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Die WahrheitSchlimm, schlimm!

Kommt jetzt das „Bündnis Luisa Neubauer“? Und was macht eigentlich die ausgetretene grüne Jugend? Ein Insider-Bericht.

Bild: Dorthe Landschulz

Jede und jeder weiß es, irgendwann kommt einmal der Tag, an dem die Kinder das Haus verlassen. 18 lange Jahre gehen mit einem Fingerschnips, einem Fußtritt und einer erleichtert ins Schloss fallenden Haustür unwiederbringlich zu Ende; und was dann kommt, wissen alle: Die Kinderzimmer werden entmüllt und umgewidmet, meist zu solch gewinnbringenden Räumlichkeiten wie Nähzimmern oder Hobbyräumen, nur die ersten Wochenenden dräuen noch mit Pushbacks und Wäschesäcken, aber auch das vergeht. So ist das Leben. Also die Realität. Denn die war schon immer so und wird immer so sein. Es ändert ja auch niemand was daran.

Apropos, wie läuft das denn in der Politik? Die Zeitung war in den letzten Wochen voller Schlagzeilen, und ganz unten, irgendwo unter Vermischtes, da stand es dann: „Grüne Jugend tritt aus“. Bereits fünf Landesvorstände der bundesdeutschen Jugendabteilungen der Grünen Partei haben in den letzten vierzehn Tagen das grüne Handtuch geschmissen, Tendenz steigend, und sind aus dem Grünen Haus der „Mutterpartei“ ausgezogen.

Aber warum? Echt darum? Wegen Abi gemacht und jetzt lockt die große Welt des endlosen Studiums, der Erstsemesterpartys, der billigen Drogen und WGs mit Putzplan und Plenum im Moloch der Großstadt? Quo vadis, junge Grüne? War das jetzt alles zu viel des Grünen?

Schauen wir einmal auf die Begrünungen, nein, Begründungen der hinter den Ohren Grünen. Angeblich behagt der Grünen Jugend alles Grüne nicht mehr – von der grünen Wiese bis zum grünen Schleim. Keine froschgrünen Frösche mehr, die behutsam über die Datenautobahnen getragen werden, keine Topfpflanzen am Veggie Day.

Nicht mehr wärmepumpengepampert nächtigen

Fünf Landesvorstände sind gegangen, und täglich werden es mehr. Was ist da nur los? Was machen all die Katharinas, Franziskas, Steffens und Larse denn jetzt, wo sie nicht mehr unter dem mittelständischen Obdach der Mutterpartei wohlbehütet und wärmepumpengepampert nächtigen?

„Ich verlasse die Grüne Partei, weil sie nicht bereit ist, sich mit den Reichen und Konzernen anzulegen, um die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend zu ändern“, sagt Katharina. Und Lars erklärt: „Das, wofür wir kämpfen, lässt sich an diesem Ort nicht erreichen. Stattdessen trägt die Partei Sozialleistungskürzungen und Asylrechtsverschärfungen mit und fördert so gesellschaftliche Spaltung.“ Oh, sorry, das war ja Echttext jetzt! Tschuldigung, das war nicht so geplant. Regie!

Sagen wir also lieber, die Grüne Jugend „achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“, ganz so, wie es die Sumerer schon im Jahr 3000 vor unserer Zeitrechnung gewusst und in Stein gemeißelt haben. „Shame, shame, shame!“, skandieren da die enttäuschten Eltern via Zoom. „Zoo statt Zoom!“, kontert da die Jugend!

Denn was heißt schon „übernommene“ Werte? Überkommene! Und ist die Jugend nicht schon immer so gewesen? „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“, und zwischen diesem Stein der Weisen aus Babylon und dem der Sumerer von weiter oben im Text lagen auch noch mal schlappe 2.000 Jahre!

Die Eltern jedenfalls weinen nicht. Die Jungen haben endgültig ausprotestiert. Jetzt sind und werden sie ausgezogen, die Zimmer werden schnellstmöglich renoviert, die Wände lindgrün gestrichen, und bald ziehen schon die neuen Kader und Kadetten ein. Mutter Renate sieht das mit den Seitenwänden sowieso ganz gelassen: „Wer so Sozialismus-Ideen hatte, war von Anfang an bei den Grünen falsch.“

Klar, den Grünen ist es nie um die Befreiung des Menschen gegangen, höchstens um die der Umwelt. Ansonsten geht es den Eltern ja immer um die Realität, um Realpolitik. Also darum, alles mitzutragen, was von den Großeltern aus SPD und FDP oder CDU verlangt wird. Kurzum: um Aufrüstung und Ausländer raus. Und um Sozialabbau, wenn mal wieder danach gefragt wird, wie dieser Tage erneut beim Unmündigebürgergeld. Umwelt nur, wenn das irgendwie Geld oder Prestige bringt oder gut für die Wirtschaft ist oder gerade der Zeitgeist danach hängt.

Klimawandel, das interessiert am Ende des Tages beziehungsweise aller Zeiten doch wieder nur die aus der Klimablase. „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“, wusste bereits Sokrates 500 Jahre nach den Babyloniern.

Also, Grüne Jugend, was tun? Erst mal Entziehungskur, sagt Lisa, nach den Klimaprotesten sind viele auf Klebstoff hängen geblieben. Dann muss eine neue Dachorganisation her, eine eigene. Also nicht „Grüne Junge Erwachsene“, sondern irgendwas „links Orientiertes“, wie Katharina und Lars meinen. Eine neue Partei! „Und dabei von rechts lernen“, heißt es anonym. AfD und BSW hätten es vorgemacht, warum sollte so was nicht auch für die Grüne Jugend gehen? Also „Bündnis ­Luisa Neubauer“?

Nee, nee, das kann man nicht nach draußen verkaufen. „Alternative Liste für Deutschland“? Gar nicht schlecht, aber man ist ja gar nicht für Deutschland, sondern eher gegen. Irgendwas mit Farben? Die Violetten, die Blauen, die Grauen? Gab es alles schon, hat auch keine Wähler hinter dem Heizungsgesetz hervorgelockt. „Die Linke“ wäre doch eine Idee! Ah, die gibt es schon. Obwohl, auch nicht mehr lange.

Schon die Chaldäer wussten es ganz genau: Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern

Gucken wir nach Österreich. Da sind schon viele junge Grüne komplett und geschlossen zur KPÖ abgewandert, in Deutschland gibt es keine kommunistische Partei, und die, die es gibt, ist ungefähr so interessant wie die MLPD. Immer diese Abkürzungen aber auch!

„Bewegung“ wäre natürlich auch eine Option. Eine Bewegung, besonders eine Jugendbewegung, wollten doch alle mal sein, oder ein Teil davon, so eine Bewegung hat schließlich was Mobiles, das geht nach vorne, fast so wie Aufstehen. „Die Klimabewegung“, das wäre ein geiler Name für das Ding! Oder ist das zu offensichtlich? Schwierig. Und währenddessen hören die Probleme da draußen einfach nicht mehr auf! Kriegerische Zeiten sind das!

Ach, wo soll das alles nur hinführen! Sagen wir es mit den Chaldäern, einem semitischen Volk von vor über 4.000 Jahren: „Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“

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8 Kommentare

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  • Ganz ehrlich?



    Jedem normalen grünen Parteimitglied, das sich das Austrittsvideo des GJ-Bundesvorstands angesehen hat, dürften vor Erleichterung multiple Steine vom Herzen gefallen sein.

  • nie ist unzutreffend.vbevor diese ganzen realointriganten die mitbegründer der grünen aus der partei mobbten hatte es durch aus ökosozialisten... und einige sogar..da ist renate künast leider sehr vergesslich.. denn das logo der grünen war einmal, basisdemokratisch pazifistisch,ökologisch..und integrativ.



    selbst die spd kannte noch ihren selbstverhinderten demokratischen sozialismus...damal war noch völlig klar,das kapitalismus antimenschenrechtsdemokratisch ist und daher zu überwinden notwendig.



    heute ist die brd eher eine menschenrechtsabwicklungsgemeinshaft...in der verantwortungsethische menschen gar nicht mehr wählen gehen können ohne sich strafrechtlich zu belasten. u.d. auch wegen d. abschiebungen von durch den erdoganextremismus verfolgte ethnische bedrohte kurden..der neueren waffenlieferungen an dieses die kurden selbst außerhalb dertürkey bekriegenden regimes.



    nicht die notwendig richtigen waffenliferungen an d. ukraine,aber d.



    klimazerstörungsbeiträge u. d. immer noch ausgesetzte vermögenssteuer,trotz finanziellem notstand..die rechtswidrigen u.,unwissenschaftl.liquidierungen d. streng geschützten wölfe ,lützerath ,



    danni u.v.a. sind eindeutig antiökologisch

  • Den Austritt aus der Grünen Jugend kann ich als mutigen Schritt nur begrüßen.



    Wo der Zug endgültig abfegfahren und alles unrettbar verloren ist, vor allem der seit je her viel zu dünne demokratischen Gehalt, bleibt eben diese Option, wenn man es noch ernst meint mit Umweltschutz, Antifaschismus, neuer Ökonomie und ökologischer Gesellschaftsorientierung.



    Die Frage ist: Brauchen wir noch 'ne neue Partei, oder sollte sich politisch nicht eh anders ausgerichtet werden als an diesem elenden parlamentarischen System mit seiner Parteienwirtschaft (Ampel-Schwampel-Gehampel und plötzlich stehen die Nazis vor der Tür, an die der Löffel abgegeben werden soll)?



    Mein Vorschlag ist deswegen sich weiterhin außerparlamentarisch zu organisieren und die Perspektive darauf auszurichten, die Politik der Parteien durch eine Politik der NGO's (plus Gewerkschaften, die ja ebenfalls NGO's sind) zu ersetzen.

  • Hier die andere andere 🕳️🕳️Splitterpartei!



    Als Road-Map! “Seit Beginn der 1970er Jahre gab es junge FDP-Mitglieder, die mit der Politik der damaligen FDP-Jugendorganisation Jungdemokraten nicht einverstanden waren. Während sich die Jungdemokraten als Teil der Außerparlamentarischen Opposition betrachteten, der sich auf dem Marsch durch die Institutionen befand („Die FDP ist die Agentur der Kräfte, die wir eigentlich bekämpfen“) …tendierten die Gründer der JuLis mehr zum damaligen rechten, dem klassischen Liberalismus zuneigenden, Flügel. Erste regionale liberale Jugendorganisationen, die sich von den Jungdemokraten absetzten, entstanden ab…1974 …1981 verabschiedeten die Jungen Liberalen ein von Hartmut Knüppel (!) aufgesetztes, Thesenpapier zu einer Ökologischen Marktwirtschaft.



    Es wird hierin eine Entwicklung von der freien Marktwirtschaft über die Soziale Marktwirtschaft zur Ökologischen Marktwirtschaft aufgezeigt. Für die zu entwickelnde Ökologische Marktwirtschaft wird gefordert, das Verursacherprinzip konsequent anzuwenden, sowie Umweltbelastungen mittels Steuern und Lizenzen zu reduzieren.…“

    kurz - “alter Blödmann 🤬 - Go home!“



    Na bitte - das wär‘s doch! Viel 🍀 🌻 •

  • taz: *Klar, den Grünen ist es nie um die Befreiung des Menschen gegangen, höchstens um die der Umwelt.*

    Und heute geht es den Grünen nicht mal mehr um Umwelt- und Klimaschutz. Die "Alt"-Grünen haben sich den anderen Parteien schon total angepasst und sind Berufspolitiker geworden - denn mit einem lukrativen monatlichen Politikergehalt kann man seine grünen Ideale auch viel besser über Bord werfen. Derweil wächst der Klimawandel stetig weiter (die CO2-Konzentration ist schon auf über 420 ppm angestiegen) und die Armen werden sogar noch ärmer in diesem "Sozialstaat" (ca. 1000 Essentafeln haben wir schon in diesem Land und die Bürgergeldsanktionen will man sogar noch verschärfen).

    Was Deutschland fehlt ist eine echte soziale Klimapartei. Mit den jetzigen Grünen, aber auch mit der unsozialen SPD, wird es sozialen Klimaschutz jedenfalls nicht geben.

    • @Ricky-13:

      So, wie wir aktuell leben und den Klimawandel angehen, sind sozial und umweltbewusst grundsätzlich Gegensätze.

      Wo man versucht hat durch finanzielle Abstrafung oder Vorschriften den Klimawandel zu bekämpfen hat man Leuten die Lebensplanung, die sie vor Augen hatten, verwehrt. Die Akzeptanz der Maßnahmen und das Ziel des Klimaschutzes waren für die, die das betrifft, dann nur noch Hürden.

      Es gilt als ein Wohlstandsproblem - wer kein Geld und wenig Perspektive oder Ambitionen hat, der ist froh wenn er lebt, wie man sagt. Die Akzeptanz dafür, ein schwereres und insbesondere teureres Leben zu führen, ist dort i.d.R. nicht vorhanden.

      In der Zwischenzeit leben wir in den Fluten und erwarten wieder einen ungewöhnlichen Sturm. Da heißt es dann wieder, die Politik hätte die Leute im Stich gelassen.

      Politik heißt aber auch nicht, dass man gleich seine Ideen in die Tat umsetzen würde. Es gibt viele Ideen. Es werden Diskussionen angestoßen, die ihre Zeit benötigen. Vor allem aber sind Politiker dazu gezwungen sich zu verkaufen, weil sie sonst nicht gewählt werden. Sachliche Redebeiträge aus dem Bundestag z.B. findet man in den Medien so gut wie gar nicht wieder.

      • @ImInternet:

        co2 intensive handlungen sind ab einer bestimmten menge exakt menschenrechtswidrige handlungen.das wurde 1992 wissenschaftlich nachvollziehbar belegt.von deutschen spitzen wissenschaftlern.man kann aber auf menschenrechtswidrige handlungen keine abgaben verlangen.das wäre zunächst erst euinmal prioritär die suspendierung von menschen u. völkerrechten.das ist wohl logisch folgerichtig.trotzdem läuft es aber so. und für viele co2 intensive sachverhalte werden dann noch intakte sauerstoffspendende und trinkwasser erreichbar haltende wälder in d. brd gerodet.. oder für energieologarchen mit antimenchenrechtsdemokratischen



        energie monopolen geschützte artenreiche nadelwälder an der oder.



        es hat viele klimazerstörungshandlungen..wölfe ermorden ist eine solche..wölfe sind waldökologisch besonders wertvoll. wo wölfe jagen wächst der wald..steigt die artenvielfalt.

  • "Und freitags gibt's Zukunft" , abgekürzt

    UfgZ

    , das wäre ein alternativer Partei-Name zu "Alternative für ...", weil "Alternative für ..." nunmehr mit folgender Bedeutung aufgeladen ist: "Alternative für Deutschland" ist gleichbedeutend mit "Verführung zu einem Deutschland, wie wir es doch nie wieder wollten, und das nie wieder aus gutem immer noch gültigem Grund."

    Eine Freitagspartei statt einer Reichspartei. Um die mit dem Zerfall der FDP heimatlos werdenden Liberalen als Politikexperten an Bord zu holen, wird die liberale Losung sein "Freitags frei für Zukunft". Endlich die 4-Tage-Woche, wobei der freie Freitag aber dazu dienen soll, Freunde und Bekannte der Parteimitglieder zu treffen und mit ihnen ergebnisoffen zu beraten, was ganz konkret und mit welcher positiven Wirkung zusammen für die Umwelt erreicht werden kann, sprich: Das Projekt Klimaschutz runter holen von der Politik, für die ja immer wieder etwas ganz großes dazwischen kommt, so dass man die Umweltpolitik zurückstellen, runterfahren oder gleich ganz bleiben lassen muss, auf jeden Fall wichtige Umwelt-Ziele wieder prokrastiniert a la Habeck, der nun auch noch Kanzler werden will. Die Jugend flieht vor Hybris!