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Alarm zum WelternährungstagAushungern ist ein Verbrechen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Jeder elfte Mensch auf der Erde ist von Hunger betroffen. Vergessen wird dabei oft, dass vor allem die aktuellen Kriege dazu beitragen.

Ein Vater hilft seinem unterernährten Sohn beim Gehen in der Nähe ihrer Hütte in dem Dorf Lomoputh im Norden Kenias Foto: Brian Inganga/AP/dpa

D er globale Hunger breitet sich weiter aus. Seit der Covid-19-Pandemie, als die Welt dichtmachte und Hunderte von Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage verloren, hat sich ein Großteil der Länder der Erde nicht wieder wirtschaftlich erholt. Im Jahr 2023 betraf Ernährungsunsicherheit laut UN-Agrarorganisation FAO 29 Prozent der Menschheit – rund 2,4 Milliarden. Ein Drittel davon war von Hunger betroffen, also jeder elfte Mensch auf der Erde.

Die zugrunde liegenden Statistiken entstanden noch vor den neuen Kriegen in Nahost seit Oktober 2023 und in Sudan seit April 2023, die ganze Länder an den Rand von Hungersnot gedrängt haben. Gaza und Darfur sind im Jahr 2024 die Zentren des Leids, gegen deren Menschen die Warlords in Sudan und die Regierung Israels Hunger als Kriegswaffe einsetzen, so als sei das Blockieren von Lebensmitteln eine legitime Herrschaftsmethode zur Unterwerfung missliebiger Bevölkerungen.

Wer 2024 vom Recht auf Nahrung spricht, kann über Darfur und Gaza nicht schweigen. Die meisten aktuellen Mahnungen und Appelle zum Welternährungstag am 16. Oktober aber blenden Krieg als Treiber von Hunger aus. Die FAO feiert den 20. Jahrestag ihrer „Freiwilligen Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Rechts auf Nahrung im Kontext nationaler Ernährungssicherung“ – man merkt, dass die Organisation seit fünf Jahren von China geführt wird.

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Verteilungsprobleme können verschiedene Gründe haben

In Deutschland erklärt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze: „Die besten Mittel gegen den Welthunger sind starke Frauen, soziale Sicherung und die Fähigkeit, selber anbauen zu können“ – kurz bevor sie zu Darfur-Flüchtlingen in Tschad aufbricht, deren Überleben kurzfristig von ganz anderen Dingen abhängt und die unzählige verhungerte Angehörige in Darfurs Kriegsgebieten zurückgelassen haben.

Ja, Hunger ist ein Verteilungsproblem. Aber nicht alle Verteilungsprobleme sind sozioökonomischer Natur. Ein Verteilungsproblem ist es auch, wenn mit Waffengewalt Nahrungsmittelversorgung verhindert wird. Und das ist nicht nur ein Verteilungsproblem, sondern ein Verbrechen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Vielen Dank, Herr Johnson!



    Ich würde mir wünschen, dass die Welthungerthematik öfter ein Thema in den Medien wäre.



    Vielleicht sollte man bzgl Hunger auch noch anfügen, dass anders als zb im Sudan, generell das größte Problem die Finanzierung von Lebensmitteln ist und natürlich auch von Projekten ("Stichwort" Hilfe zur Selbsthilfe).



    Auch wenn es dafür in unser Gesellschaft eine Mehrheit geben mag (entsprechende Kommanare sieht man ja teilweise auch hier in der Kommune) sehe ich in diesem Zusammenhang auch sehr kritisch die Kürzung der Entwicklungshilfe. Ich bezweifle, dass das der richtige Lösungsansatz ist.

    www.tagesschau.de/...en-kritik-100.html