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Klima-Umbau bei Thyssen-Krupp in GefahrGrünes Stahlprojekt auf Prüfstand

Thyssen-Krupp wollte Milliarden investieren, um klimafreundlicheren Stahl mit Wasserstoff zu erzeugen. Doch nun geraten die Pläne ins Wanken.

Thyssen-Krupp-Stahlwerk in Duisburg: Hoffnungsträger für den klimagerechten Umbau der Industrie Foto: Jochen Tack/imago

Freiburg taz | Ein Prestigeprojekt der Bundesregierung und der deutschen Stahlindustrie steht plötzlich wieder auf dem Prüfstand: Thyssen-Krupp Steel Europe überarbeitet seine Businesspläne und untersucht dabei auch die Option, den bereits begonnenen Bau einer Anlage zur Herstellung von „grünem Stahl“ mittels Wasserstoff zu stoppen. Zuerst hatte das Handelsblatt über diese Entwicklung berichtet.

Hintergrund ist die wirtschaftlich schwierige Situation bei der Thyssen-Krupp AG und ihrer Tochter Thyssen-Krupp Steel Europe, die sich auch darin äußert, dass der Aktienkurs von Thyssen-Krupp sich seit Jahresbeginn halbiert hat. Die Lage habe sich „stark zugespitzt“, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK); es müssten nun „alle Beteiligten daran arbeiten, das Unternehmen schnell wieder in ruhiges und stabiles Fahrwasser zu führen“.

Würde das Vorzeigeprojekt abgebrochen, wäre das vor allem für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bitter. Der war im Juli vergangenen Jahres eigens nach Duisburg gereist, um der Firma einen Förderbescheid in Höhe von 2 Milliarden Euro zu überreichen. Mit dieser „substanziellen Förderung“ könne Thyssen-Krupp ein „Leuchtturmprojekt umsetzen und einen entscheidenden Schritt auf dem Transformationsweg zu grünem Stahl gehen“, sagte der Minister damals. Dies sei „ein guter Tag für das Klima, die grüne Industrie in Deutschland, für den Standort Duisburg, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.

Substanziell ist die zugesagte Fördersumme in der Tat: Bei Eigeninvestitionen, die Thyssen-Krupp mit „knapp einer Milliarde Euro“ angibt, bedeuten 1,4 Milliarden vom Bund und 600 Millionen vom Land NRW eine Förderung in Höhe von zwei Dritteln der Projektkosten. Rund ein Viertel der Fördersumme soll bereits geflossen sein. Es seien „substanzielle Schritte bereits umgesetzt“, so das BMWK.

Größtes Dekarbonisierungsprojekt

Offiziell heißt es bislang noch, dass das Projekt fortgesetzt wird

Gleichwohl untersucht das Unternehmen derzeit den Stopp des Projekts, als eine Option. Man prüfe „fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von Thyssen-Krupp langfristig klimaneutral aufzustellen“, sagte das Unternehmen der Nachrichtenagentur Reuters. Offiziell geht das BMWK allerdings bislang noch davon aus, dass das Projekt, das Habeck einst als „das größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland“ bezeichnete, fortgesetzt wird.

Konkret geht es um eine „wasserstofffähige Direktreduktionsanlage“ mit dem Projektnamen „tkH2steel“. In dieser wird Eisenoxid statt mit Kohle mit Wasserstoff zu Eisen reduziert. „Das innovative Konzept ermöglicht die Beibehaltung aller nachfolgenden Prozessschritte ab dem Stahlwerk und gewährleistet damit auch für CO2-reduzierten Stahl eine gleichbleibend hohe Produktqualität“, erklärte der Konzern zum Projektstart. Die Kunden erhielten damit weiterhin das „komplette, hochwertige Produktportfolio in der gewohnten Premiumqualität“. Die jährliche Kapazität wurde mit 2,5 Millionen Tonnen Eisen angegeben.

Die offiziell noch geltenden Pläne sehen vor, dass die Anlage Ende 2026 in Betrieb geht und ab 2027 stufenweise auf grünen Wasserstoff umgestellt wird. Im Jahr 2029 soll sie mit rund 143.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr betrieben werden. Um diese Wasserstoffmenge mittels Elektrolyse zu erzeugen, sind rund sieben bis acht Milliarden Kilowattstunden Strom nötig – etwa anderthalb Prozent der gesamten Strommenge, die in Deutschland jährlich erzeugt wird.

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10 Kommentare

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  • Und oh, @MARTIN SAUER: zwei von diesen drei Milliarden gehen ohnehin "aufs Haus" (also auf uns Steuerzahler*innen). Artikel nochmal lesen.

  • @SONNENHAUS, @MARTIN SAUER

    Ja, dann hätten die armen Aktionäre noch womöglich in Sam Bankman-Fried investieren müssen ;-D

  • Nuja. 2023 haben die noch 90 Mio an die Aktionär*innen ausgeschüttet. Hat man halt nicht kommen sehen.

    Was die Management-Etage eigentlich den ganzen Tag?

    • @tomás zerolo:

      Das Projekt soll mindestens 3 Miliarden kosten. Stand heute. Und am Schluss sind es 6 Miliarden. Und das Aktionäre Dividen bekommen ist doch völlig normal. Die letzte Vierteljahresdividende war 4 Cent !! pro Aktie

      Ohne Aktionäre gebe es kein Thyssen, kein VW

      • @Martin Sauer:

        Tja wenn wir heute schon ahnen das aus 3 Mrd. ganze 6 Mrd. werden, stellt sich wirklich die Frage, was machen die den ganzen Tag!

      • @Martin Sauer:

        Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ohne TK gäbe es keine Rendite für die Aktionäre. Im Übrigen sind 4 cent viel zu viel. Aktionäre investieren ja eh nur wenn das Risiko möglichst gering ist. Wenn es darum geht in innovative entwicklungsoffene FDP Vorstellungen zu investieren siehst Du keinen von denen!

  • Die anderthalb Prozent der gesamten Strommenge, die in Deutschland jährlich erzeugt wird, schaffen wir bis dahin regional zu erzeugen. Also keine Tanker aus Afrika nötig.



    Auch nicht die Kapazitätsanteile bei den LNG-Ladestellen nötig. Das spart Geld das Herr Lindner eh nicht frei gibt. Also machen wir uns unabhängig von der FDP und gehen den innovativen technologieoffenen Weg weiter ohne FDP, die sonst nur kurz vor Einweihung der Produktion einen Rückzieher macht und Fördergelder streicht.

    • @Sonnenhaus:

      Das ist vielleicht etwas optimistisch. Bitte Bedenken, dass wir hier über EINE regionale Anlage in Duisburg reden. Betrachtet man den deutschen Primärenergiebedarf (6 Mal so hoch wie der gesamte deutsche Strombedarf) und dann den Anteil daran, der aus Kohle und Gas kommt, zeigt sich, welche Rolle Wasserstoff zukünftig spielen kann und welche nicht.

  • "Doch nun geraten die Pläne ins Wanken."



    Dann muss Habeck (bzw. der Steuerzahler) eben noch eine oder zwei Milliarden drauflegen :-)



    Eine an der Grenze der Rentabilität arbeitende Stahlproduktion durch eine Umstellung auf einen teureren Energieträger retten zu wollen, erinnert an Schilda.

    • @sollndas:

      Ja, darum geht es wohl. Thyssen wird das zu teuer und die wollen noch mehr Geld haben. 2 Milliarden wurden schon zugesagt. Eine halbe Miliarde hat Thysen schon erhalten, und es ist fraglich ob die die überhaupt zurück zahlen können.