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Shell-Jugendstudie 2024Noch ist die Jugend nicht verloren

Die Au­to­r*in­nen betonen das tolerante Menschenbild der jungen Generation. Gleichzeitig sehen sie unter jungen Männern autoritäre Tendenzen.

Während 2019 das Thema Klimawandel im Vordergrund stand, haben Jugendliche mittlerweile mehr Angst vor anderen Krisen Foto: Federico Gambarini/dpa

Berlin taz | Gute Arbeitsmarktaussichten, großes Vertrauen in den Staat und ein durch Toleranz geprägtes Wertebild: Jugendliche blicken laut aktuellen Ergebnissen einer Langzeitstudie zuversichtlich in die Zukunft. „Das ist keine Realitätsverweigerung“, sagte einer der Co-Autoren der Shell-Jugendstudie, Mathias Albert, am Dienstag in Berlin. Jugendliche hätten durchaus ihre Sorgen, die sich auch in ihrem Politikverständnis niederschlagen würden. Doch anders als in vorangegangenen Studien sehen die Au­to­r*in­nen keinen klaren Rechtsruck bei den Jugendlichen.

Die junge Generation sei „pragmatisch optimistisch“, heißt es in der Untersuchung. Als eine der Hauptursachen hierfür sehen die Macher*innen, dass 84 Prozent der Jugendlichen derzeit davon ausgehen, einmal ihre beruflichen Wünsche erfüllen zu können. 92 Prozent gehen davon aus, nach ihrer Berufsausbildung von ihrem Arbeitgeber übernommen zu werden – dieser Wert war noch nie so hoch in der Geschichte der Studie.

Grundsätzlich ist dabei sowohl jungen Männern als auch Frauen eine vielfältige Gesellschaft wichtig – bei Mädchen ist dieser Wunsch aber deutlich stärker ausgeprägt. 72 Prozent der jungen Frauen sprachen sich für eine bunte Gesellschaft aus, während es bei den Männern 56 Prozent waren. Jungs äußerten deutlich stärkere materialistische Wünsche und bewerteten Wettbewerb, Markenkleidung, schnelle Autos positiver, als Frauen es taten.

Als Langzeitprojekt untersucht die Shell Jugendstudie seit 1952 alle vier bis fünf Jahre die Lebenswelten und Perspektiven junger Menschen auf Familie, Beruf und politische Einstellung, wobei der heutige Abfragestandard erst Anfang der 2000er etabliert wurde. Für die 19. Jugendstudie wurden zu Beginn des Jahres 2.509 repräsentativ ausgewählte 12- bis 25-Jährige befragt.

Generation Greta ist over

Die letzte Studie wurde 2019 herausgegeben. Während damals alle von der progressiven „Generation Greta“ sprachen und Fridays for Future an ihrem Höhepunkt waren, hat sich der Zeitgeist gewandelt. Dazwischen liegen eine Pandemie und eine Welt voller Kriege, die sich geopolitisch neu ordnet.

Damit haben sich auch die Ängste verschoben. Es ist nicht so, als würde im Gegensatz zu 2019 etwa der Klimawandel keine Rolle mehr spielen. Nur sticht er nicht mehr so heraus. Das tun nun andere Krisen. Die Angst vor Kriegen, ob in der Ukraine oder im Nahen Osten, ist so groß wie nie. Sie hat sich fast verdoppelt von 46 auf 81 Prozent. Dazu kommt die Sorge um die wirtschaftliche Lage und Angst vor Armut. Und auch die wachsende zwischenmenschliche Feindseligkeit beunruhigt junge Menschen. Dabei ist auch die Angst vor Ausländerfeindlichkeit gewachsen und deutlich größer als die Angst vor Zuwanderung: 58 Prozent äußerten die Furcht vor rassistischer Gewalt, während 34 Prozent sich wegen der Zuwanderung in Deutschland sorgten – dieser Wert ist im Vergleich zu vor fünf Jahren fast unverändert.

Die Weltlage macht den 12- bis 25-Jährigen zwar Angst. Aber sie bewahren einen durchaus differenzierten Blick. Als Generation, die Krieg nie selbst erleben musste, hat sie ihm eine kritische Haltung gegenüber. So befürworten die jungen Menschen jeweils zu 60 Prozent die Nato und sehen Russland als Aggressor, der bestraft werden müsse. 13 Prozent widersprechen dem, etwa ein Viertel enthält sich. Waffenlieferungen und militärischer Unterstützung stehen sie aber wesentlich kritischer gegenüber.

Nur die Hälfte befürworten die Forderung, Deutschland sollte die Ukraine militärisch unterstützen. Etwa ein Viertel, 24 Prozent, lehnen das ab. Wenn es um die Frage geht, ob Deutschland eine besondere Verpflichtung gegenüber Israel hätte, spalten sich die Meinungen zu je einem Drittel. Allgemein wird die Notwendigkeit fürs Militär gesehen, gleichzeitig wünschen sich viele einen Weg aus den Konflikten aufgezeigt zu bekommen. Da bleibt die Frage, ob die etablierten Parteien genug darauf eingehen.

Politisches Interesse hoch

In den derzeit bewegten Zeiten sind junge Erwachsene nicht ermüdet von der Politik. Sie sind interessierter denn je. Je­de*r Zweite ist politisch interessiert und auch das Engagement wächst weiterhin. Sie glauben an die Demokratie und staatliche Institutionen, zugleich misstrauen sie Parteien und Regierung. Dieser Trend ist kein neuer: Auch 2019 war diese Unzufriedenheit mit Parteien und Po­li­ti­ke­r*in­nen zu beobachten.

Studienautorin Gudrun Quenzel sah in ihren Ergebnissen keine großen Differenzen zu einer Untersuchung des Sozialforschers Klaus Hurrelmann, der in diesem Frühjahr einen deutlich pessimistischeren Blick der Jugend zeichnete und ihr einen „deutlichen Rechtsruck“ attestierte. Autoritäre Tendenzen sehen auch die Au­to­r*in­nen der Shell-Studie. Bestimmte Männlichkeitssterotype machen dabei vor allem junge Männer anfälliger für populistische und einfache Antworten, schließt die Studie.

Hinweis: Über den Stimmenanteil der jungen Menschen, die befürworten, die Ukraine militärisch zu unterstützen, haben wir missverständlich berichtet. Das ist nun geändert.

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22 Kommentare

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  • "Sie glauben an die Demokratie und stattliche Institutionen, zugleich misstrauen sie Parteien und Regierung."



    Was für ein Widerspruch in sich.

    "Jungs äußerten deutlich stärkere materialistische Wünsche und bewerteten Wettbewerb, Markenkleidung, schnelle Autos positiver"

    Der Wettbewerb wird durch Straßenrennen mit schnelleren Autos ausgeführt.

  • „…während 34 Prozent sich wegen der Zuwanderung in Deutschland sorgten…“

    Das müssen dann wohl die Kinder, der rund 30 % Faschisten Wähler sein, denen Propaganda der Erwachsenen erfolgreich eingebläut wurde die die toxische Atmosphäre Muslimen und nicht europäischen Menschen gegenüber, in ihrer sozialen Umwelt schon verinnerlicht haben. Denn ohne Manipulation von Erwachsenen nehmen sich Kinder und Jugendliche untereinander nicht als ethnische Gefahrenquelle war, sondern als Bekanntschaft, mit der man gut oder schlecht zurecht kommt, neugierig ist, befreundet bleibt oder nicht.



    Ich würde gerne die Parameter und Auswahlkriterien der Befragten einsehen. Deutsche Jugend sehe ich jedenfalls radikalisierter wahr. Neulich hat uns eine Gruppe von deutschen Jugendlichen, übrigens nur Mädchen, nach einem banalen Streit der Kinder, entgegen gekeift, dass sie AfD wählen werden und wir uns dann alle verpissen müssen. Die waren sehr selbstsicher, haben diesen Spruch nicht das erste Mal gebracht. An fast jedem See und jedem Ferienplatz, an denen wir im Osten waren, wurden dieses Jahr berühmt-berüchtigte Hits gegrölt. Auf Klassenfahrten wurden wir und nun unsere Kinder systematisch angegriffen

    • @Edda:

      "Neulich hat uns eine Gruppe von deutschen Jugendlichen, übrigens nur Mädchen, nach einem banalen Streit der Kinder, entgegen gekeift, dass sie AfD wählen werden und wir uns dann alle verpissen müssen."

      Sowas entspringt ganz sicher der Sozialisation im Elternhaus und der Schule. Es braucht offenbar keine Sonnenwendfeiern, um den Kindern den braunen Ungeist einzutrichtern.

  • Was heisst denn deutlicher Rechtsruck ?



    Wenn dieser Ruck hin zur CDU geht sehe ich dabei kein Problem.



    Rechts ist nicht gleich Rechtsextrem.

    • @Krumbeere:

      Irgendwie scheint ganz allgemein die Kenntnis verloren gegangen zu sein, dass wir in D seit Jahrzehnten zwischen konservativ (meint moderat rechts) und rechts (meint extrem rechts) unterscheiden. Reicht bis in den Bundestag, Amthor ist das auch unbekannt.

    • @Krumbeere:

      Die beiden letzten Landtagswahlen haben aber gezeigt, dass viele junge Männer die AfD wählen. Die sind Rechtsextrem.

      • @Andreas J:

        Die beiden letzten Landtagswahlen haben aber gezeigt, dass viele junge Männer die AfD wählen. Die sind Rechtsextrem.



        ----



        Kurzantwort: "JA"!



        Lange Antwort: "Wer rechtsextreme wählt, will die in der Regierung haben!"



        Glaubst Du ernsthaft, das das dann eine demokratische, rechtsstaatliche. usw. Regierung sein wird?



        Und dann Freiheit, Minderheiten, verschiedene Meinungen. uvam., noch vorhanden & gelebt werden können? :-(

        • @Sikasuu:

          Wie kommen sie darauf das ich das glauben würde? Schräg.

      • @Andreas J:

        Trotzdem gehört das im Artikel besser differenziert.

        • @Krumbeere:

          Warum? Die CDU ist doch rechts. Gerade unter Merz. Aber sie ist nicht rechtsradikal. Das wird dann als konservativ gelabelt. Wo ist das Problem?

          • @Andreas J:

            Weil mit rechts und rechts-ruck sofort afd impliziert wird.



            Ich wünsche mir einfach eine bessere Differenzierung zwischen rechts (konservativ wie sie es treffend nennen) und rechtsextrem.

  • Fast ein Drittel der Erstwähler hat bei den letzten Landtagswahlen die AfD gewählt, aber in der Shell-Studie ist kein Rechtsruck zu erkennen. OK. Darüber muss ich noch länger nachdenken. Auch interessant: Etwa die Hälfte der jungen Menschen - auch der Frauen - finden heute noch, dass der Mann der Alleinverdiener sein soll. Da fällt mir dann auch nix mehr ein.

  • "92 Prozent gehen davon aus, nach ihrer Berufsausbildung von ihrem Arbeitgeber übernommen zu werden – dieser Wert war noch nie so hoch in der Geschichte der Studie."



    Es ist umgekehrt, einige fangen mehr als eine Ausbildung an oder schließen mehrere ab, andere sind in den ersten Berufsjahren durchaus "volatil" und wiederum andere wollen weniger als 100 Prozent arbeiten. Weiterhin gibt es Probleme mit Care-Berufen. Eine differenzierte Betrachtung der Zahlen und der exakten Fragestellungen wird wohl weitere Einblicke in deren Interpretation geben.



    Hier durch Download zu finden:



    www.shell.de/ueber...ndstudie-2024.html

  • Ein positives Bild vom Staat ist auf jeden Fall Realitätsverweigerung.

    Schön, dass die Jugend noch Optimismus hat. Mit 30 wird den nicht mehr haben. Bis dahin wird sie genug Erfahrung mit dem Staat gesammelt haben, um zu wissen wie dumm jedes Vertrauen in den Staat ist.

    • @Dunkelrot:

      Das ist ja wieder mal das typisch linke Staats-Bashing. Sicher mag Einiges verbesserungswürdig sein, aber nennen Sie mir mal einen realen Staat, in den Sie mehr vertrauen würden. Ich zumindest weiß zu schätzen, was ich von unserem Staat für meine Steuergelder zurückbekomme. Einschließlich der kostenlosen Meinungsfreiheit, die hier auch für die naivsten Äußerungen gilt.

    • @Dunkelrot:

      Wenn sie mit 30 Erfahrungen außerhalb Deutschland gesammelt haben - dass z.B. in 90% der Länder dieser Welt Polizeikontrollen nur gegen Bestechungsgelder nicht in einer Verhaftung enden - dann werden sie den deutschen Staat umso mehr zu schätzen wissen. Gerade racial profiling ist außerhalb des Westens extrem ausgeprägt. Genauso staatliche Willkürjustiz und ethnische Klientelwirtschaft.

    • @Dunkelrot:

      Was meinen Sie mit "Erfahrungen mit dem Staat"? Sie haben eine medizinische Versorgung, Sie können hier öffentlich herummosern, ohne dass Sie abends abgeholt werden, Sie haben freien Internetzugang. Gehört das nicht zu den Erfahrungen mit dem Staat?

    • @Dunkelrot:

      Es ist sicher vieles Verbesserungswürdig, aber um unserem Staat mehr Wertschätzung entgegen zu bringen, sollten Sie mal für ein Jahr in einem Entwicklungsland leben. Wenn Sie zurück kommen, werden sie hier auf jeden Fall glücklicher sein, sich aber wahrscheinlich über die Menschen ärgern, die hier an allem herummäkeln.

  • Diese Studie zeigt deutlich auf, wo bei dem Nachwuchs nachgearbeitet werden muss - Markenklamotten an sich nicht schlecht, nur das Bewusstsein über die Bedingungen der Herstellung, Stichwort Kinderarbeit, sollte mehr ins Bewusstsein gerückt werden.



    Schnelle Autos - kleiner Geist - hier müssen Unbedingt wieder humanitäre, intellektuelle Werte vermittelt werden.



    Im großen und ganzen aber eine verständliche Entwicklung der Jugend.



    Helfen wir Erwachsenen ihnen weiter - sich gut zu entwickeln.

  • "Nur die Hälfte befürworten die Forderung, Deutschland sollte die Ukraine militärisch unterstützen. Und der Anteil der Gegenstimmen liegt wesentlich höher." Wie soll das denn gehen? 50 % sind dafür und wesentlich mehr lehnen es ab?

    • @Nisse:

      Ich glaube das bezieht sich auf die Studie von 2019. Die Gegenstimmen liegen höher als damals.



      Das ist nicht so klar formuliert, aber anders ergibt es keinen Sinn.

  • "Nur die Hälfte befürworten die Forderung, Deutschland sollte die Ukraine militärisch unterstützen. Und der Anteil der Gegenstimmen liegt wesentlich höher." Das kann nicht stimmen. Wenn die Hälfte der Befragten die militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland befürwortet, kann die Anzahl der Gegenstimmen nicht höher und erst recht nicht wesentlich höher liegen, denn mehr als 2 Hälften gibt es nicht. Ein Blick in die verlinkte Studie zeigt, dass der Anteil der Gegenstimmen (bei 50 % Befürwortern) nur 24 % beträgt.