Polen will Asylrecht aussetzen: Symptomatisch und nicht überraschend
Polens Regierungschef Tusk plant, das Asylrecht zeitweilig auszusetzen. Damit reiht er sich ein in die Riege derer, die das schon lange wollen.
![Donald Tusk sitzt an seinem Schreibtisch, hinter ihm die europäische und polnische Flagge Donald Tusk sitzt an seinem Schreibtisch, hinter ihm die europäische und polnische Flagge](https://taz.de/picture/7299777/14/36780006-1.jpeg)
A usgerechnet der? Der liberale, proeuropäische Donald Tusk? Ungläubig reagierten viele auf die jüngste Ankündigung der polnischen Regierung, das Asylrecht „vorübergehend“ auszusetzen. Dabei hatten Aktivist:innen, die die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze beobachten, schon länger Ernüchterndes berichtet: Auch nach der Abwahl der PiS änderte sich im Umgang mit den Menschenrechten in Polen für Ankommende nichts. Und es war Regierungschef Tusk, der direkt nach der Beschlussfassung zum neuen EU-Asylsystem Geas Ende 2023 ankündigte, sich an die Geas-Passagen, die ihm nicht passten, nicht zu halten.
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Bekanntermaßen ist Polen hinsichtlich der ankommenden Geflüchteten – Ukrainer:innen ausgenommen – in einer vergleichsweise passablen Lage. Die Zahlen sind seit jeher im EU-Vergleich äußerst niedrig. Daran hat auch die Schleusungs-Offensive von Putin und Lukaschenko über Belarus ab Herbst 2021 nichts geändert.
Tusks Schritt ist ein symptomatisches Verhalten für die Parteien der Mitte in diesen Tagen: Der Wunsch nach Asyl-Verschärfungen findet kein Ende, auch wenn die Zahlen stark sinken – wie hierzulande – oder schon sehr niedrig sind, wie in Polen. Nur folgerichtig war da, dass auch die Union sogleich größtes Verständnis für Tusks Pläne äußerte. Besonders absurd ist dabei, dass Polens Maßnahme sich gegen „instrumentalisierte“ Flüchtende richtet, die über Belarus ankommen. Für solche Fälle sieht das 2023 beschlossene Asylsystem Geas eigene Sonderklauseln vor. Doch die reichen heute auch den Scharfmachern nicht mehr, die sie einst selbst reinverhandelt haben, sie setzen das Asylrecht lieber gleich komplett aus.
Auf die EU-Kommission, die solche offenkundigen Verstöße gegen EU-Normen eigentlich unterbinden müsste, braucht niemand zu hoffen. Wenn es um Migration und Asyl geht, hat sie in der Vergangenheit – von wenigen Ausnahmen abgesehen – de facto alles toleriert, was den Mitgliedstaaten eingefallen ist, um sich Flüchtlinge rechtswidrig vom Hals zu halten.
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