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AfD-Wählende in Brandenburg Eigentlich stolz ostdeutsch zu sein

Kommentar von Dennis Chiponda

Unser Autor ist Ossi und in den Baseballschlägerjahren aufgewachsen. Er fragt sich, ob er einfach zusehen muss, wie die AfD seine Heimat verschlingt.

Deutschlandfahne als Sichtschutz bei einer Wahlkampfveranstakltung der AfD in Oranienburg am 11. September Foto: Florian Boillot

I ch stelle mich oft als Kind internationaler sozialistischer Liebe vor, denn meine Eltern sind als Vertragsarbeiter aus Polen und Mosambik in die DDR gekommen. 35 Jahre nach der Wende brodelt der braune Morast in Brandenburg. Ihr wählt eine Partei, die Menschen wie mich „abschießen“ und „deportieren“ will.

Doch diese Heimat ist auch meine Heimat. Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl ist auch mein Lieblingsgericht. Meine Familie hat gekämpft, um Lausitzer zu werden. Und so sehr wir Brandenburg lieben, so sehr spuckt ihr uns gerade ins Gesicht, wenn Braun gewählt wird.

Was passiert wenn die AFD gewinnt

Glaubt ihr ernsthaft, mit den Braunen wäre alles besser? Erinnert euch an die Baseballschlägerjahre: Kahlschlag, Abwanderung, Perspektivlosigkeit. Die Folgen sind heute noch zu spüren. Und ihr glaubt, Nazis reparieren, wo Nazis als Brandbeschleuniger fungiert haben? Es waren nicht nur die mangelnden Zukunftsaussichten, weshalb Ströme von Abiturienten wegzogen.

Ich kann euren Stinkefinger gegen die Regierungen der letzten 24 Jahre nachvollziehen, aber ist er es wert, die Schuld für Hetzjagden, Gewalt und Tod auf euch zu nehmen? Werdet ihr es sein, die uns vor den braunen Samaritern beschützen, die ihr gerade stark macht? Menschen wie Amadeo Antonio, Augustin Blotzki, Timo Kählke habt ihr nicht beschützt. Uns alle kann die Menschenverachtung der Nazis treffen. Lugt ihr wie zur NS-Zeit und in den 90ern nur hinter den Gardinen hervor und schaut zu? Wollt ihr sagen, ihr habt von nichts gewusst? Wollt ihr euch wieder als Opfer stilisieren, obwohl ihr ihnen zur Macht verholfen habt?

Ostjugend-Dossiers

Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden

Warum richtet sich ein Land nach einer antidemokratischen Minderheit? Menschen, die versuchen, mir meine Heimat wegzunehmen. Denn das bedeutet es, wenn ich durch „wohltemperierte Grausamkeiten“, wie Björn Höcke in seinem Buch schreibt, mit Gewalt vertrieben werde. Im Ausland spricht man schon über „Nazi-Deutschland 2.0“. Verdrängung ist keine Aufarbeitung! Ihr könnt den braunen Teufel an die Wand malen und wir anderen müssen damit leben. Faschismus, Fremdenfeindlichkeit, Morde und Gewalt: Spricht man euch darauf an, tut ihr so, als hättet ihr noch nie eine Rede von Höcke gehört. Die Morde in Halle und Hanau und die Ermordung Walter Lübckes waren keine Einzeltaten. In Sachsen und Thüringen haben 52 Prozent der AfD-Wähler diese Partei am 1. September wegen ihres Inhalts gewählt – nicht aus Protest.

Nun liegt es an Brandenburg

Und nun ist Brandenburg daran, und: Ihr steht am Abgrund. Aber noch könnt ihr umkehren. Wählt ihr die AfD, seid ihr mitschuldig an allem, was kommt. Sagt bloß diesmal nicht wie damals, ihr hättet von nichts gewusst.

Ich werde weiter für einen weltoffenen Osten kämpfen. Ich werde immer Ostdeutscher sein, aber der Stolz auf das, was wir erreicht haben, weicht mehr und mehr einer Entfremdung. Denn ich werde nicht abwarten, bis die ersten Deportationszüge rollen. Ihr werdet dann allein in eurem braunen Sumpf sitzen – umgeben von Ruinen, ohne Arbeit, ohne Jugend, ohne Zukunft.

Dennis Chiponda (32), in Senftenberg geboren und aufgewachsen, arbeitet zu den Themen Ostdeutschland, Rassismus, Queerness und Klassismus in Leipzig. Nach einer Zeit in Nürnberg merkte er schnell, dass er sich nicht für Menschen einsetzen kann, deren Biografien er nicht versteht und die ihn nicht verstehen. Also zog es ihn zurück in den Osten.

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25 Kommentare

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  • Egal wie die Wahl ausgeht, sollten wir uns über die hohe Wahlbeteiligung freuen.

    Das Ergebnis dieser Wahl ist demokratisch, egal wie die Wahl ausgehen wird.

    • @Gurkenbrille:

      Welch große demokratische Freude, dass Wahlbeteiligung und -ergebnis den Demokratieverächtern von der AfD eine Sperrminorität verschafft haben. Das erleichtert es natürlich ungemein, die demokratischen Institutionen gegen antidemokratische Übergriffe und Unterlassungen zu harnischen. Toll!

      • @MeinerHeiner:

        Es wurde demokratisch gewählt, das Ergebnis ist anzuerkennen. Mehr gibt es dazu doch nicht zu sagen. Die Wähler entscheiden, wie soll es auch anders sein. Ich verstehe ihre Aufregung nicht. Es haben mehr Leute als sonst gewählt, das zeigt eine lebende Demokratie.

        • @Gurkenbrille:

          Nö. Wählt der deutsche bravgutbürgerliche Mittelstand, zudem sein krumm geratener Nachwuchs Faschisten,



          muss ich das keineswegs anerkennen.

          das ist nämlich die Lehre und der Job aus der deutschen, heimatverbundenen Heimatgeschichte der heimatlichen Heimat Deutschland.

          Und steht auch in Art.20 Abs.4 als Pflicht und Recht.

          Faschisten in einer demokratische Wahl in ein demokratisches Parlament zu wählen, ist nu kein historischer Erstfall für die gutbravbürgerliche Bräsigkeit "nur das Beste für Deutschland" zu wollen.



          Nun wirklich nicht.

          Aber lassen Sie mich raten - Ihr Trick ist zu behaupten, die AfD seien gar keine Faschisten.



          Iss klar.



          Hat mir mein Opa auch erzählt. Die NSDAP waren ja gar keine Faschisten. Die wollten nur, dass es Deutschen und Deutschland gut geht.



          Schon fatal, muss ich mit in meinem 64. Jahr immer noch diesen Unsinn anhören.

        • @Gurkenbrille:

          Sie wollen es wohlmöglich falsch verstehen und die Debatte ablenken von dem, was da gerade demokratisch gewählt wurde. But face it: eine hohe Wahlbeteiligung ist nicht per se ein Ausweis demokratischer Gesinnung.

          • @MeinerHeiner:

            Ich habe in meinem Beitrag nicht von Gesinnung gesprochen, sondern von der Wahlbeteiligung. Eine hohe Wahlbeteiligung bezeugt ein hohes Interesse an der Demokratie. Die Menschen kann man nicht vorschreiben was sie zu wählen haben, wenn wir das tun würden wären wir in einem Unrechtsstaat.

            • @Gurkenbrille:

              Sie tun aber so, als sei mit einer hohen Wahlbeteiligung demokratietheoretisch und -politisch gesehen alles in Butter. Ist es aber nicht, weil die demokratischen Mittel allen und damit auch den Nicht-Demokraten zur Verfügung stehen. Eine hohe Wahlbeteiligung zeugt von hohem Interesse vieler Wählenden daran, einem bestimmten Politikangebot Geltung zu verschaffen und bestenfalls das Vertrauen zu haben, dass die eigenen Wahl etwas ändern kann. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn die Wählenden dann Politikanbietern den Vorzug geben, die ein Problem z. B. mit Vielfalt, Egalité, Minderheitenschutz und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen haben, darf man das als Demokrat bedenklich finden und kritisieren.

              • @MeinerHeiner:

                Mit jeder Wahl ist alles in Butter, weil Wahlen den Willen der Bevölkerung abbilden. JEDER wählt demokratisch und das Ergebnis ist ebenfalls demokratische. Auch wenn einem das Ergebnis nicht gefällt, muss man damit umgehen. Wenn ein großer Teil der Menschen weniger Zuwanderung möchte (das größte Thema dieser Wahl) oder Abschiebungen fordert, dann ist das so. Wenn die Politik darauf nicht reagiert, wird es zu weiteren Problemen kommen, die Bürger werden der Politik nicht mehr vertrauen.

  • Danke für diesen Artikel!

  • "In Sachsen und Thüringen haben 52 Prozent der AfD-Wähler diese Partei am 1. September wegen ihres Inhalts gewählt – nicht aus Protest."



    Haben sie eine belastbare Quelle zu der Aussage, würde mich schwer interssieren - Danke.

  • Zunächst einmal wäre es bei pauschalen Ansprachen nötig, sich auf einen pauschalen Konsens berufen zu können, der in seiner Grundsätzlichkeit als Konsens, als DNA einer Gesellschaft durchgesetzt ist. In der zahlreiche Institutionen auf zahlreichen Ebenen in Tiefe und Breite damit beschäftigt sind, diesen Konsens zu verteidigen, erlebbar, einklagbar, unumkehrbar zu machen.



    Ich spreche von Dingen wie: Mord, Diebstahl, Vergewaltigung, Betrug, Körperverletzung...ist strafbar.

    Aber diesen Konsens gibt es in der vorliegenden Sachlage nicht. Der Terrorplan "Remigration" gilt in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland nicht als Terroragenda von Terroristen. Die schon mit der Etablierung, Propaganda, Normalisierung dieses Terrorplans in die Herzen und Hirne, bis über den Hals in Terrorpraxis stecken.

    Es ist ist als sagte man, Mord, Diebstahl, Vergewaltigung, Betrug, Körperverletzung gehöre nun mal zum Mainstream (bürgerlicher) menschlicher Gesellschaft, dass man es mit den Mitteln des Rechtsstaats, der Repression, der Kriminalisierung, der strafrechtlichen Verfolgung nicht bekämpfen sollte. Sei eine "Meinung" in der Beliebgkeit, der Wahlfreiheit der liberalen Moderne.

  • Das Wort "Wählende" bringt der AfD 2% mehr.

    • @Michael84:

      Ernsthaft?



      Das ist das, was Sie aus dem Text mitnehmen?



      Eine grammatisch korrekte Formulierung, die den meisten Lesern weder positiv noch negativ aufgefallen wäre, weil der Text nicht um Grammatik ging.



      Ist das jetzt ein Vorwurf, dass Menschen,die nicht AfD wählen, ihre Sprachweise nicht an die Rechten anpassen?



      Wer sich an den braunen Sumpf anpasst, gewinnt von dort Stimmen zurück?



      Wenn es wirklich das ist, dann brauchen wir niemanden mehr, der nicht AfD wählt. Dann haben wir die Demokratie ohnehin schon verloren.

      • @Herma Huhn:

        Was hat es mit Demokratie zu tun, wenn drei Viertel der Deutschen gegen diesen Mord an der Sprache sind und er trotzdem begangen wird?

        • @Michael84:

          Mord an Ihrer Sprache? Was für ein Unfug.

    • @Michael84:

      Echt? Weil es Menschen gibt, die nicht das "generische Maskulinum" benutzen, wählen andere Menschen die AfD? Halten die Menschen in Brandenburg es nicht aus, dass es unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichem Sprachgebrauch gibt? Das kanm ich mir kaum vorstellen.

    • @Michael84:

      Dann haben wir ja einen Zusammenhang gefunden zwischen genderneutralen Sprache und das Wählen des Rechtsextremismus.

      Es gibt schließlich einige Sprachen, die seit Jahrhunderten genderneutral sind. Zeit, deren Grammatik zu verändern! Dann werden vielleicht weniger Menschen die monarchisch-kapitalistische Regierung in Thailand unterstützen.

      Weitere dieser Sprachen finden sich hier:



      en.wikipedia.org/w...enderless_language

    • @Michael84:

      das habe ich mir auch gerade gedacht

    • @Michael84:

      Warum? Keiner von den Angesprochenen wird das hier lesen.

  • 》... nun ist Brandenburg daran, und: Ihr steht am Abgrund. Aber noch könnt ihr umkehren. Wählt ihr die AfD, seid ihr mitschuldig an allem, was kommt.《

    Es werden aber voraussichtlich doch zu viele die AfD wählen. Weswegen absolute Priorität haben sollte, dass sie keine Sperrminorität erreicht.

    Z.B. auch nicht in einem Richterwahlausschuss, wie Ronen Steinke hier www.instagram.com/...h=b2tqcjB0NnVmcTBk sehr klar erläutert.

    Zeit-Online berichtet hier www.zeit.de/politi...ie/komplettansicht über die Grüne Erdmute Scheufele, die nur für die Zweitstimme an die Grünen wirbt - die Erststimme soll der SPD-Kandidat kriegen und so die Chance gewahrt bleiben, dass das Direktmandat nicht an die AfD geht.

    Taktisches Wählen: hier taz.de/Taktisch-Wa...ndenburg/!6034520/ auch nochmal erläutert

    Der Autor, Tristan Runge, gehört zur Initiative "Taktisch wählen" taktisch-waehlen.de/ - da kann wan sich über die Eingabe der Postleitzahl informieren, was u.U. am klügsten wäre.

    Wenn wan es ernst meint mit "keine Macht den Rechten!"!

  • "Warum richtet sich ein Land nach einer antidemokratischen Minderheit? "

    Nach unten zu treten ist immer einfacher als sich gegen die echten Gegner zu wenden. Aber ich fürchte, so einfach darf ich es mit nicht machen.

    Ich fürchte, ein guter Teil der Zustimmung zu antidemokratischen Parteien und Ausländerhass (jetzt ja breit vertreten in allen Parteien außer den Linken) liegt einfach daran, dass die Menschen das wirklich wollen. Auch bei den sogenannten etablierten Parteien ist Rechtsstaatlichkeit ja inzwischen auch nur noch ein Wunschzettel, wo man sich herauspickt, was einem passt. Die CDSU will das individuelle Asylrecht (ein Menschenrecht!) abschaffen.

    Die Menschen denken, Freiheit hieße "ich darf frei machen, was ich will". Freiheit für andere ist da nicht gefragt. Demokratie heißt: alle stimmen ab, aber wehe, die Gewinner sind nicht meiner Meinung. Dann werden WahlhelferInnen attackiert und Fackelzüge vor dem Haus von gewählten VertreterInnen der Demokratie abgehalten, um sie einzuschüchtern.

    Demokratoe braucht Bildung und echte Information. Und unsere Medien und unsere Schulen geben das nicht mehr her. Das sehe ich als Hauptgefahr. Ausländerhass als Auflagenboost.

  • Die ostdeutschen haben den eigentlichen Preis für die Einheit bezahlt.



    Dieser Bestand und besteht nicht aus Geldtransfers.



    Warum verraten sie sich jetzt an die AfD, die nur mit läppischen Methoden auf das Geld ihrer Wähler scharf sind.



    Man sieht nur mit dem Herzen gut.

    • @OhneNamen:

      "Warum verraten sie sich jetzt an die AfD.."

      Die Wähler können wählen was sie wollen, das ist in einer Demokratie so. Wenn sie mit der bisherigen Regierung / den Parteien nicht zufrieden sind, wählen sie eine andere Partei.

      • @Gurkenbrille:

        Man sollte im eigenen Interesse aber schon eine Partei wählen, die zumindest hoffen lässt, dass sie Entscheidungen im eigenen Sinne trifft.



        Das geschieht gerade bei der AfD allerdings sehr wenig. Die meisten Wähler haben unter einem AfD Programm mehr zu leiden als unter den Fehlern der bisherigen Politik.