piwik no script img

Extrem-Hochwasser durch KlimawandelGrößeres Risiko und höhere Kosten

Ohne Klimawandel wären verheerende Hochwasser deutlich seltener, zeigen mehrere Studien. Die durch Fluten verursachten Kosten könnten künftig kaum mehr zu stemmen sein.

Flüsse wie die Oder könnten künftig häufiger über die Ufer treten und so mehr Schaden verursachen Foto: Patrick Pleul/dpa

London dpa | Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa wie das in Polen, Tschechien, Österreich und weiteren Ländern einer Analyse zufolge etwa verdoppelt. Die Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September seien der stärkste bisher erfasste Vier-Tage-Regen in Mitteleuropa seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen 1940 gewesen, teilte die Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution mit.

Die Regenfälle hätten ein ungewöhnlich großes Gebiet von Deutschland bis Rumänien betroffen, das noch größer gewesen sei als bei den früheren großen Überschwemmungen von 1997 und 2002, hieß es von dem Team um Friederike Otto vom Imperial College London weiter. Diese beiden Überschwemmungskatastrophen seien als Jahrhundertereignisse bezeichnet worden – nun gebe es schon jetzt ein weiteres, sagte Mitautor Bogdan Chojnicki von der Universität für Lebenswissenschaften in Posen.

Mit der weiteren Erderwärmung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe würden Starkregen-Episoden noch heftiger und häufiger, warnen die Wissenschaftler. Die Kosten der Klimakatastrophen drohten zu eskalieren. „Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, insbesondere für die ärmeren Teile der Gesellschaft, und alle Europäer müssen wissen, dass die Bekämpfung des Klimawandels ihr Leben sehr viel besser machen wird“, betonte Friederike Otto.

Bereits eine Mitte September vorgestellte Schnellanalyse hatte ergeben, dass der Klimawandel wahrscheinlich großen Anteil an der Starkregen-Episode hatte. „Wir führen die starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück, während die natürliche Klimavariabilität wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielte“, hieß es vom Forschungskonsortium Climameter, einem von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanzierten Projekt.

Vermeidbare Katastrophen

Solche sogenannten Attributionsstudien nutzen Daten zu ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit und gleichen sie statistisch mit Klimasimulationen ab. Nach den Erkenntnissen des Weltklimarats (IPCC) nähmen Extreme im Wasserkreislauf schneller zu als die durchschnittliche Veränderung, hieß es von Climameter auch. Auf lokaler Ebene sei ein Trend zu mehr Flussüberschwemmungen in West- und Mitteleuropa zu beobachten.

„Die Folgen der Flutkatastrophen in unseren Nachbarländern sind dramatisch: zerstörte Ortschaften und Existenzen“, sagte Carla Reemtsma, Klimaaktivistin und Pressesprecherin von Fridays for Future Deutschland, zur Analyse der World Weather Attribution. „Und was es noch schlimmer macht: Es wäre vermeidbar gewesen.“ Dass die Klimakrise eskaliere, sei die direkte Folge von politischer Verantwortungslosigkeit.

Die Wissenschaft habe solche Szenarien vorausgesagt – die Politik habe sie ignoriert, so Reemtsma. Auch Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sagte, die Hochwasserkatastrophe in Mitteleuropa zeige die massiven Versäumnisse beim Klima- und Naturschutz.

Michael Schäfer, Geschäftsführer des Klimaschutzverbands Germanzero, erklärte: „Während viele den Eindruck erwecken, dass Klimaschutzmaßnahmen wie der Verbrenner-Kompromiss oder das Heizungsgesetz zu weit gingen, zeigt diese Studie glasklar: Wer den Klimaschutz weiter ausbremst, wird immer mehr und immer schlimmere Hochwasserkatastrophen ernten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Rücktrittsbegründung des Vorstandes der grünen Jugend "...Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigen"

    Viel Spaß in der APO. Die Linken sind schon da!

  • Eine verdoppelte Wahrscheinlichkeit ist keine adäquate Mitteilung. Das Magdalenenhochwasser 1342 war in seine Wucht bisher einzigartig. Aus dem für Frankfurt überlieferten Pegelstand von 7,85 Meter[5] lässt sich beispielsweise für den Main ein Höchstabfluss von 3700 m³/s bis 4000 m³/s errechnen. Das ist fast doppelt so viel wie beim Hochwasser vom Januar 1995.

  • Vorrangig geht es jetzt um Hochwasserschutz, hier kann relativ schnell gehandelt werden, wenn es nicht, wie leider zu oft, bei leeren Absichtserklärung bleiben soll.

  • Die Lösung der Bauern ist offenbar, dem Klimawandel dadurch entgegenzutreten, dass man AfD wählt. Gratzi dazu!

  • Carla Reemtsma: "Es wäre vermeidbar gewesen."

    Nein wäre es nicht! Nicht im Kapitalismus.



    Kapitalismus und konsequenter Klimaschutz gehen nicht zusammen!

    Konsequenter Klimaschutz würde einen globalen drastischen Verzicht bedeuten, auf Autos, auf Flugzeuge, auf Kreuzfahrtschiffe, auf Fleischkonsum, auf schnelllebige Produkte. Das würde den CO2 Ausstoß drastisch senken, aber zu Millionen Arbeitslosen, zu sinkenden Steuereinnahmen, zu wirtschaftlicher und politische Instabilität führen. Zumal die große Mehrheit nicht bereit ist, auf Konsum zu verzichten, weil sie sich über Konsum von Produkten und Dienstleistungen (u.a. Reisen) definiert.

    Im Kapitalismus ist nur ein sehr verhaltener, sehr langsamer Klimaschutz möglich, mit Windparks, Solarfeldern, E Autos, die wiederum in der Produktion Ressourcenverbrauch und CO2 verursachen. Da führt uns in eine 2,5 - 3 Grad Erwärmung, die nicht mehr aufzuhalten ist.

    Wer konsequenter Klimaschutz fordert, muss auch Systemwechsel fordern und für den Übergang in eine anderes nachhaltigeres, schrumpfendes Wirtschaftssystem überzeugende Konzepte finden, die es bislang nicht gibt.

    • @Paul Schuh:

      Dem ist nichts hinzuzufügen.

    • @Paul Schuh:

      "schrumpfendes Wirtschaftssystem überzeugende Konzepte finden, die es bislang nicht gibt." Das entwickeln wir jetzt bei VW. Wird schon.

      • @GregTheCrack:

        Um VW geht es hier nicht, die Situation ist global zu betrachten.



        Wenn VW strauchelt und ein paar Werke zumacht, dann springen andere internationale Hersteller ein.



        Eine "Schrumpfung" von VW ist kein anderes nachhaltiges Wirtschaftsmodell.

        Ich halte zudem ein anderes nachhaltigeres Wirtschaftssystem als den Kapitalismus für illusorisch.

        Der Kapitalismus wird die fossilen Ressourcen bis zu Ende aufbrauchen, und dazu die planetaren Grenzen ausreizen. Das sind seine Triebkräfte - er kann nicht anders.

        Alle die, die Klimaschutz fordern und nicht von Systemwechsel sprechen, die streuen nur Beruhigungspillen unter die Bevölkerung - als "Dokumentation von Bemühungen." Seht her, wir haben darüber nachgedacht und was gefordert.



        Ich kann es nicht mehr hören.

        Es ist diese Inkonsequenz, welche die Grünen jetzt abstürzen läßt - ihr Kommunikationskonzept, das Wort "Verzicht" zu vermeiden, ist krachend gescheitert.



        Die Mehrheit weiß, bewußt oder unbewußt, das effektiver Klimaschutz ohne Verzicht nicht zu haben ist. Zu so einem Verzicht ist die Mehrheit aber nicht bereit oder nicht in der Lage.

        • @Paul Schuh:

          "Zu so einem Verzicht ist die Mehrheit aber nicht bereit oder nicht in der Lage."

          Ja mei Herr Schuh, in einer Demokratie müssens halt a Mehrheit finden. Wenn sie jetzt sagen a) die haben sie nicht weil b) die Wähler sind nicht bereit, dann kann ich nur sagen: willkommen in der APO oder der Tierschutzpartei. Die LG stellte sich übrigens mutig dem EU-Wähler. Ich glaube sie erhielten 0,8% der Stimmen. Wobei wir wieder oben sind.

        • @Paul Schuh:

          alles richtig.



          Wäre zu ergänzen durch den Hinweis, dass alle unsere gesellschaftlichen Systeme und öffentlichen Dienstleistungen auf das dem Kapitalismus inhärenten Wachstum angewiesen sind, wie der Junkie auf den nächsten Schuss.



          Da es aber kein "unschuldiges" Wachstum gibt bedeutet jedes Wachstum automatisch: steigender Naturverbrauch, sowohl bei der Generierung der Rohstoffbasis als auch bei der Entsorgung des mengenmässig zunehmenden Abfalls unserer Gesellschaften.



          Also heißt Climate Change automatisch Systemwechsel. Wie ein am planetaren Gleichgewicht ausgerichtetes gesellschaftliches System (was deutlich über die Frage nach dem Wirtschaftssystem hinausgeht) für 8, 9 oder 10 Mrd. Menschen aussehen könnte, diese Debatte wäre zu führen. Und dann wären wir beim Thema materieller Verzicht in allen Lebenslagen für die indutriell entwickelten Länder und der Frage nach der weltweiten Gerechtigkeit. Da wir alle mehr zu verlieren haben als unsere Ketten, wollen wir darüber noch nicht einmal nachdenken. Also wird alles seinen erwartbaren Gang gehen. Und die Wetterkatastrophen werden immer mehr Opfer fordern. Auch hierzulande. Und dann verdrängen wir die Zusammenhänge. Bingo.

          • @Favier:

            "Da es aber kein "unschuldiges" Wachstum gibt bedeutet jedes Wachstum automatisch: steigender Naturverbrauch"

            Nein, das ist faktisch falsch.