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Harris vs. TrumpDer Kontrast könnte kaum größer sein

Das TV-Duell wurde zum großen Schlagabtausch. Kamala Harris stichelte gegen Donald Trump, der ließ sich immer wieder aus dem Konzept bringen.

Trafen bei ihrem TV-Duell erstmals live aufeinander: Donald Trump und Kamala Harris Foto: Alex Brandon dpa/AP

Washington taz | Die zweite TV-Debatte im diesjährigen US-Präsidentschaftswahlkampf war Schlagabtausch auf Augenhöhe und verdeutlichte, wie eng das Rennen um das Weiße Haus tatsächlich ist. Es war das erste Aufeinandertreffen zwischen Ex-Präsident Donald Trump und Vizepräsidentin Kamala Harris, die Präsident Joe Biden nach dessen desaströser Leistung in der ersten TV-Debatte im Juni als Spitzenkandidatin der Demokraten ersetzt hatte.

Über 90 Minuten hinweg versuchten die beiden Kandidat:innen, ihre Perspektiven und Visionen für Amerika zu präsentieren. Und der Kontrast hätte dabei wohl kaum größer sein können. Trump bezeichnet die USA mehrmals als eine „scheiternde Nation“ und gab der aktuellen Regierung um Präsident Biden die Schuld dafür. Harris, die Teil dieser amtierenden Regierung ist, sprach hingegen von einer Nation, in der die Menschen gemeinsam für eine besser Zukunft kämpfen.

Die vom US-Fernsehsender ABC News produzierte Debatte startete gleich mit einem Paukenschlag, als Harris schnurstracks auf Trump zumarschierte und sich mit einem Handschlag vorstellte. Es war nämlich nicht nur die erste Debatte zwischen den beiden Kontrahenten, sondern gleichzeitig auch das erste persönliche Aufeinandertreffen überhaupt.

„Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert“

Erörtert wurden die großen Themen im diesjährigen Wahlkampf wie Wirtschaft, Einwanderung, Abtreibung und die beiden Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Wie so oft im US-Wahlkampf blieb die Substanz leider zum großen Teil auf der Strecke. Bereits nach wenigen Minuten war ersichtlich, dass Harris eine einfache Strategie verfolgt. Sie köderte Trump immer wieder mit kleinen Sticheleien, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Und der Ex-Präsident ließ sich darauf ein.

Und auch ohne Publikum hatte die Debatte einiges an Feuer zu bieten. Harris kritisierte Trumps Wirtschaftspläne, machte sich über seine Bewunderung für Diktatoren lustig und bestätigte, dass er die Wahl vor vier Jahren tatsächlich verloren hatte. „Donald Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert“, sagte die 59-Jährige mit Anspielung auf die Anzahl von Stimmen, die Präsident Biden 2020 erhielt.

Trump selbst gesteht auch fast vier Jahre nach seiner Niederlage diese nicht ein und erklärte erneut, viele Beweise und Statistiken zu haben, die seinen Sieg belegen würden. Dieser Fokus von Trump auf die Vergangenheit, sei es der angeblich gestohlene Wahlsieg oder Mutmaßungen darüber, dass es unter seiner Führung zum Krieg in der Ukraine erst gar nicht gekommen wäre, nutzte Harris umgehend aus.

„Ich bin nicht Joe Biden und schon gar nicht Donald Trump. Und was ich anbiete, ist eine neue Führungsgeneration für unser Land“, sagte die Vizepräsidentin.

Auch Trump konnte punkten

Harris wirkte über weite Strecken der Debatte besser vorbereitet und gelassener als ihr Gegenüber. Trump gelang es jedoch beim Thema Einwanderung und den politischen Kurswechseln, die seine Kontrahentin in den vergangenen Jahren vollzogen hat, zu punkten.

„Sie ist eine radikale Linke“, die ihre Politik danach ausrichte, wie der politische Wind gerade weht, erklärte Trump. „Sie wird euch eure Waffen wegnehmen und Fracking in Pennsylvania verbieten“, fügte der 78-Jährige hinzu. Fracking, das zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl genutzt wird, ist in dem so wichtigen Swing State Pennsylvania von großer Bedeutung, da viele Arbeitsplätze daran hängen.

Wahlkampf mit Hetze gegen Migranten

Auch die Situation an der US-mexikanischen Grenze spielt Trump in die Karten. Zwar ist in den vergangenen Monaten die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte stark zurückgegangen, doch Umfragen zeigen, dass viele Amerikaner weniger Einwanderung wollen und Trump als denjenigen betrachten, der dies umsetzen kann. Trump machte immer wieder die, wie er sagt, unkontrollierte Einwanderung für die Kriminalität im Land verantwortlich.

Weniger produktiv war vermutlich seine Erwähnung eines unbestätigten Berichts, der auf vielen rechten Onlineseiten verbreitet wird. Darin wird behauptet, dass Migranten aus Haiti in einem Ort in Ohio für Chaos sorgen und sogar Haustiere stehlen, um diese dann zu essen. Lokale Behörden erklärten bereits im Vorfeld, dass es keine glaubwürdigen Beweise für diese Vorkommnisse geben würde.

Trump wiederholte während der Debatte auch seine altbekannten Behauptungen, dass die Biden-Regierung das amerikanische Justizsystem gegen seine Person missbrauchen würde und dass die ganze Welt Präsident Joe Biden und damit auch die USA als schwach ansehen würden.

Taylor Swift spricht sich für Harris aus

Am Ende waren beide Lager zufrieden. Harris' Wahlkampfteam erklärte, dass die Vizepräsidentin für eine weitere Debatte im Oktober bereitstehen würde. Trump wollte sich darauf allerdings noch nicht einlassen, obwohl es seiner Meinung nach „seine beste Debatte“ war.

Für Harris kam die vielleicht bedeutendste Nachricht erst kurz nach dem Ende der Debatte. Musik-Superstar Taylor Swift erklärte in einem Instagram-Post, dass sie im November für Kamala Harris und deren Vizekandidaten Tim Walz stimmen werde. „Ich halte sie (Harris) für eine besonnene, begabte Führungspersönlichkeit und bin überzeugt, dass wir in diesem Land viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht von Chaos geleitet werden“, schrieb Swift in dem Post.

Ob die Kandidaten mit der Debatte auch wichtige unabhängige Wähler für sich gewinnen konnten, bleibt abzuwarten.

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14 Kommentare

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  • **„Donald Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert“, sagte die 59-Jährige mit Anspielung auf die Anzahl von Stimmen, die Präsident Biden 2020 erhielt.**

    Die Stichelei ging dabei nicht primär um die Zahl der Stimmen.



    Trump ist in Amerika bekannt geworden durch seine idiotische Fernsehshow ¨The Apprentice¨. Seine 'catch phrase' war ¨you're fired¨ wenn ein Mitspieler verloren hat.

    Sie hat also sein eigenes Markenzeichen gegen ihn verwendet.

    Sie hat während der ganzen Debatte immer wieder eine ähnliche Strategie verfolgt. Sie hat die Zuschauer sogar direkt dazu aufgefordert, zu einer von Trumps Wahlveranstaltungen zu gehen - um mit eigenen Augen zu sehen (oder hören) was für einen unzusammenhängenden Unsinn er redet, und, entscheidend, um zu sehen wie viele von seinen Anhängern vorzeitig genervt die Veranstaltung verlassen.



    Der Zweck des Vorschlags war natürlich Trumps fragiles Ego bloßzustellen und ihn zum incohärenten Labern zu verleiten. Hat hervorragend funktioniert.

  • Wieder mal ein deja-vu-Erlebnis. Als in den fünfziger/sechziger Jahren die ersten ausländischen Restaurants in Deutschland eröffneten war die Behauptung dort würden weggefangene Hunde und Katzen serviert ein beliebtes Mittel der biodeutschen Wirte beim Versuch sich die lästige Konkurrenz von Leib zu halten.

  • Ich drücke Harris die Daumen. Sie hat sich toll geschlagen. Es wird definitv ein Kopf an Kopf rennen!

  • Was für ein Spektakel. Harris hat sich definitv besser geschlagen

  • Ein Präsidentschaftskandidat. der aufgrund eines dubiosen Facebook Posts in aller Öffentlichkeit behauptet, dass Immigranten Haustiere stehlen und essen. Wer so jemanden ins Weiße Haus wählen will, hat nicht mehr alle Kerzen am Leuchter! Trump setzt, was abstruse und hirnlose Äußerungen angeht, eben immer noch einen drauf. Seine Reden strotzen nur so von Lügen und Hass, was in deutschen Medien leider kaum beachtet oder sogar verharmlost wird.

    • @Minelle:

      Die Kleinteiligkeit und Episodenhaftigkeit der US-Nachrichtenwelt bewirkt, dass genau solche Behauptungen verfangen. Das ist genau die Sorte politisch ausschlachtbarer Räuberpistole, die in den News-Cycle passt.

      Und ob sie gelogen ist, kann Jeder sich selbst was zusamendrechseln. Beweisen Sie mal, dass es in Springfield, Ohio, KEINE haiitianischen Einwanderer gibt und dort alle Kleintiere in letzter Zeit eines natürlichen Todes gestorben sind!

      Beuispiel: Ich habe einen Post zu der Debatte und der Aussage von Harris gefunden, sie sei selbst Waffenbesitzerin und weder sie noch Walz wollten den Leuten ihre Waffen abnehmen. Dessen Analyse: "Will sie doch (weil: isso). Also ist das gelogen."

      Das ist das Niveau, auf dem da teilweise Tatsachen und Äußerungen verarbeitet werden.

  • Naja, die Urteile der Harris-Sympathisierenden TV-Medien (CNN, ua) sehen einen eher knappen Vorsprung bei der Wirkung des Abends für Harris.



    Am negativsten für Trump wird sich wohl nicht das "Standard-Repertoire" an Phrasen und Lügen auswirken, sondern der Meme-taugliche Fehlgriff mit den Immigranten die in Springfield nicht nur Katzen und Hunde ("pets") sondern auch das Ungeziefer ("pests") braten.



    Irgendwann in ein paar Jahren wird man bei einer Obduktion vielleicht feststellen, dass irgendein mutierter Prozeß bei ihm ständig körpereigene Drogen produziert hat. Oder irgend etwas ähnliches, dass ihn praktisch ständig neben die Spur stellte...

  • Harris' Taktik, einfach nur "nicht Trump" zu sein, ist an diesem Abend aufgegangen, weil Trump beschloss, 100% Trump zu sein. Damit überzeugt er aber nur die, die ihn eh schon wählen. Dem inflationsgeplagten Wähler im swing state hilft es nicht, sich zu streiten, ob hetzt irgendwelche Hunde gegessen wurden oder nicht. So hatte Harris die Möglichkeit, relativ unbeschadet durchzusegeln, ohne ihre zahlreichen flip-flops der letzten Jahre erklären zu müssen. Sie bleibt immer noch ein Rätsel.

  • Donald Trump war reizbar und wurde von Kamala Harris geschickt ausgereizt. Auf Knopfdruck wurde er laut und wütend und brachte nichts weiter als seine üblichen Lügen hervor. Es gelang ihm fast immer, die vereinbarten Regeln zu brechen, indem er, obwohl er eigentlich nicht reden durfte, die Moderatoren übertrumpfte und seine Lügen weiter verbreitete. Harris' Auftreten war weitgehend sicher und zielstrebig.

  • Es i5s vor allem bei der Beurteilung des Erfolgs wichtog, dass nur registrierte wählerInnen nach der Sendung befragt wurden. Wer in den USA wählen will, muss sich registrieren lassen und das wird vor allem in den südstaaten schwarzen bürgerInnen sehr erschwert.

  • Yep, die Nachricht von Taylor Swift ist wahrscheinlich WIRKLICH der wichtigste Moment des Abends. Verrückte Welt...

  • Wahlkampf in Krisenzeiten ist ein Problem, schließlich gibt es nicht so viel zu versprechen, wenn frau glaubwürdig Politik machen will: Inflation ist ein Systemproblem einer kapitalistischen Wirtschaft, wenn mit Steuergeldern Defizite z.B. im Sozialhaushalt ausgeglichen werden müssen. Von der Rhetorik des demokratischen Parteitag, dem Zusammenführen der amerikanischen Gesellschaft, einem Mut zur Offensive ist heute Nacht (leider?) nicht viel übrig geblieben, ein Versuch, der Mittelschicht mit Starthilfen und Preisstabilität bei Verbrauchsgütern entgegen zu kommen, ist im Wahlkampf nicht immer überzeugend. Völlig wirr natürlich die Versprechen Trumps, den Ukraine-Krieg sofort zu beenden, verbunden mit dem indirekten Hinweis auf Putins Atomwaffen, ein Problem, das er unter Männern lösen will. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack, wie man diesem Phänomen Trump beikommen kann, so richtig gelungen ist das weder den Moderatoren noch einer aufrechten Kamala Harris.

  • Wir können nur hoffen , dass das kleiner Übel gewinnt.

  • Es ist unfassbar, dass es so viele Menschen gibt, die einem Hasardeur, Lügner und



    Betrüger so unreflektiert nachlaufen. Pauschalurteile sind falsch, ja, doch in solchen Fällen bleibt einem gar keine andere Wahl als anzunehmen, dass die Follower solcher Typen allesamt entweder kein Gramm Grips im Kopf haben oder völlig verrottet in ihrer Moral sind.