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Linke fliegt aus LandtagGeschredderte Linkspartei

Brandenburg war eine Hochburg der Linken. Jetzt ist sie krachend aus dem Parlament geflogen – erstmals in einem ostdeutschen Bundesland.

Bis zum Wahlabend galt Sebastian Walter als Hoffnungsträger der Brandenburger Linken Foto: Michael Bahlo/dpa

Am Tag danach herrscht Ratlosigkeit im Berliner Karl-Liebknecht-Haus. 2,98 Prozent bei der Landtagswahl in Brandenburg – wie soll man ein solches Desaster noch erklären? Von einer „Zäsur“ sprechen unisono die beiden scheidenden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan. Das ist das Wahlergebnis tatsächlich: Erstmalig fliegt die Linke aus einem ostdeutschen Landtag. Sie müssten konstatieren, „dass wir im Moment keine ausreichenden Antworten auf die Frage geben können, welche Rolle wir in der Gesellschaft spielen“, sagt Schirdewan zerknirscht.

Von einer „persönlichen Niederlage“ spricht Spitzenkandidat Sebastian Walter. Bis zum Wahlabend galt der 34-jährige Ex-Gewerkschaftssekretär als Hoffnungsträger. Seit 2019 Fraktionschef im Landtag, seit 2022 auch Landesvorsitzender, sei es eigentlich sein Ziel gewesen, „die Linke in Brandenburg zu alter Stärke zurückzuführen“, sagt er. Nun steht Walter vor einem Trümmerhaufen. So dürfte sich die Linkspartei die von ihr stets geforderte Angleichung der Ost- an die Westverhältnisse nicht vorgestellt haben.

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In Scharen sind einstige Linken-Wähler:innen zum BSW übergelaufen. Laut infratest dimap wechselten 41.000 zur Wagenknecht-Partei. „Das BSW hat es geschafft, intensiv Stammwähler der Linken abzuwerben“, muss Walter einräumen. Den letzten Rest habe seiner Partei aber der „Panikwahlkampf“ von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke gegeben, der sein politisches Schicksal an einen Wahlsieg der SPD gekoppelt hatte. Das habe zu einer „politischen Erpressungssituation“ geführt und die Linke „zerschreddert“. Etwa 27.000 Wäh­le­r:in­nen verlor sie an die SPD.

Für die PDS lief es damals besser

Ihren Höhepunkt hatte die Linke in Brandenburg, als sie noch PDS hieß. 2004 landete die Partei mit 28 Prozent nur knapp hinter der SPD. Das war das beste Ergebnis, das die PDS je bei einer Landtagswahl einfahren konnte. Die Linkspartei schaffte nur in Thüringen 2014 und 2019 noch etwas bessere Ergebnisse.

Der Abstieg begann mit dem vermeintlich größten Erfolg: ihrem Regierungseintritt 2009. Zehn Jahre durfte die Linke in Potsdam mitregieren. Anspruchslos wie unambitioniert begnügte sie sich dabei mit der Rolle der Mehrheitsbeschafferin für die SPD. 2019 wurde sie schließlich von Woidke mit nur noch 10,7 Prozent in die Opposition geschickt.

Mitte der 1990er Jahre hatte die PDS mehr als 18.200 Mitglieder in Brandenburg, geblieben sind etwa 4.000. Der Niedergang sei „Ergebnis einer langen Entwicklung“, konstatiert der frühere Bundestagsabgeordnete Thomas Nord, der dem Landesverband zwischen 2005 und 2012 vorstand. „Zentral ist dabei das Wegsterben der Generation, die sie drei Jahrzehnte getragen hat.“ Ein erfolgreicher Generationswechsel habe nicht stattgefunden. „Dazu beigetragen hat die ausgebliebene positive Profilierung in der rot-roten Koalition 2009 bis 2019 und natürlich das Desaster der anhaltenden Beliebigkeit auf der Bundesebene“, sagt Nord der taz. Sebastian Walter hofft nun auf einen „Neuaufbau“ der Partei.

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17 Kommentare

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  • Ist nicht das BSW die neue Linke?

  • 25.000 Linke-Wähler sind zur SPD gewandert. Der Erpressungsversuch Woidkes hat gefruchtet. Sie haben sich von ihrer eigenen Partei abgewandt, um die AfD zu verhindern.

    Ohne diese Erpressung wären Grüne und Linke noch im Parlement.

    Dass damit jetzt die AfD eine Sperrminorität hat, freut Herrn Woidke vielleicht auch nicht. Aber er hat sein Pöstchen behalten. Danke dafür. Mir wäre der andere Weg lieber gewesen. Man hätte eine Rotrotgrüne Koalition bilden können - ohne Sperrminorität der AfD.

  • „Das BSW hat es geschafft, intensiv Stammwähler der Linken abzuwerben“



    Vielleicht waren das gar keine Stammwähler der Linken, sondern Stammwähler von Frau Wagenknecht.



    Und, war die Linke nicht auch in Sachsen schon unter der 5%?



    Ratlosigkeit im Karl-Liebknecht-Haus...ist auch schon egal, die Linke ist Geschichte.

  • Die Linke hat es nie geschafft, ihren Kompass neu auszurichten und darzustellen, was linke Politik im 21.Jahrhundert kann und will. Die frühen 'Erfolge' in den östlichen Bundesländern verdeckten diesen programmatischen Mangel. Die Partei konnte in den Wahlkämpfen um die Macht mitspielen und stellenweise sogar mitregieren. Öffentlich durch eine Führungsriege präsentiert, deren Mitglieder um Anerkennung konkurrierten und über Richtungsfragen stritten, sank der rote Stern. Dabei böte der (neo-)liberale Mainstream in Politik und Gesellschaft ausreichend Ansatzpunkte gemeinwohlorientierte Alternativen zu vertreten, wie z.B. bezahlbares Wohnen, Bildungsmisere oder, neue prekäre Arbeitsverhältnisse. Das sind Themen mit breiter gesellschaftlicher Relevanz, da sie viele Menschen betreffen und fast jedeR eineN kennt, der damit ein Problem hat.

    Momentan täte die Linke gut daran, sich von unten neu aufzustellen. Ortsverbände öffnen und gemeinsam mit BürgerInnen konkrete Probleme vor Ort lösen und dabei demonstrieren, das und wie basisdemokratische und gemeinwohlorientierte Lösungen funktionieren können.

  • „Das BSW hat es geschafft, intensiv Stammwähler der Linken abzuwerben ... Den letzten Rest habe seiner Partei aber der „Panikwahlkampf“ von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke gegeben, der sein politisches Schicksal an einen Wahlsieg der SPD gekoppelt hatte. Das habe zu einer „politischen Erpressungssituation“ geführt und die Linke „zerschreddert“.



    Bekanntlich war die Linkspartei nach mehreren Häutungen aus der ehemaligen Staatspartei SED der ehemaligen DDR hervorgegangen. Aus dieser Zeit stammt wohl noch die Mentalität, sich für "Erfolge" selbst zu loben, für "Misserfolge" aber stets Schuldige anderswo zu suchen. Selber schuld war man aber nie (siehe: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht ...")!

  • Die Linke mit ihrem Semi- Intellektuellen Geschwafel vertritt schon sehr lange nicht mehr die Interessen der Facharbeiter und Hilfsarbeiter!!

  • Ich weiß nicht, wie der Neuaufbau gehen soll, wenn die Partei eine Konkurrenz BSW hat.



    Die Partei hätte in den letzten zehn Jahren viel mehr Mitglieder werben müssen. Die inneren Strukturen hätten verbessert werden müssen. Selbst wenn es jetzt deutlich besser gemacht wird, wäre es schwer, die 5-Prozent zu schaffen, um ins Parlament zu kommen.

  • „dass wir im Moment keine ausreichenden Antworten auf die Frage geben können, welche Rolle wir in der Gesellschaft spielen“



    Martin Schirdewan hat den Grund für die "Zäsur" unbewusst beantwortet. Die Wähler haben den Egozentrismus der Partei abgestraft. Denn die eigentliche Frage lautet, welche Problemen beschäftigen die Menschen in Brandenburg/diesem Land, wohin können und wollen wir als Gesellschaft und welche realistischen Vorschläge bieten Parteien in diesem Kontext. Keine Personalien, politischen 'bubbles', rosa Brillen, Fahnen oder Wunschsätze, die schon 16-jährige durchschauen.

  • Die Linke macht Intellektuellen Dogma Bullsh..t



    seit Jahrzehnten. Anstatt den "Kleinen Bürger" zu vertreten.

  • Seltsam, dass man sich über das Ergebnis wundert. In der Linken hat es einen Flügelkampf gegeben. Die aktuelle Parteiführung wollte die Partei zum politischen Flügel des Wokismus in Deutschland machen. Der Teil um Wagenknecht bei der alten Tradition der SED/PDS bleiben. Diese Richtungen waren unvereinbar, logisch, so ist der Wagenknecht-Flügel ist gegangen.

    Jetzt muss man feststellen, dass es nicht genug Woke gibt in Brandenburg für Mehrheiten. Die alte Wählerschaft ist mit Wagenknecht gegangen. Genaugenommen geblieben bei ihrem Flügel.

    Die Woken haben sich komplett verspekuliert, zumindest, was den Osten betrifft. Haben sie jemals geglaubt, die alte Wählerschaft in der Fläche mit FLINTA, Gendern und Open Border zu überzeugen?

  • Ja, das ist bitter für die Linke.



    Es ist allerdings eine zweifelhafte Strategie, die Schuld nur bei Anderen zu suchen.



    Schuld hat also das BSW, obwohl die vielleicht einfach weiterhin Sarah Wagenknecht gewählt haben und Schuld hat die SPD, weil sie ebenfalls zur Wahl ihrer Partei aufgerufen hat.



    Die Linke trägt keinerlei Schuld.



    Es war allerdings evtl. nicht der geschickteste Schachzug, dass die Vorsitzenden noch vor den Wahlen ankündigten, das sinkende Schiff verlassen zu wollen.



    Vielleicht wollten auch viele Linken Wähler einfach nicht, dass in Ihrem Bundesland die "afd" stärkste Kraft wird. Ich würde das auch nicht wollen.

  • Links Sackgasse, aber was ist eigentlich das BSW - links, mitte oder rechts?

  • Wie jetzt?



    Wollte die von Wagenknecht befreite Linke nicht mit moderner, progressiver, linker Politik durchstarten?



    Was erlauben Wähler?

    • 6G
      611245 (Profil gelöscht)
      @Steinchen Frank:

      Vielen Dank, genau das wollte ich auch schreiben. Mir sind diese Ansagen auch noch deutlich in Erinnerung.

    • @Steinchen Frank:

      Die Partei sollte sich in einem basisdemokratischen Prozess zunächst mal selbst finden und sich um Arbeiter bemühen und nicht für jede noch so kleine partikularinteresse die große Bühne ausrollen, dann klappt's auch wieder mit dem Wähler!

    • @Steinchen Frank:

      Ja, sehr schön, dass sie daran erinnern.

      Die böse Sarah, die immer nörgelte, dass die Linke zu wenig links wäre ... am Lack kratzte, und so weiter.

      Dabei wars wohl eher umgekehrt: Sara befreite sich von ihren fesseln ,-)

    • @Steinchen Frank:

      Wie soll man es solchen Wählern recht machen, die Parteien wählen, die ihnen komplett unrealistische Versprechungen machen und Hoffnungen auf Änderungen schüren, deren Umsetzung uns ins Elend und weg von der Demokratie treiben wird?