Beweis dafür gesehen, dass die Partei AfDummheit diese Demokratie abschaffen und uns die Grundrechte nehmen wird. Einzelne dumme Sprüche einzelner AfDummheit-Politiker reichen da nicht, es muss der Partei als Solches der Beweis erbracht werden.



    Und haben die Gericht den Antrag erst einmal abgeschmettert, hat die AfDummheit Narrenfreiheit für Jahre.



    Und selbst bei einem äußerst unwahrscheinlichen Verbot wären da immer noch die rund 30% Wähler, die mit Wut im Bauch nach der Alternative für die Alternative suchen, oder gar auf Bürgerkrieg machen.

  • 》... ist eine einfache Mehrheit [...] nötig. Die ist derzeit allerdings nicht in Aussicht: Viele Abgeordnete fürchten eine Niederlage eines solchen Antrags [...] in Karlsruhe oder wollen die AfD politisch stellen《

    Oder es ist schön bequem, auf die AfD zeigen zu können 'das sind die Rechtsextremen!' - und selbst am rechten Rand zu fischen, Entsetzlichkeiten wie den Abschiebeflug nach Afghanistan taz.de/Abschiebung...hanistan/!6035964/ öffentlichkeitswirksam kurz vor den Wahlen im Osten umzusetzen.

    Die Vorgänge im Thüringer Landtag taz.de/Neuer-Landt...bb_message_4849269 zeigen m.E. vor allem, dass es Chancen gibt, dass ein AfD-Verbot auch in die Partei hineinwirken, noch nicht völlig radikalisierte Wähler zur Umkehr bewegen könnte.

    Solange diese Partei nicht verboten ist, ist es undemokratisch, sie so zu behandeln, als sei sie es: das ist so, als würde wan einer Straftat Beschuldigte ohne Gerichtsverfahren verleumden, aber keine Klärung des Sachverhalt beabsichtigen: der klassische Sündenbock-Mechanismus, den die AfD dann als 'Opferrolle' dankbar aufgreifen kann.

    Demokraten sollten sich ehrlich machen, hier nicht taktieren.

  • Interessant ist die Frage, welche Signale es senden wird, wenn eine Partei die knapp 1/3 Ostdeutschlands gewählt wird auf einmal verboten wird. Und nicht nur, welche Signale das sendet, sondern auch, wie diese 30% der deutschen in dieser Gegend dann reagieren werden?

  • Es soll eine Partei verboten werden, die in drei Bundesländern von ca 30% der Wähler*innen gewählt wurde. Und dann? Wandern diese 30% zum Bündnis Wagenknecht? Auch nicht viel besser. Vielleicht könnten unsere Politiker*innen ihre Energie und Zeit in ihre eigene Politik stecken und sich mal fragen WARUM die AfD und BSW- nicht nur in den neuen Bundesländern- so ein Zulauf haben. Mit dem Verbot der AfD zum jetzigen Zeitpunkt erodiert das Vertrauen in Wahlen und Politik weiter. Nicht zielführend.

  • Mehr als "Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen..." bestehen nach wie vor nicht. Das reicht aber nicht für ein Verbot. Ein Eigentor mit Ansage! Wie kann man so andersdenkend sein und der AFD damit eine wunderbare Steilvorlage bauen: "Schaut her, sie haben keine Argumente gegen uns und wir sind gerichtlich bestätigt eine legitime Partei!" Bitte nicht Wunsch und Wirklichkeit verwechseln.

  • Man muss sich inhaltlich mit gegnerischen Parteien auseinandersetzen; Verbotsverfahren, zumal mit so wenig Rückhalt, bringen gar nichts.

    Nebenbei, ist Marco Wanderwitz selbst nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt. Bei Vorratshaltenspeicherung, einem „Gebt her eure Inseln“ Artikel in der Finzanzkrise Griechenlands, gegen Mindestlohn für gewisse Berufsgruppen, als Lobbyist von "The European Azerbaijan Society " und weiteren "Ausrutschern" ist er in einem so zynischen Masse aufgefallen, dass man auch ihn selbst in ganz anderen Parteien veorten könnte.



    siehe auch



    de.wikipedia.org/w...itionen_und_Kritik

    Was ich bereits als Diskriminierung empfand, waren seine Äußerungen über Ostdeutsche



    „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“



    [ebda]

    Die Pointe, Wanderwitz war Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland.

    "Der Leipziger Germanist Dirk Oschmann forderte 2023 in seinem Bestseller Der Osten: eine westdeutsche Erfindung über die Diskriminierung Ostdeutscher die Abschaffung des Amts" [Wikipedia zu diesem Amt]

    • @Werner2:

      Wo hat das Verfahren wenig Rückhalt? Im Parlament, in der Bundesregierung? Leider ja, auch wenn das Quorum für einen Antrag erreicht wird.



      In der Bevölkerung sieht es anders aus, es gibt diverse Petitionen mit Hunderttausenden von Unterschriften.



      Am Ende ist das Verbotsverfahren aber keine Mehrheitsabstimmung in der Bevölkerung, sondern eine Entscheidung des BVerfG. Auch wenn 90% der Leute die Nazis super finden gehören sie verboten.



      Das Geheule über Wanderwitz und die armen Superdemokraten aus dem Osten verstehe ich in dem Zusammenhang nicht ganz. die AfD tritt deutschlandweit an, auch wenn sich die Ostdeutschen vor Liebe zu dieser Partei kaum einkriegen können.

    • @Werner2:

      Danke für den Kontext!

      Bleibt abzuwarten, wie repräsentativ er in der Union aktuell ist ...

    • @Werner2:

      Das ist eine gute Argumentation für ein völlig anderes Thema. Setzen, ungenügend...

  • Das wird nun aber höchste Zeit, dass sich alle demokratischen Parte⁄en im BT aufraffen und die Demokratie gegen ihre Feinde schützen. Vielleicht lernen einige der AfD Wähler in den östlichen Teilen der Republik, was sie nicht offenbar noch nicht wissen: Die Demokraten wehren sich gegen ihre Feinde und das kann für die Wähler dieser Neufaschisten Probleme bringen, nicht nur für die Beamten unter ihnen. Hoffentlich kneifen nicht zu viele Bundestagsmitglieder.