piwik no script img

Erfahrungen mit dem Berliner SchulessenEs schmeckt widerlich

Berlin diskutiert über das Lieferversagen eines Schulcaterers. Aber auch ansonsten kann von Qualität selten die Rede sein. Ein Schüler berichtet.

So sicher wie das Amen in der Kirche: Jeden Freitag gibt es Fisch – leider Foto: Peter Gercke/dpa

Es ist Freitag, 12.15 Uhr, und es sind nur halb so viele Kinder in der Schulkantine wie an anderen Tagen. Denn es gibt Fisch mit gekochtem Weizen und Zitronensoße. Ein paar Schü­le­r*in­nen gehen in Richtung Kantine, entscheiden sich beim Anblick und dem abstoßendem Geruch dieser Kuriosität aber anders.

Und die meisten anderen, die sich für die Mahlzeit entschieden haben, essen dann doch nur ein paar Löffel, bis sie aufstehen, zur Geschirrablage gehen und den großen Rest des Essens von ihrem Teller in den Mülleimer schieben.

Nun kann man sagen: Anders als an vielen anderen Berliner Schulen gibt es an meiner Schule derzeit keine Lieferprobleme. Das stimmt, das Mittagessen kommt verlässlich, jeden Tag. Für uns Schü­le­r*in­nen ist das aber kein Trost.

Der Freitag ist besonders gefürchtet, denn in meiner Schule gibt es einen katholischen Caterer, der jeden Freitag Fisch liefert. Aber auch montags bis donnerstags ist es nicht viel besser: Da müssen wir uns oft mit Gerichten wie Milchnudeln oder versalzenen Pfannkuchen herumschlagen.

Viele Schü­le­r*in­nen gehen lieber in den Supermarkt

In meiner Schule weiß niemand im Voraus, was es zu essen gibt. Also werden wir meistens überrascht. Es gibt auch nie ein gutes veganes Gericht, weil der Caterer die veganen Gerichte so zubereitet, wie man das vielleicht vor 15 Jahren noch normal fand: Es ist meistens eine Grünkern-Boulette, die dann etwa statt des Fisches neben gekochtem Weizen und Zitronensoße auf dem Teller liegt.

Der Caterer liefert auch nur einen Gang, sodass wir nicht auf Suppe oder Salat ausweichen können. Ganz selten gibt es mal einen Blechkuchen oder einen Pudding zum Nachtisch. Der vegane Ersatz wiederum schmeckt wirklich widerlich – fad und mehlig.

In meiner Schulkantine kommt das Essen außerdem nicht sehr appetitlich an. Zum Beispiel landet es als verkochte Nudelsuppe, als labbrige Schnitzel oder kalter Kuchen auf dem Teller. Deswegen essen viele Kinder einfach nichts in der Schule, sondern gehen in den Supermarkt, um sich dort ein Kakaohörnchen oder eine Laugenstange zu kaufen.

Vor ungefähr zwei Jahren haben sich viele Schü­le­r*in­nen noch regelmäßig Yum-yum-Nudeln gekauft und in der Schulküche zubereitet. Das wurde dann von der Schule verboten, weil die bei der Zubereitung entstandenen Gerüche angeblich gestört haben. Was meiner Meinung nach in Hinsicht des Geruchs der gelieferten Speisen in der Schulkantine einfach nur absurd ist. Jetzt essen meine Mit­schü­le­r*in­nen die Instantnudeln einfach roh.

Günstig, aber leider nicht gut

Das Schulmittagessen kostet 50 Euro im Monat. Das sind 1,60 Euro pro Mahlzeit; für Kinder aus Familien, die etwa Bürgergeld bekommen, ist es ebenso kostenlos wie generell für alle Berliner Schü­le­r*in­nen der Klassen 1 bis 6. Und das klingt auch erst mal alles günstig. Aber eigentlich denke ich, dass die Schule von dem Geld besseres Essen besorgen könnte. Niemand in meiner Schule – außer den Lehrer*innen, die noch die DDR selbst erlebt haben – kann dieses Essen ertragen.

Wir bitten die Schulleitung schon seit Jahren, den Caterer zu wechseln, aber es geschieht nichts. Und inzwischen haben wir uns mit gekochtem Weizen und Zitronensoße abgefunden. Denn ganz ohne Essen können wir uns auch nicht konzentrieren.

Jim Murjahn ist Schülerpraktikant in der Berlin-Redaktion. Er besucht die 8. Klasse einer Gesamtschule in Pankow.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Der Caterer ist also katholisch...



    Nun, der katholische Glaube wird ja auch nicht durch Sinnlichkeit, sondern durch Leid Erfahrung vermittelt.



    Unabhängig davon ob in der Küche des Caterers vielleicht Ordensschwestern jenseits der 70 Jahre für Gotteslohn arbeiten.

    So war das jedenfalls in zahlreichen katholischen Heimen, bevor diese zu Eliteschule erklärt worden, die heute nur noch Politiker- und Oligarchenkinder beherbergen.

  • In meiner Schule gab es damals eine Schulküche, in der engagierte Mitglieder des Schulvereins Essen kochten. Das wurde kurz nach meinem Abschluss unter einer neuen Schulleitung abgeschafft, begründet mit Hygienevorschriften, die nur professionelle Anbieter leisten könnten.



    Ich habe auch Erfahrungen mit dem Essen an Universitätsmensen, das mal mehr und mal weniger gut war, aber für kleinere Institutionen gibt es brauchbare Angebote, die halt finanziell unterstützt werden müssen, wenn alle SuS daran teilnehmen können sollen.



    In der Kantine einer Raffinerie habe ich mal den Spruch gehört, die Soße komme aus Tank 100, weil sie die Konsistenz von Schweröl hatte, in vielen Kliniken und bei Essenslieferungen für Pflegebedürftige und Ältere ist es mit dem Aussehen, dem Geschmack und selbst der Konsistenz auch nicht weit her.



    Vielleicht liegt die Zukunft in Dorf- und Stadtteilküchen, die ortsnah die öffentliche Verwaltung und die Bedürftigen versorgen. Das würde aber gegenfinanziert werden müssen und darf nicht auf die gleiche Weise auf die Kommunen abgewälzt werden wie teilweise bei den Kitas geschehen.

  • Schulessen scheint Geldverschwendung zu sein. Die Politiker sollten das selbst essen.



    Man sollte tiefer darüber nachdenken, ob und welches Essen angeboten wird. Wenn entweder vom Caterer oder den Schülern eh alles in den Müll kommt, kann man es vergessen.

  • Soso. Und das Gesundheitsamt bzw. die Lebenmittelaufsicht ist wohl gerade auf einem Kongress in Nizza, Palermo oder sonstwo, nicht wahr ?

    Aber auch hier muss man eigentlich nicht schauen wer das was in die Töpfe rührt sondern eher wer da was in wessen Tasche fliessen lässt.

    Eines sollten wir doch wohl gelernt haben: Behördenblindheit ist immer das Ergebnis von Korruption und Korrumpierung. Immer.

    • @Bolzkopf:

      Labberige Nudeln und ungenießbares Essen sind leider kein Problem für die Lebensmittelaufsicht.

      Bei Restaurants löst sich das Problem anderweitig von selber.

  • Ich habe nach der Grundschule auch nicht mehr das Schulessen gegessen, weil es einfach schrecklich war, sondern mich bis zum frühen Nachmittag mit den Broten meiner Mutter durchgebracht und dann Zuhause mir selbst etwas gemacht.

    Ich kann das einfach sehr gut nachvollziehen.



    Und ja, ordentliches Essen kriegt man auch aus der Großküche wohl nicht für 1,60€ pro Mahlzeit. Aber hier wäre doch mal ein Sinnvoller Punkt, etwas Geld zuzuschießen und vor allem, die Qualität zu vereinheitlichen!

    Und zum Thema DDR Zeiten. Damals wurde vielleicht einfach aufgrund von zeitgemäßer Kultur nicht viel Rücksicht auf Veganismus genommen, die Qualität des Essens war jedoch deutlich besser! Da waren halt keine gewinnorientierten Unternehmen am Werk, die die Kosten möglichst klein halten wollten, um die Gewinne zu maximieren.



    Sollte man vielleicht wieder staatlich bereitstellen, das Schulessen!

  • Ich muss gestehen, noch nie gekochten Weizen probiert zu haben, und es wird wohl auf die Würzung ankommen, aber es klingt nicht gut. ;)



    Allerdings, obwohl es solche Gräuelichkeiten nicht gab, haben auch wir vor 25 Jahren als Schüler schon regelmäßig "außer Haus" gespeist.