Wissenschaftzeitvertragsgesetz: Mogelpaket für Forschende
Weil junge Forschende selten feste Stellen in der Wissenschaft bekommen, soll ein Gesetz nachgebessert werden. Doch die Reform geht nicht weit genug.
M ehr als achtzig Prozent der Angestellten im Wissenschaftsbetrieb hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, von Jahr zu Jahr. Damit sind sie prekär beschäftigt, für sie ist der Wissenschaftsbetrieb weder attraktiv noch nachhaltig.
Kein Wunder, dass diese Befristungen von ihnen am häufigsten als Grund genannt werden, die Wissenschaft zu verlassen. Das will die Bundesregierung jetzt ändern, Arbeitsverträge in der Wissenschaft sollen sicherer werden, das sogenannte Wissenschaftzeitvertragsgesetz stand am Mittwochabend in den Beratungen im Bundestag auf der Tagesordnung.
Am wichtigsten dabei: bessere Aussichten auf entfristete Verträge. Davon profitieren nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Gesellschaft. Denn so kann die Wissenschaft ihre Fachkräfte besser halten. Momentan sind Postdocs maximal sechs Jahre befristet angestellt, danach werden sie oft gekündigt, nur die wenigsten werden entfristet. Somit katapultiert der Wissenschaftsbetrieb seinen Nachwuchs aus dem eigenen System, und meist zu einer Zeit, wenn sie gerade Fuß gefasst hatten.
An den Rausschmissen will die Reform aber leider nichts ändern. Stattdessen wurde sogar verschlimmbessert: Nach vier Jahren soll nun entschieden werden, ob jemand entfristet werden kann. Die Aussicht darauf bleibt so trüb wie zuvor.
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Einen Mini-Fortschritt gibt es für studentische Hilfskräfte. Ihre Verträge sollen mindestens ein Jahr umfassen. FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger verteidigt derweil den Mythos, dass Befristungen Innovation steigern. Fluktuation und Selektion sorgten dafür, dass nur die Besten blieben – ein libertäres Dogma der FDP.
Um dem zu widersprechen, braucht es keine Moraldebatte. Der internationale Vergleich zeigt: Im Global Innovation Index von 2024 landet Deutschland nur auf dem neunten Platz. „In fast allen Fächern muss die Universität darum ringen, die Besten eines Jahrgangs an sich zu binden“, so der Deutsche Hochschulverband.
Der richtige Weg dafür sind Tarifverträge mit eigenen Regeln zur Befristung. Daher fordern SPD, Grüne und Gewerkschaften, Befristungen und Tarifsperren aufzuheben. Das sollte auch die FDP einsehen. Dann wäre eine Karriere in der Wissenschaft wieder attraktiver.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen