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Zehnter WestbalkangipfelDeutschland verpasst seine Chance

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

In Berlin diskutieren die EU-Mitgliedsanwärter über ihre Zukunft. Deutschland verpasst die Möglichkeit, vor rechtem Einfluss zu schützen.

Westbalkan-Gipfel in Berlin, 14.10.2024: unterzeichnet wurde ein neuer Aktionsplan Foto: Lisi Niesner/Reuters

A ls Angela Merkel 2014 die Oberhäupter der sechs nicht zur EU gehörenden Westbalkanstaaten zum ersten „Berlin-Prozess“ zusammenrief, war die Reaktion in den betroffenen Ländern durchaus positiv. Nach der Absage aus Brüssel und damit des Wortbruchs der EU schaffte Deutschland doch noch, eine Perspektive für den Eintritt in die EU zu geben. Man war ein Hoffnungs­träger in Südosteuropa.

Von Frankreich und anderen Staaten wurden aber weiterhin Hürden aufgebaut. Möglicherweise wollten sie den Einfluss des balkanisch-europäischen Islam beschränken oder sorgten sich um die mit einer Erweiterung komplizierteren Entscheidungsprozesse.

Obwohl einzelne Staaten durchaus die Voraussetzungen für die Aufnahme erfüllt hatten, wurden sie brüskiert: So Makedonien, das sich nun Nordmazedonien nennen musste. Doch auch zwischen den Staaten krachte es.

Serbien und die serbische Teilrepublik blockierten lange Jahre nicht nur die Reisefreiheit für Kosovo und Bosnien, sondern auch den Warenaustausch. Erst bei der diesjährigen Konferenz setzte sich der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti durch, indem er einseitig die Reisebeschränkungen für Bosnier aufhob.

Gescheiterte Annäherung an EU

Die von der deutschen Diplomatie geförderten Fortschritte bei der Bildung eines geregelten gemeinsamen Marktes wurden immer wieder konterkariert. Ebenso Serbiens Wunsch, mit dem Projekt „Open Balkan“ einen gemeinsamen Markt zu schaffen.

Die deutsche Grundidee, den Westbalkan über die Angleichung der Gesetze und Prozeduren an die EU zu führen, ist bisher gescheitert. Und auch die Idee, über die Jugend eine Verständigung und Versöhnung zwischen den Nationen herzustellen. Inzwischen gewinnen die Rechtsaußen immer mehr an Einfluss in der EU, jetzt soll der pronationalistische Viktor Orban sogar die Richtung für die Integration des Westbalkans vorgeben.

Putin und Trump werden die Region in ihrem Sinn beeinflussen. Deutschland hatte die Chance, etwas Großes zu schaffen. Doch die scheint vorbei zu sein.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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16 Kommentare

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  • Der Westbalkan (für manche beginnt der ja eigentlich am Lech) würde komplett drin eine EU endgültig zerlegen. So deutlich muss man es nennen.



    Perspektive für Kooperation: Ja, anlügen und falsche Versprechungen geben: Nein.

  • Der Westbalkan verpasst seine Chance - nicht Deutschland. Die "Angleichung der Gesetze und Prozeduren an die EU" durchzuführen müssen die Länder schon selber wollen und tun - wenn sie denn wirklich wollen. Das Wollen kann man nicht von außen erzwingen. Wenn man jahrezehntelang einfach nicht will, sondern sich eher noch von den Ideen und Idealen der EU entfernt, dann bleibt man halt draußen. Das ist schade, aber die Welt geht nicht unter. Die nächste Generation hat wieder alle Möglichkeiten - wenn sie denn wirklich will.

  • Wer von einer EU Erweiterung spricht, sollte auch darüber sprechen, wie diese finanziert wird.



    Welche Länder werden auf Zuweisungen aus Brüssel verzichten und welche werden mehr zahlen?

    Wer profitiert von einer weiteren Aufblähung der Bürokratie, von noch weniger transparenten Entscheidungsprozessen?

    Wäre es nicht besser, eine Vertiefung der EU anzustreben, statt sie immer unwahrscheinlicher zu machen?

    Wir sehen am Beispiel von Bulgarien und Rumänien, wie wenig hilfreich die EU Mitgliedschaft für Rechstaat und Demokratie sind. Und wir sehen, dass es nur um die Auslagerung von Betrieben mit niedrigeren Standards und Löhnen geht.

    Es liegt an diesen Staaten, die politischen Bedingungen zu schaffen, die denen der EU gleichen.

    Das ist keine Aufgabe für Deutschland oder die EU. Das ist eine sehr seltsame Vorstellung.

  • Das hätte Herr Rathfelder deutlicher ausdrücken können: Die serbischen Nationalisten in Bosnien-Herzegowina machen seit geraumer Zeit Fortschritte zunichte, treiben das Land wieder in einen Vorkriegszustand. Besonders das Spießrutenlaufen von Christian Schmidt als Hoher Repräsentant für BiH wäre eine Zeile wert.

    • @rakader:

      Und die anderen wollen ein Kalifat Staat.



      Das ist ein Dilemma was nicht einfach zu lösen ist.

      • @Bosnjak:

        Wer sind die Anderen? Wer schreit nach einem Kalifat? Nur weil Saudi-Arabien den Bau von Moscheen unterstützt, sind die traditionell liberalen bosnischen Muslime auf einmal engstirnige Wahabiten? Bitte untermauern Sie Ihre Aussagen, oder ist das nur Halbwissen und Verschwörungsgeraune?

  • Ich stimme dem Autor zu. Hier wurden Chancen vertan. Im Gegensatz zum Kommentator "Monomi", dem offensichtlich profunde Kenntnisse der Region fehlen...



    Die Aufnahme der Staaten Serbien, Kosovo, Albanien und Nordmazedonien würde der EU Stabilität und Ruhe auf dem Balkan bringen und den Menschen dort eine Perspektive. Schon lange sind Kosovo (nach EU-Vorbild aufgebaut) und andere Länder demokratisch und erfüllen große Teile der EU-Beitrittskriterien. Im Gegensatz zur Ukraine, die in die EU "geredet" wird. Problematisch ist die Situation allenfalls in Serbien und Bosnien-Herzegowina. Aber auch hier hilft nur eine klare Perspektive.



    Demokratische Reformen braucht allerdings die EU ebenso, vielleicht dringender als der Balkan.

  • Die Schuhe, die Angela Merkel mit ihrer Außenpolitik hinterlassen hat, sind einfach zu groß für die Ampel.



    Mit der Kriegsbeteiligung in der Ukraine ist diese Regierung völlig ausgelastet.



    Mehr geht nicht.

    • @hsqmyp:

      Mildes wie ungläubiges Lächeln.



      Steinmeier (SPD) und Merkel (CDU) haben nur Krise gemacht und dadurch Krise erst gemacht.

  • Die Westbalkanstaaten müssen sich zuerst mal selbst darum kümmern, die Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft zu erfüllen, ganz unabhängig von der EU im übrigen. Leider sind sie alle nach wie vor weit davon entfernt, vielleicht sogar weiter als damals. Und das ist nicht Deutschlands Schuld, sondern ihre eigene.

  • Dem Artikel ist nicht viel hinzuzufügen. Sehr kurz und treffende Analyse aus meiner Sicht.

    Man findet immer Gründe sich zu entzweien. Gerade jetzt ist das verbindende wichtiger denn je.

  • Wieso verpasst Deutschland seine Chance?



    Ist Deutschland die Herrin der EU?



    Was wir sagen, wird gemacht, wenn wir es nur mit Nachdruck befehlen?



    Das ist doch Unsinn.

  • Was hätte Deutschland denn tun können oder sollen, um die angebliche "Chance" zu nutzen? Korrupt-autokratische Staaten wie Serbien mit einer baldigen Beitrittsgelegenheit ausstatten?



    So wie's für den Medienkonsumenten hier aussieht, gibt's da nicht nur Versäumnisse auf Seiten der EU, während die Balkanstaaten sich zu Musterdemokratien entwickelt hätten.



    Die politischen Reformen mit tauglichen Wahlen, die fair, frei, gleich und geheim sind: Wo sind sie denn nach all den Jahren fest etabliert.



    Wie ist es mit Rechtsstaatlichkeit, die eben nicht Anklagen und Urteile nach Gusto der jeweils herrschenden Clique bedeutet?



    Korruption in Wirtschaft und Staat? Kampf gegen Organisierte Kriminalität ?



    Da müsste einmal eine sorgfältig recherchiere Übersicht her, wo sich wer bei diesen Themen in die richtige Richtung bewegt hat.



    Und auf Seiten der Union fehlt ja auch das Wichtigste: Eine Reform die die Verfahren in der Union gegen weitere russische bzw chinesische Trojanerstaaten härtet. OHNE eine solche Reform ist die Aufnahme von Balkanstaaten institutioneller Selbstmord der Union.

    • @Monomi:

      Unterhaltsam-maliziös ist der halbwegs neue politische Roman von Robert Menasse zum Thema.

    • @Monomi:

      Respekt MONOMI.



      Aber keiner möchte sich mit Balkan die Finger schmutzig machen.

    • @Monomi:

      Wie wäre es mit Selbstinitiative? Steht alles in der Wikipedia, um sich ein gewisses Basisgerüst zuzulegen. Dann verkneift man sich auch so manche versteckte Stereotype in der Frage, die nichts anderes als Halbwissen und Vorurteil zu lesen ist.