Wie man mit Rechten umgeht: Faul und bauernschlau
Rechtspopulisten gibt es auch in Adrianähe. Im dalmatinischen Hinterland treiben sie ihre egoistische Politik – und werden dafür nun verspottet.
D as dalmatinische Hinterland ist eine Art Brandenburg. Zwar ist es Tausende Jahre länger zivilisiert und hat Tausende Meter hohe Berge, ist aber ungefähr genauso dünn besiedelt und ungefähr so dünnhäutig, was die eigene Vergangenheit betrifft.
Das Leben im Landstrich hier wie dort ist für viele oft ein ausreichendes Argument, rechts zu wählen: In der Hauptstadt herrschen Sodom und Gomorrha, werden die Steuergelder verprasst und Politik ohne oder gegen das Volk gemacht (Ukraine und USA, Bill Gates und Brüssel).
Das war zwar schon immer so. Doch als Abfallprodukt der Modernisierung konservativer Parteien sind europaweit Rechtspopulisten erwachsen, was eine Debatte darüber erzwang, wie mit ihnen umzugehen sei. Auch nach der Brandenburg-Wahl wird es wieder heißen: Ignorierengehtnichtmehr, MachtdieBrandmauernochSinn etc.
Stellen Sie sich vor, Olaf Scholz hätte auf die Frage eines Brandenburger AfD-Abgeordneten im Bundestag empfohlen, sich Rainald Grebes „Brandenburg“-Lied anzuhören, um zu verstehen, mit welchen rechten Gestalten man es dort zu tun habe. Und stellen Sie sich vor, das wäre die Antwort auf die Frage, ob Bundeswehrsoldaten in die Ukraine geschickt würden.
Politik nach persönlichen Interessen
Die einen würden sich aufregen, dass man die Leute auf diese Weise in die Arme der Rechten treibe. Die Medien würden wie immer besserwisserisch kommentieren, dass sich Rainald Grebe längst von „Brandenburg“ distanziert habe, weil er oberflächlichen Spott heute falsch finde. Auf Social Media würde behauptet werden, Rainald Grebe wähle AfD. AfD und BSW würden kritisieren, dass der Kanzler unbequemen Fragen ausweiche.
Ungefähr dieses Szenario spielte sich gerade in Kroatien ab. In der ersten Sitzung des Parlaments nach der Sommerpause empfahl Premier Plenković die humoristische Serie „Čovik i po“ aus den 1970er Jahren, in der man lernen könne, wie in der im dalmatinischen Hinterland gelegenen Stadt Sinj Politik gemacht werde: ausschließlich nach persönlichen Interessen.
Der Premier hatte damit auf die Frage eines rechten Abgeordneten, des Bürgermeisters der Stadt Sinj, geantwortet, der wissen wollte, ob kroatische Soldaten „auf das Schlachtfeld osteuropäischer Kriegstreiber“ geschickt würden. Der Premier hatte das als Bullshit abgetan und stattdessen die politische Gesinnung des Abgeordneten in den Vordergrund gerückt.
In der Serie liest die Hauptfigur, die es vom Provinzpartisanen aus Sinj zum Minister geschafft hat, morgens in seinem Bett aus seinem Tagebuch: „Immer daran denken, dass du zuerst Mensch und dann Minister bist.“ Danach kriecht er wieder unter die Decke, anstatt seine Termine vorzubereiten.
Erfrischende Erinnerung
Der kroatische Premier wollte also den rechten Abgeordneten verspotten, indem er ihn mit einem faulen, bauernschlauen Provinzaufsteiger verglich. Nicht nur für rechte Kroaten, sondern auch für Konservative wie Plenković sind jugoslawische Kommunisten die schlimmsten Verbrecher aller Zeiten; mit ihnen verglichen zu werden, die größte Beleidigung.
Nun wird seit Tagen über diese vergessene Serie geredet. Dass es ausgerechnet im autokratischen System Jugoslawien möglich war, die eigene Politklasse so aufs Korn zu nehmen, ist für die einen neue Erkenntnis, für die anderen erfrischende Erinnerung. Der Vergleich diente also weder den Rechten noch dem amtierenden Premier.
Und hier? Während anderswo Humorserien ausgegraben und Chartbreaker („They’re eating the dogs“) komponiert werden, wägen wir hier weiter ab: Was nützt, was schadet? Falsch ist das sicher nicht. Aber nach all den Jahren, die diese Debatte alt ist, finde ich, dass das am Ende so viel bringt wie ein guter oder schlechter Witz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Habecks Ansage zur Kanzlerkandidatur
Pragmatismus am Küchentisch
Solidaritätszuschlag in Karlsruhe
Soli oder Haushaltsloch
Belästigung durch Hertha-BSC-Fans
Alkoholisierte Übergriffe im Zug
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?